„Internet of Crimes“

Mobiles Darknet: Kriminalisten warnen vor Telegram

Digital
26.09.2020 06:01

Telegram, ein Messenger-Dienst, der von den russischen Brüdern Nikolai und Pawel Durow im Jahr 2013 erfunden wurde und mittlerweile von mehr als 300 Millionen Menschen weltweit genutzt wird, entwickelt sich immer mehr auch zum Kommunikationssystem von Kriminellen und zum mobilen Darknet, in dem Drogen, Falschgeld, Schadsoftware etc. gehandelt wird. Der Messenger stellt für Kriminalisten mittlerweile ein Riesenproblem dar.

Telegram wirbt vor allem damit, dass - anders als bei Google oder Facebook - die Privatsphäre nicht massiv eingeschränkt werde. „Hier bei Telegram denken wir, dass echte Privatsphäre ein kostbares und vor allem schützenswertes Gut ist, und die folgenden zwei Punkte stattdessen oberste Priorität haben sollten: Schutz der privaten Konversationen vor Dritten, beispielsweise Behörden, Arbeitgebern etc., und Schutz der privaten Daten vor Drittfirmen, beispielsweise Marketingagenturen, Werbeunternehmen, etc.“Selbst wenn man als Nutzer illegale Inhalte findet, wird Telegram nicht aktiv. „Alle Telegram- und Gruppen-Chats sind die Privatsache der jeweiligen Nutzer und wir nehmen keine Anfragen dazu an, diese zu bearbeiten.“ Das heißt - polizeiliche Anfragen gehen ins Leere, werden einfach nicht beantwortet. Daher hat das Unternehmen auch seinen Firmensitz in Dubai.

Dass der Messenger-Dienst derzeit quasi zum mobilen Darknet mutiert, hat wohl auch mit einigen weiteren spannenden Details zu tun: Seit der Telegram-Version 5.5. kann jeder jederzeit alle seine Nachrichten löschen - sowohl jene, die er in einem Chat mit einem anderen gesendet oder empfangen hat, als auch den gesamten Gesprächsverlauf von beiden Seiten. Spurlos! Für die Polizei scheint klar, dass Telegram zum neuen, mobilen Dark Web mutiert, weil es einfacher als die Marktplätze im Darknet genutzt werden kann. Das Messenger-System der Durow-Brüder ist vermutlich der anonymste Service, den es gegenwärtig gibt. Fast logisch, dass dieser immer mehr Fans findet.

Völlig anonym
Dass dieser Dienst so boomt, hat mehrere Gründe. Man braucht keinen eigenen Tor-Browser, der üblicherweise notwendig ist, um ins Dark Web zu gelangen, man nutzt einfach die App, denn in Telegram selbst finden sich ausreichend dunkle Angebote. Innerhalb von Telegram kann man, relativ unbeachtet von polizeilicher Kontrolle, agieren, in Einzel- und Gruppenchats. Mittels Suchfunktion lassen sich aber auch sehr einfach Chatgruppen finden, in denen beispielsweise mit illegalen Waren gehandelt wird. Man braucht nur zu wissen, welche Begriffe man eintippen muss, um einen Treffer zu landen. Wenn man etwa „Crystal Meth“ eintippt, bekommt man sofort Chatgruppen angezeigt, in denen die Droge besprochen und auch gedealt wird. Sucht man nach „Black Market“ gelangt man auf Angebote, wie man sie vom Dark Web her kennt - also Drogen, Kreditkartendaten, Waffen, Dokumente, Zugangsdaten zu diversen Accounts, von Spotify über Netflix bis hin zu Pornoseiten etc. Und wenn man mehr als nur drei Treffer angezeigt haben möchte, kann man ganz einfach Google befragen. Dort werden umfangreichere Ergebnisse geliefert.

Einfache Drogensuche
Der Schwarzmarkt auf Telegram funktioniert fast zu einfach. Wenn man also, wie bereits angedeutet, in der Suchleiste nach „Crystal Meth“ sucht, bekommt man einige Treffer angezeigt. Man klickt auf einen der Treffer und gelangt in einen von Tausenden Channels mit diversen Angeboten in Textform, Fotos, und Videos. In diesen Channels kann man öffentliche Mitteilungen an ein großes Publikum schicken, da Kanäle eine unbegrenzte Anzahl von Mitgliedern haben können. Dort kann man etwa, ganz offen, die Frage in die Runde werfen: „Wer verkauft Ketamin in Wien?“ Oder: „Suche Gorilla Glue!“ Die Antworten kommen meist relativ rasch. Als vertrauliche Nachricht. In den Angeboten werden aber auch die Namen der Anbieter eingeblendet. Schreibt man diese dann in einem geheimen Chat direkt an, kann man bestellen.

Von dunklen Jobs
Doch es gibt mehr als nur Koks und XTC auf Telegram. Sucht man etwa nach „Dark Jobs“ oder „Dark Work“, so bekommt man Job-Angebote eingeblendet (meist auf Russisch). Wie der Name vermuten lässt, enthalten die Nachrichten im Channel „Dark Jobs“ in der Regel „dunkle“ Stellenangebote, die auch farbig markiert sind. Wenn etwa ein in diesem Kanal veröffentlichter Job ungesetzlich und gefährlich ist, wird er als „schwarz“ gekennzeichnet. Weniger gefährliche Stellen werden „grau“ oder „weiß“ gekennzeichnet. Für die schwarzen Jobs werden häufig Insider in diversen Unternehmen oder Organisationen - von Industriekonzernen bis Banken - gesucht, die bereit sind, für bestimmte Geldsummen, geheime, persönliche und firmeninterne sensible Informationen und Daten zu beschaffen.

Mit Hilfe illegal beschaffter Daten - Stichwort Social Engineering - werden dann weitere strafbare Handlungen begangen, oder die Daten werden wiederrum teuer auf dem Schwarzmarkt verkauft. Auch Hacker-Dienste und Hacker-Tools, mit denen Systeme geknackt werden können, sind Teil des dunklen Angebots. Die Ziele der Hacker-Attacken sind klar: Die Bandbreite reicht von Banken, in deren Systeme man Schadsoftware einschleust, bis hin zu Insiderinformationen, die man etwa für Investitionen auf dem Aktienmarkt nutzen kann. Besonders gefragt sind in den „Stellenanzeigen“ auch Mitarbeiter von Mobilfunkbetreibern. Diese haben nicht nur Zugang zu Millionen von Telefonnummern, sondern auch auf Rufprotokolle und andere persönliche Informationen, die man etwa zum Orten bestimmter Personen nutzen kann. In anderen Job-Angeboten sucht man nach sogenannten Info-Stealern, die Dokumente oder Passwörter sammeln oder Screenshots von bestimmten Dateien anfertigen.

Von Russland in den Rest der Welt
Dienste dieser Art florieren vor allem in Russland, die Angebote schwappen aber bereits auf den Rest der Welt über. Da Sicherheitsforscher von Check Point Software Technologies bereits ähnliche Kanäle in anderen Sprachen entdeckt haben, geht man davon aus, dass diese Art der schwarzen Stellenanzeigen bald auch in anderen Ländern gebräuchlich sein wird. In der arabischen Welt ist man bereits auf Channels wie etwa AmirHack, gestoßen, in denen nicht nur Jobs, sondern auch Tipps, Tricks und VPN-Lösungen verraten und verkauft werden, um anonym das im arabischen Raum streng regulierte Web offen nutzen zu können.

Die größte Gefahr dieser Entwicklung liegt darin, dass diese Systeme derart simpel zu nutzen sind, dass man davon ausgehen muss, dass die Cyberkriminalität schon sehr bald stark ansteigen wird. Chats, die für jeden, der ein Smartphone besitzt, zugänglich sind, und in denen nach allem und jedem gesucht werden kann, sind nicht nur ein Zeichen von Freiheit und Vielfalt, sie bergen jede Menge Gefahren. Auch unerfahrene Nutzer haben so Zugang zu gefährlichen Tools, zu Schadsoftware und zu illegalen Geldquellen.

Mehr lesen Sie im Buch „Internet of Crimes:“

    • Wie einfach man ins Darknet kommt.
    • Wie die Marktplätze im Darknet funktionieren.
    • Wie sich Kriminelle im Darknet bekämpfen.
    • Was die Darknet-Marktplätze von Amazon kopiert haben.

Auszüge aus „Internet of Crimes“ wurden krone.at zur Verfügung gestellt.

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