Mag. Cornelia Pollacks „verdrehte“ Wirbelsäule verschlechterte sich seit ihrem sechsten Lebensjahr laufend. Reagiert wurde beinahe zu spät: Nur eine strenge Therapie mit speziellen Übungen und das Tragen eines Korsetts 23 Stunden am Tag retteten die junge Patientin vor einer Operation. Die Therapie verlangte dem damaligen Teenager etliches ab, half aber. Heute unterstützt die Wienerin selbst Skoliose Patienten.
„Das wächst sich schon noch aus!“ – hörten die kleine Conny und ihre Eltern jährlich vom Arzt, wenn er die krumme Wirbelsäule des Mädchens betrachtete. Erst als sie 12 Jahre alt war, schrillten bei einem anderen Orthopäden die Alarmglocken: Warum hatte man nichts gegen diese schwere Skoliose unternommen? Laut Definition lässt sich diese Diagnose stellen, wenn bei einer speziellen medizinischen Vermessung der sogenannte „Cobb-Winkel“ über 10 Grad liegt. Bei Conny Pollack zeigten sich im oberen Teil 35 Grad und am unteren Ende 50 Grad!
Kinder spüren davon oft nichts
„Ich hatte ja keine Schmerzen, betroffene Kinder haben die eigentlich kaum. Nur wenn ich länger stand oder bummelte, spürte ich ein unangenehmes Druckgefühl. So erinnere ich mich, dass ich mich bei einem Zoo-Besuch öfter hinsetzen musste, weil ich dieses langsame Gehen nicht aushielt“, erzählt Cornelia Pollack.
Doch nun, an der Schwelle zum Teenager, galt es plötzlich, eine herausfordernde Therapie zu meistern: „Ich ging wöchentlich zur Physiotherapie und lernte spezielle Übungen, die sogenannte Schroth-Therapie. Diese musste ich täglich durchführen. Außerdem trug ich bis zu 23 Stunden am Tag ein Korsett.“
Die Therapie stellt eigentlich nur eine Symptombekämpfung dar. Mittels Rumpf-Orthese und Physiotherapie versucht man die Wirbelsäule in die richtige Richtung zu lenken. Eine oftmals langwierige Angelegenheit.
Für junge Menschen hart
Jeder kann sich vorstellen, dass diese strenge Therapie gerade für junge Menschen schwierig ist. „Aber die Disziplin, die mich diese herausfordernde Zeit gelehrt hat, hilft mir heute enorm im täglichen Leben“, so die 29-Jährige. „Wichtig für mich war ebenfalls, dass ich ab 12 Jahren jährlich in den Sommerferien drei bis vier Wochen auf Rehabilitation gefahren bin. Damals gab es solche Programme nur in Deutschland. Anfangs wehrte ich mich dagegen, doch dann lernte ich viele andere Betroffene kennen und bemerkte: ,Du bist nicht allein mit deiner Krankheit!´ Das hat mir mental sehr geholfen.“
Wie Zahnspange für den Rücken
Sie hat auch gleich einen Tipp für junge Menschen parat, die erstmals ein Korsett tragen müssen und Angst davor haben, was ihre Mitschüler dazu sagen könnten: „Zeige es zunächst in einem geschützten Umfeld guten Schulfreundinnen sowie -kollegen und beantworte ihre Fragen. In der Klasse gilt: Denk daran, dass viele Kinder einfach nur neugierig sind. Schließlich ist so eine Orthese recht ungewöhnlich und interessant. Erkläre ihnen, dass sie sich ein Korsett wie eine Zahnspange für den Rücken vorstellen sollen. Manche halten auch gleich ein Referat über Skoliose, um ihre Situation zu erläutern.“
Tatsächlich sind mehr Menschen betroffen, als man denkt: Die Hälfte der Weltbevölkerung leidet unter einer skoliotischen Fehlhaltung, also einem schiefen Rücken. Viele haben jedoch keine Probleme damit, weil sich der „Auswuchs“ in Grenzen hält. Nicht immer weiß man, warum jemand an einer krummen Wirbelsäule leidet. Tatsache ist jedoch: Frauen sind deutlich häufiger betroffen. Die Wissenschaft erforscht noch, ob etwa das schwächere weibliche Bindegewebe oder kompliziertere Hormonsituation damit zu tun haben. Es gibt außerdem einen erblichen Anteil, denn man kennt sogenannte „Skoliose-Familien“, in denen etliche davon betroffen sind.
Unterstützung für Betroffene
Da die Wienerin selbst am besten weiß, wie hart vielen Patienten die Therapie fällt, und wie sehr etliche mit dem Leiden kämpfen, hat sie die „Skoliose Hilfe“ gegründet. Dort moderiert sie nicht nur einen Skoliose-Podcast, bei dem Spezialisten und Betroffene zu Gast sind, sondern leitet auch eine Online-Beratung. Gleichzeitig ist sie staatlich geprüfte Trainerin mit Schroth-Fortbildung und diplomierte psychologische Beraterin.
Neu ist der „Schroth-Club“ (siehe Info-Kasten weiter unten): Dieser versteht sich nicht als Therapie, sondern als ergänzendes digitales Angebot, das den Alltag mit Skoliose erleichtert. Neben den Live-Einheiten bietet er eine geschützte Plattform mit Wissensressourcen, darunter ein Leitfaden für kostengünstiges Schroth-Equipment, Empfehlungen zum Kauf einer Sprossenwand sowie Mentaltrainings-Audios. Ein Highlight ist der zusätzliche Austausch-Workshop „Gemeinsam stark“, der zweimal jährlich stattfindet und Community, Reflexion und mentale Stärkung verbindet.
Ab 16 Jahren kaum Unterstützung mehr
„Ich musste am eigenen Leib erfahren, dass es zu wenig Unterstützung von Skoliose-Patienten gibt, vor allem von jungen Erwachsenen. Denn mit 16 Jahren heißt es plötzlich: ,Du bist ausgewachsen!´und ich als Teenager dachte mir damals natürlich freudig, dass ich jetzt nicht mehr trainieren muss“, erinnert sich die sportliche Frau. „Es gibt auch keine Therapie-Leitlinien für die Zeit nach dem Wachstum. Nach meinem Studium und meinem sitzenden Job als Statistikern bekam ich schließlich die Rechnung präsentiert: Schmerzen und Verschlechterung des Cobb-Grades. Das bedeutete: Wieder Korsett, ein strenges Übungsregime und Reha, denn eine Operation zur Begradigung der Wirbelsäule stand bereits im Raum.“
Seit neuestem bietet die „Skoliose Hilfe“ mit dem Schroth-Club einen digitalen Begegnungsraum für Skoliose-Betroffene in Deutschland und Österreich. Vier- bis fünfmal pro Monat treffen sich die Teilnehmenden online zu Bewegungseinheiten nach der Schroth-Methode – ergänzt durch Austausch, Mentaltrainings und praktischen Equipment-Guides. Ziel ist es, Betroffene langfristig zu motivieren, dranzubleiben und sich nicht mit Rückenschmerzen oder Therapiefrust allein zu fühlen.
Das Angebot richtet sich an Erwachsene und Teenager mit idiopathischer Skoliose. Der Einstieg ist jederzeit möglich und kostet eine geringen monatlichen Beitrag.
Spezielle Fitnessübungen
Damals begann Mag. Pollack, BsC BSc, im Fitnesscenter zu trainieren und ärgerte sich über das fehlende Wissen der Trainer vor Ort. Grund genug, selbst die Ausbildung zur Trainerin zu machen. Heute weiß sie, welche Übungen an den Geräten für Skoliose-Patienten geeignet sind und lehrt diese auch.
„Ich habe es geschafft, mit konservativen Methoden schmerzfrei zu sein und möchte anderen Patienten Mut machen und Hoffnung geben: Immer nur das Negative an der Krankheit zu sehen, bringt einen nicht weiter. Mit etwas Disziplin und dem richtigen Umfeld kann man Skoliose gut meistern! Es ist nie zu spät, damit anzufangen!“
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