Social Media, Games

Mediensucht: „Vielen Jugendlichen fehlt Abenteuer“

Web
06.07.2025 15:37

Immer mehr Jugendliche befürchten, mediensüchtig zu sein. Für Dominik Batthyány, Leiter des Instituts für Verhaltenssüchte und Suchtforschung der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien, ist klar: Vielen von ihnen fehlt das Abenteuer. Die beste Prävention sei, „das Leben möglichst bunt und vielfältig zu halten.“

Der psychosoziale Notdienst Rat auf Draht hat im Vorjahr um über 70 Prozent mehr Beratungen zum Thema übermäßige Mediennutzung bei Jugendlichen gehabt. Viele würden sich die Frage stellen, ob die Zeit, die sie mit Online-Spielen und in sozialen Medien verbringen, schon in den Suchtbereich fällt, berichtete Rat auf Draht im Juni.

Laut einer österreichischen Studie für die „Mental Health Days“, die Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, verbringen die befragten Teenager im Durchschnittsalter von 14 Jahren im Schnitt vier Stunden pro Tag mit ihrem Smartphone. Die Bildschirmzeit allein sage aber noch nicht aus, ob jemand mediensüchtig ist oder nicht, erklärt Batthyány.

WhatsApp, YouTube und Snapchat stehen bei Österreichs Jugend hoch im Kurs.
WhatsApp, YouTube und Snapchat stehen bei Österreichs Jugend hoch im Kurs.(Bild: stock.adobe.com)

Medien nutzen, um Problemen zu entkommen
Entscheidend sei laut dem Psychotherapeuten die Funktion: Wenn das Smartphone oder Online-Gaming beispielsweise genutzt wird, um negative Gedanken wegzubekommen oder um mit schwierigen Situationen besser umzugehen, also als „eine Art Selbstmedikation dient, mit der ich mich betäuben oder Defizite ausgleichen kann“. Wird die Mediennutzung zur wesentlichen Strategie, um Probleme zu lösen, wird es „problematisch“.

Auch exzessives Verhalten, wenn Jugendliche beispielsweise die ganze Nacht hindurch Computerspiele zocken, der Kontrollverlust und negative Auswirkungen auf andere Lebensbereiche seien Anzeichen für eine Sucht.

Typische Beispiele seien laut Batthyány etwa, dass Kinder in der Schule schlechter werden oder andere Hobbys und Freunde kaum noch eine Rolle spielen. „Die Bedeutung des Spiels wird total überhöht.“ Treffen mehrere dieser Kriterien zu und dauern länger als zwölf Monate an, spreche man von Suchtverhalten.

Besonders gefährdet, eine Mediensucht zu entwickeln, sind laut dem Psychotherapeuten Menschen, bei denen ADHS, Autismus, Depressionen oder Ängstlichkeit diagnostiziert wurden. „Es ist oft so, dass sich das Medienverhalten auf Probleme, die da sind, draufsetzt – als Problemlösungsstrategie.“

Je mehr man diese Problemlösungsstrategie nutze, desto schwächer würden andere bereits existierende Strategien werden. „Deshalb ist es wirklich wichtig, dass man versucht, das Leben der Menschen möglichst bunt und vielfältig zu halten. Dass viel da ist, was einen interessiert, was einem Freude macht. Das ist die beste Art von Prävention.“

Wenig Verständnis von Eltern
Wie viele Menschen in Österreich mediensüchtig sind, sei schwer zu beurteilen, da es keine validen Untersuchungen gebe, sagte der Experte. Seit dem Aufkommen des Smartphones habe sich jedoch viel geändert, da man das Gerät immer bei sich haben könne und es viel mehr Möglichkeiten und Anwendungsbereiche gebe.

„Hier müssen wir immer unterscheiden: Ist ein Kind wirklich süchtig danach oder ist es der Familie noch nicht gelungen, einen Rahmen für die Smartphone-Nutzung zu finden?“ Zweiteres könne zu Konflikten führen, wenn Eltern mit Medienzeit bestrafen oder belohnen.

Oft fehle aber auch das Verständnis: Früher hätten Mütter und Väter auch nicht ein Fußballmatch der Kinder unterbrochen, wenn das Essen fertig ist, illustrierte Batthyány. Bei einem Computerspiel komme das eher vor. „Kinder und Jugendliche sollen auch selbst lernen, mit Medien umzugehen und ihre Grenzen kennenzulernen. Aber trotzdem finde ich einen Rahmen wichtig, der schützt, Sicherheit und Orientierung gibt“, sagt er.

Dieser Rahmen sehe von Familie zu Familie anders aus und könne auch einmal lockerer sein, wie derzeit in den Sommerferien. Aber wie auch bei einer gesunden Ernährung Vielfalt wichtig ist, sollen Kinder und Jugendliche auch in der Freizeit viele unterschiedliche Sachen machen.

Abenteuer fehlen
Behandelt wird problematischer Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen – aber auch bei Erwachsenen – an der Universitätsambulanz der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien mittels Gesprächstherapie. Zusätzlich gibt es auch Selbsthilfegruppen, online und in Präsenz.

Gemeinsam mit einer Kollegin hat Batthyány zudem den Verein Ergon gegründet, deren Angebote von der Wiener Sucht- und Drogenkoordination gefördert werden und der kostenlose Therapieplätze für Kinder, Jugendliche und Erwachsene anbietet.

Neben der psychiatrischen Diagnostik, die ermittelt, ob andere psychische Probleme vorliegen, gibt es hier auch Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche. Bei Spielenachmittagen und Kampfkunst-Trainings lernen Kinder „sich selbst zu spüren, Grenzen zu setzen, auf andere aufzupassen und miteinander Spaß zu haben.“ Denn „das ist das, was vielen fehlt: das Abenteuer“.

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