Es ist nicht weniger als die erste Auto-Überraschung des Jahres: Toyota hat aus einem der langweiligsten Kleinwagen am Markt den absolut heißesten gemacht. Sein Name: Toyota Yaris GRMN. Wer sich bei dem Kürzel an GNTN (Germany's Next Top Model) erinnert fühlt, liegt komplett falsch, denn bei diesem (Really-)Hot-Hatch geht es nicht ums Posen, sondern um ernsthafte Performance. Der Haken: Das Gerät ist bereits ausverkauft. Grummel.
Insgesamt 600 Stück werden gebaut, davon 200 für Japan und 400 für Europa, gerade einmal 25 kommen nach Österreich (um 33.490 Euro). Damit ist schon klar, dass es sich nicht einfach nur um einen schnellen Kleinwagen à la VW Polo GTI handelt, sondern um ein Stück Ingenieurskunst, für das mehr als der klassenübliche Entwicklungsaufwand getrieben wurde.
Nennen wir ganz unemotional erst einmal die nüchternen Fakten: Der gemeinsam mit Lotus entwickelte Vierzylindermotor holt per Kompressor 212 PS aus seinen 1,8 Liter Hubraum und stellt bei 4800/min. ein maximales Drehmoment von 250 Nm zur Verfügung. Mit einem Leergewicht (DIN) von 1135 kg ergibt sich das klassenbeste Leistungsgewicht von 5,35 Kilogramm pro PS. 6,4 Sekunden vergehen beim Sprint auf 100 km/h, bei Tempo 230 wird abgeregelt.
"Das ist mein Baby, und es war nicht leicht, es zur Welt zu bringen", strahlt Chefingenieur Stijn Peeters beim Abendessen in Barcelona, wo der Yaris GRMN erstmals der Presse vorgestellt wird. "Es war nie geplant, aus dem Yaris einen Sportwagen zu machen. Daher waren wir in unseren Möglichkeiten extrem limitiert. Und wir hatten nicht viel Zeit." Versteift, verstärkt, verbessert - und auf dem Nürburgring abgestimmt. So kann man das Rezept kurz zusammenfassen.
Bei Testfahrten tags darauf auf der Rennstrecke von Castellolí wird schnell klar: Da ist wirklich etwas gelungen! Der GRMN liegt nicht nur 24 Millimeter tiefer als der Standard-Yaris, sondern wie das sprichwörtliche Brett auf der Straße, satt und erwachsen, der Motor entwickelt seine Kraft angenehm linear und der Frontantrieb zerrt null an der Lenkung. Diese wiederum ist ein gefühlvolles Gedicht, zielgenau und direkt (12,8:1), ohne jemals nervös zu werden. Beim Herausbeschleunigen aus der Kurve kann man immens früh Gas geben, weil einen das Torsen-Sperrdifferenzial geradezu durchzieht. Von "Frontkratzer" kann da keine Rede sein! Der Yaris bleibt jederzeit gutmütig, leicht zu beherrschen und frei von unangenehmen Überraschungen.
"Großen Anteil am problemlosen Fahrverhalten hat die Domstrebe im Motorraum, die beruhigt den ganzen Vorderwagen, was uns extrem viel Spielraum bei den Fahrwerkseinstellungen gibt", erläutert Stijn. Wobei das Fahrwerk auch vom Feinsten ist. Das ambitionierte Ziel war, so gute Komponenten in Serie zu verbauen, wie sie normalerweise beim Tuning verwendet werden. "Wir haben bei Sachs ins Regal gegriffen und die besten Dämpfer rausgenommen, die zu bekommen waren, außerdem härtere, kürzere Federn", grinst Stijn Peeters. "Wenn du auf die Rennstrecke willst, brauchst du nur andere Reifen aufziehen und eventuell Renn-Bremsklötze - fertig!" Keine gute Ansage für den Tuning-Zubehörhandel. Und auch die Serien-Bremsen halten das Renntempo in Castellolí sehr lange durch, bevor sie zu faden beginnen.
Auch der akustische Auftritt wirkt ernsthaft rennmäßig. Der Auspuff trompetet böse, wenn man dem Yaris die Sporen gibt, wird aber nie brutal laut, sodass ich das eine oder andere Mal bei 7000/min. im Begrenzer lande, weil der Motor den Eindruck erweckt, immer weiter drehen zu wollen. Die Klangkulisse erinnert durchaus an ein Rallye-Fahrzeug, mit diesem typischen Sirren, dazu kommt das auffällige Zischen des Kompressors.
Wir sind hier mit Bridgestone-Semislicks unterwegs, die zwar in Japan, aber nicht in Europa straßenzugelassen sind. Die führen zum einzigen Kritikpunkt, den man hier anführen könnte: Manchmal verhärtet die Lenkung beim heftigen Hineinbremsen in eine Kurve, weil die Lenkunterstützung mit der spezifischen Mischung aus Asphaltreibwert, Querbeschleunigung und sonstigen Kräften nicht ganz klar kommt. "Mit Serienreifen passiert das nicht, und auch sonst kommt das nur extrem selten vor", beteuert Stijn Peeters.
Dass er nicht nur auf der Rennstrecke hervorragend funktioniert, zeigt der Toyota Yaris GRMN dann auch noch im verwinkelten Kurvenreich in der Nähe von Barcelona (natürlich mit Serienbereifung). Spielerisch flitzt er um die Ecken, beim Rausbeschleunigen krallen sich die Vorderräder in den Asphalt, Untersteuern wird zu einer vergessenen Vokabel. Herrlich!
Und dabei ist das alles erst der Anfang, heißt es bei Toyota. Der verehrte Chef Akio Toyoda befand die Marke als zu langweilig und ist jetzt konsequent dabei, das Image aufzumöbeln. 2015 wurde "Gazoo Racing" als eigene Firma gegründet, unter der die Motorsportaktivitäten von den Tourenwagen bis zum 2017 erfolgreich unternommenen Wiedereinstieg in die Rallye-WM. Der Toyota Yaris GRMN ist das erste Serienfahrzeug dieser Sportabteilung für Europa, weitere sollen folgen (welche, wird noch nicht verraten).
Unterm Strich:
Der "Gazoo Racing Meister of Nürburgring" (das bedeutet "GRMN" ausgeschrieben) ist ein echtes Meisterstück. Dass die Sitzposition genau betrachtet eine Spur zu hoch ist und die Längsverstellbarkeit der Lenksäule zu gering ist, muss man in Kauf nehmen (das liegt an der Yaris-Basis). Wer dringend einen GRMN haben will, aber bisher nicht zum Zug gekommen ist, der hat noch eine Chance: Das Exemplar mit der Nummer eins soll für einen guten Zweck versteigert werden.
Warum?
Warum nicht?
Oder vielleicht …
… mitbieten bei der Versteigerung, wenn sie startet.
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