Nach Sperr-Anordnung

Gericht setzt Telegram 24-Stunden-Ultimatum

Web
20.03.2022 11:34

Nach der Anordnung einer landesweiten Sperre von Telegram in Brasilien hat der Oberste Gerichtshof der Messenger-App am Samstag eine 24-stündige Frist eingeräumt, um die richterlichen Auflagen zu erfüllen und eine Blockade zu vermeiden. Das Gericht hatte die Sperre damit begründet, dass Telegram sich nicht an Anordnungen zum Entfernen von Desinformation gehalten habe. Der rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro kritisierte die Entscheidung scharf - und leitete juristische Schritte gegen die Sperre ein.

Der Oberste Gerichtshof hatte am Freitag die landesweite Sperrung von Telegram angeordnet. Richter Alexandre de Moraes begründete die Maßnahme damit, dass der Online-Dienst sich nicht an richterliche Anordnungen zum Entfernen von Desinformation gehalten habe. Telegrams „Missachtung brasilianischer Gesetze und seine wiederholten Versäumnisse bei der Einhaltung zahlloser Gerichtsentscheidungen“ seien nicht mit dem Rechtsstaat zu vereinbaren, erklärte der Richter. Telegram habe wiederholt Urteile und Anfragen der Polizei, der Landeswahlleitung und des Obersten Gerichtshofs ignoriert.

Moraes nannte explizit auch eine vom Obersten Gericht angeordnete Untersuchung von Vorwürfen, wonach Bolsonaros Regierung offizielle Kommunikationskanäle zur Verbreitung von Falschinformationen nutzen soll. Der Oberste Gerichtshof gab der brasilianischen Telekommunikationsbehörde einen Tag Zeit, um den Betrieb von Telegram landesweit auszusetzen.

Telegram-Chef entschuldigte sich für „Nachlässigkeit“
Telegram-Chef Pavel Durov entschuldigte sich daraufhin in einer Instagram-Botschaft und führte ein „Kommunikationsproblem“ an. „Im Namen unseres Teams entschuldige ich mich beim brasilianischen Obersten Gerichtshof für unsere Nachlässigkeit. Wir hätten definitiv bessere Arbeit leisten können“, erklärte der Unternehmensgründer. Telegram hat seinen Firmensitz in Dubai.

Der Richter räumte Telegram daraufhin eine Frist von 24 Stunden ein, um einen rechtlichen Vertreter für Brasilien zu benennen, einige Profile zu löschen und darzulegen, mit welchen Maßnahmen der Messenger-Dienst gegen Desinformation vorgehen wolle.

Bolsonaro sieht „Freiheit“ Brasiliens in Gefahr
Bolsonaro bezeichnete die Gerichtsentscheidung vom Freitag als „unzulässig“ und als Gefahr für die „Freiheit“ der Brasilianer. Moraes „hat es nicht geschafft, gegen die zwei oder drei Menschen vorzugehen, die seiner Meinung nach gesperrt werden sollten, also hat er beschlossen, 70 Millionen zu treffen“, erklärte der Staatschef. Telegram ist sein bevorzugter Kommunikationskanal. Insofern könnte sich eine Sperrung auf den anstehenden Wahlkampf auswirken.

Sperre laut Generalstaatsanwalt „unverhältnismäßig“
Generalstaatsanwalt Bruno Bianco erklärte am Samstag, die Entscheidung sei „unverhältnismäßig“ und müsse aufgehoben werden. In seinem Einspruch argumentierte Bianco, dass die Sperre „Millionen von Nutzern“ treffe, von denen viele auf Telegram angewiesen seien, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das brasilianische Recht lasse derartige Sanktionen zwar bei der Verletzung der Privatsphäre oder bestimmten anderen Verstößen zu, nicht aber bei der Missachtung gerichtlicher Anordnungen, betonte Bianco.

Telegram-Blockade könnte Wahlkampf entscheidend beeinflussen
Große soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und YouTube hatten mehrfach Beiträge von Bolsonaro wegen Verstößen gegen die Regeln gegen Falschinformationen gelöscht und seine Accounts zeitweise gesperrt. Mit Blick auf die im Oktober anstehenden Präsidentschaftswahlen setzte der Amtsinhaber zuletzt vor allem auf Telegram. Laut aktuellen Umfragewerten würde der seit Anfang 2019 amtierende Bolsonaro nach jetzigem Stand die Präsidentschaftswahl gegen den linken Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva verlieren.

Eine Telegram-Sperre würde „große politische und wahltaktische Auswirkungen haben“, sagte der Politologe und Spezialist für digitale Kommunikation, Pablo Ortellado. „Dies könnte eine der wichtigsten Spielfiguren des Wahlkampfs verschieben.“ Richter Moraes verwies in seiner Entscheidung auch auf die Weigerung von Telegram, sich an einer Vereinbarung gegen Desinformation während der Wahlen zu beteiligen. Unterzeichnet haben diese bisher Twitter, TikTok, Facebook, WhatsApp, Instagram und Youtube.

Telegram ist in Brasilien äußerst beliebt. Die App ist auf 53 Prozent der Mobiltelefone im bevölkerungsreichsten Land Lateinamerikas installiert.

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