Datenschützer warnen:

„Hass im Netz“-Gesetz teils „grundrechtsfeindlich“

Web
16.10.2020 08:39

Die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works ortet im Gesetzespaket gegen „Hass im Netz“ „grundrechtsfeindliche Passagen“. Sie warnt unter anderem vor Netzsperren und Uploadfiltern. Kritik kommt auch vom Verband österreichischer Zeitungen, der etwa die Verdoppelung der Höchstgrenzen für Entschädigungsansprüche im Mediengesetz ablehnt. Auch die SPÖ fordert die Regierung auf, das Paket, dessen Begutachtungsfrist am Donnerstag zu Ende gegangen ist, zu überarbeiten.

„Ich begrüße die Intention, gegen Hass im Netz stärker vorzugehen und vor allem Personen, die von Hass im Netz betroffen sind, besser zu schützen. Aber das Begutachtungsverfahren hat Schwachstellen aufgezeigt, der Entwurf birgt - so zeigen es ExpertInnen auf - Gefahren“, so die netzpolitische Sprecherin der SPÖ, Katharina Kucharowits, in einer Aussendung.

epicenter.works ortet in allen drei Entwürfen, die Teil des „Hass-im-Netz“-Pakets sind, problematische Bestimmungen. So könnten laut der Organisation aufgrund von Persönlichkeitsrechtsverletzungen ganze Websites gesperrt werden. „Die Bestimmung ist so breit, dass sie es grundsätzlich zulässt, dass bereits aufgrund eines illegalen Postings gleich ein ganzer Blog oder ein ganzes soziales Netzwerk gesperrt werden kann“, warnt die NGO. Die Rundfunkregulierungsbehörde RTR weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass Netzsperren durch Access-Provider „grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis“ zur Netzneutralitätsverordnung der EU stehen.

Auch die Internet Service Provider Austria (ISPA) befürchten Uploadfilter und Netzsperren. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) betonte allerdings kürzlich unter anderem in einem „ZiB 2“-Interview, dass Netzsperren nicht vorgesehen seien. „Keinen Zweifel“ ließen die Erläuterungen aus Sicht von epicenter.works zudem darüber, „dass Uploadfilter installiert werden sollen, um den wiederholten Upload von gesperrten Inhalten zu verunmöglichen“. Außerdem würden mit dem Gesetzespaket eine Anlassdatenspeicherung und andere Überwachungsmethoden in die Hände von Privatanklägern gelegt.

Negative Auswirkungen für kleine Anbieter erwartet
Das im Paket enthaltene „Kommunikationsplattformen-Gesetz“ könnte sich aus Sicht der Organisation auf kleine Unternehmen und österreichische Internetforen negativ auswirken. Um dem Gesetz zu entsprechen, wären Ausgaben im sechsstelligen Bereich notwendig. Betroffen wären laut epicenter.works etwa der e-Learning Anbieter SchoolFox oder die Crowdfunding-Plattform Respekt.net.

Nicht gewinnorientierte Web-Enzyklopädien wurden zwar ausgenommen, allerdings verweist Wikimedia, die hinter dem Online-Lexikon Wikipedia stehende Organisation, in ihrer Stellungnahme erneut darauf, dass sie mit Wikimedia Commons und Wikidata auch zwei nicht-enzyklopädische Projekte betreibt, die betroffen wären.

Kritik hagelt es für eine Passage, die es Arbeitgebern ermöglichen würde, rechtliche Schritte ohne Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter einzuleiten. Denkbar seien schließlich beispielsweise Fälle, in denen eine beleidigte Person absichtlich keine juristischen Schritte ergreifen will, um nicht zusätzliche Aufmerksamkeit für eine falsche Behauptung zu schaffen, kritisiert etwa der Presseclub Concordia in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Journalistin Ingrid Broding diese Bestimmung.

Sie plädieren außerdem dafür, den Begriff „Vermittler“ im „Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz“ auszutauschen (beispielsweise durch „Host-Provider“). „Eine Auslegung dieses Begriffs, welche auch Access-Provider umfasst, könnte eine Ausdehnung von Netzsperren zur Folge haben“, warnen auch sie.

Kritik an Verdopplung der Obergrenze für medienrechtliche Entschädigungen
In Frage gestellt werden die im Rahmen der im „Hass-im Netz“-Paket vorgesehenen Änderungen im Mediengesetz vom Verband österreichischer Zeitungen (VÖZ): Abgelehnt wird unter anderem die Anhebung der Obergrenze für medienrechtliche Entschädigungen auf 100.000 Euro. Eine „maßvolle Anpassung der Höchstgrenzen“ wäre aus Sicht des VÖZ zwar nachvollziehbar, nicht aber eine Verdoppelung. Außerdem sollte mit der „Valorisierung“ der Entschädigungssätze „bis zur Stabilisierung der volkswirtschaftlichen Gesamtsituation, und damit auch der wirtschaftlichen Situation der österreichischen Medienunternehmen zugewartet werden“, heißt es in der Stellungnahme.

Auch der Verband österreichischer Privatsender betrachtet die Verdoppelung der Höchstgrenzen als „überzogen“. Angeregt wird auch, den Identitätsschutz zwar wie geplant auf Angehörige von Opfern und Zeugen, nicht aber auf Angehörige von Tätern auszuweiten, da das die Informationsaufgabe von Medien in „unverhältnismäßigem Ausmaß“ einschränken könnte.

Ausgebildetes Personal und IT-Ausstattung nötig
Die Organisation ZARA pocht auf eine langfristige Finanzierung für ihre Beratungsstelle „#GegenHassimNetz“. Mit den notwendigen Ressourcen könnte ZARA als externe Stelle die nach dem „Kommunikationsplattformen-Gesetz“ vorgesehene rechtliche Überprüfung von Postings vornehmen, so der Vorschlag. „Nach dem derzeitigen Entwurf würden diese rechtlichen Einschätzungen kommerziell orientierten Plattformen wie z.B. Facebook überlassen werden, was für Betroffene zu unzufriedenstellenden Ergebnissen führen kann“, argumentiert ZARA.

Der Rechnungshof weist in einer Stellungnahme allgemein darauf hin, dass „für die Sicherstellung eines effektiven und effizienten Mitteleinsatzes und einer effektiven Bekämpfung von Hass im Netz“ eine „einheitliche und profunde Ausbildung des Personals, die Verfügbarkeit notwendiger IT-Ausstattung, organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung langer Verfahrensdauern sowie Optimierungen der Zusammenarbeit zwischen den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden“ erforderlich sein werden.

SOS-Kinderdorf und die Kinder- und Jugendanwaltschaften plädieren dafür, das Gesetzespaket mit einer groß angelegten Informationsoffensive zu begleiten. Außerdem müssten ein kostenfreies Verfahren und verpflichtende kostenlose Prozessbegleitung für minderjährige Opfer von Hass und Gewalt im Netz sichergestellt werden.

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