Nebenwirkungen

So verändert das Surfen im Internet unser Denken

Web
13.07.2010 14:37
Immer diese Unruhe: Hier E-Mails checken, nebenbei ein Blick auf das Mobiltelefon. Hat jemand etwas Neues bei Facebook gepostet? Was war das für ein Link bei Twitter, den man sich ansehen wollte? Und wo war man vorher stehengeblieben? Also noch mal nach den E-Mails sehen. So geht es vielen von uns, verbringen wir doch immer mehr Zeit online und das dank Smartphones auch unterwegs. Das bleibt nicht ohne Folgen, warnt der amerikanische Autor Nicholas Carr jetzt in seinem neuen Buch "The Shallows" ("Die Untiefen") jetzt vor den Nebenwirkungen des Internets.

Bei dem Journalisten und Buchautor begannen die Veränderungen schon in den 80er-Jahren damit, dass er Texte nur noch am Computerbildschirm bearbeiten konnte. Dann kam das Internet in den 90ern und im folgenden Jahrzehnt das Web 2.0. Carr meldete sich bei MySpace, Digg und Twitter an, las Nachrichten über seinen RSS-Reader. Zeitungen und Zeitschriften rührte er immer seltener an.

Zugleich bemerkte Carr an sich Veränderungen, die er besorgniserregend fand. Er wurde unaufmerksam, seine Gedanken glitten ab. "Ich habe mein altes Gehirn vermisst", schreibt der Autor, der schon vor zwei Jahren mit dem Artikel "Macht uns Google dumm?" in der Zeitschrift "The Atlantic" Aufsehen erregte.

Warnung vor Nebenwirkungen
Laut Carr geben viele Studien Hinweis darauf, dass das Internet nicht ein bloßes Medium ist, sondern auch Denkstrukturen beeinflusst. Das ist nicht neu: Als Landkarten erfunden wurden, änderte sich bei Menschen das Bild von ihrer Welt. Sie konnten sich nicht nur die nahe Umgebung, sondern ferne Städte, Länder und Kontinente vorstellen. Mit der mechanischen Uhr bekam der Tag eine Struktur - eine wichtige Voraussetzung für Handel und Industrie.

Der Autor bestreitet nicht die vielen Vorteile des Internets, fragt aber vor allem nach den Nebenwirkungen. Denn ein Computerbildschirm ist heute die perfekte Ablenkungsmaschine, die in schneller Folge neue Reize aussendet: E-Mails, Tweets, SMS auf dem Telefon, dazu viele geöffnete Fenster. In Texten mit vielen Links muss das Gehirn jedes Mal für den Bruchteil einer Sekunde anhalten und kurz entscheiden, ob geklickt wird oder nicht. Das Lesen wird anstrengend. Informationen werden schwerer verarbeitet.

Jahrhundertelang stellten sich die meisten Wissenschaftler das menschliche Gehirn als statisch vor, das sich nach der Jugend nicht mehr verändert. Der Verband grauer Zellen wurde als eine Art Rechenmaschine mit unveränderlichen Bauteilen angesehen. Diese Vorstellung ist überholt. Mit neuen Aufgaben und Erlebnissen verändern sich Zellen. Bestimmte Teile des Hirns können wachsen oder schrumpfen. Wer sein Leben lang Taxi fährt, hat in seinem Hirn einen größeren hinteren Hippocampus als ein Kioskbesitzer, der neben dem Taxistand Zeitungen verkauft.

Informationen kommen kaum ins Langzeitgedächtnis
So könne auch das Internet das Gehirn verändern und laut Carr zu flüchtigem Lesen, hastigem Denken und oberflächlichem Lernen verleiten. Die vielen Reize überfordern demnach das Gehirn, sodass viele Informationen anders als beim konzentrierten Lesen eines Buches das Langzeitgedächtnis nicht erreichen, das sich fast unbegrenzt mit Informationen füllen ließe.

"The Shallows. What the Internet Is Doing to Our Brains." von Nicholas Carr ist für 23,50 Euro im Verlag W.W. Norton Co erhältlich. Eine deutsche Übersetzung soll im Oktober unter dem Titel "Wer bin ich, wenn ich online bin ... und was macht mein Gehirn solange? Wie das Internet unser Denken verändert." im Blessing-Verlag erscheinen.

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