Mittel? Klasse!

Ford Mondeo: Liebe auf den zweiten Blick

Motor
26.10.2014 18:02
Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, kann man in Anlehnung an ein Sprichwort sagen. Wie aktuell ist dann ein Auto, das seit zwei Jahren bereits in den USA auf dem Markt ist und nun bei uns eingeführt wird? Ganz einfach: Der Ford Mondeo kommt zwar mit Verspätung zu uns, ist aber durchaus auf der Höhe der Zeit. Design, Fahrwerk, Assistenten – da zwickt nichts. Und immerhin startet er jetzt gleichzeitig mit seinem größten Konkurrenten.
(Bild: kmm)

Es war die Wirtschaftskrise, die Ford zwang, die eigenen Kapazitäten neu zu strukturieren. Das Werk in Genk wurde geschlossen und in Valencia eine riesige Produktionsanlage installiert. Nebenbei hat man auch noch das Feedback der US-Kunden eingefangen, heißt es, und in die Europaversion einfließen lassen.

Herausgekommen ist ein richtig gutes Mittelklasse-Auto, das Familien und beruflichen Vielfahrern gleichermaßen gut zu Gesicht steht. Assistenten vom Radartempomaten (mit abschaltbarer Radarfunktion) über den Parkpiloten (parkt längs und quer ein und längs aus) und den aktiven Spurhalte-Assistenten bis zum City-Notbremsassistenten (erkennt auch Fußgänger) und die volle Airbagpalette (Serie, inklusive Kniebag) geben ein sicheres Gefühl, die Sony-Surround-Anlage mit elf Lautsprechern einiges auf die Ohren und das Auge ist jetzt auch mit dem Innenraumdesign zufrieden, auch wenn die Materialien die Ford-Ansage, dass man auch Premiummarken angreifen will, nicht unterstreichen.

Innovativ in Sachen Sicherheit ist der optionale Airbag-Gurt (200 Euro) für die beiden äußeren Rücksitzpassagiere, der sich im Fall eines Crashs aufbläst und Rippenprellungen bzw. –brüche verhindern soll. Einziger Nachteil: Man muss beim Wiederaufstellen der Rückbank aufpassen, dass man ihn nicht einklemmt, weil er zu dick ist für den Schlitz, in dem man den normalen Gurt parken kann.

Übrigens hat man bis zu 115 kg eingespart, diese aber teilweise in Sicherheits- und Spritspar-Features "reinvestiert". Der leichteste Mondeo wiegt 1.410 kg ohne Fahrer (Kombi 1.430 kg), der 150-PS-Kombi 1.522 kg - und damit knapp 100 kg mehr als der entsprechend Motorisierte VW Passat.

Die Gnade der zweiten Chance
Die Erwartungen an einen Ford sind generell hoch, vor allem was das Fahrwerk betrifft. Er muss sich sportlich-verbindlich bewegen lassen, ohne beim Komfort Abstriche machen. Deshalb war ich nach dem ersten Testnachmittag auf den kurvigen Straßen im Hinterland von Malaga ziemlich überrascht: Mein Testwagen, ausgerechnet einer mit adaptiven Dämpfern, war weich, die Lenkung indifferent. Schockiert davon war am Abend der für die Fahrwerksabstimmung zuständige Ingenieur, der gleich einen Defekt vermutete – zu Recht. Der Wechsel auf ein baugleiches Fahrzeug machte tags darauf schnell deutlich, dass man bei Ford nichts verlernt hat.

Mein Weltbild – zumindest der Teil davon, in dem Ford vorkommt – bleibt also intakt: Das Mondeo-Fahrwerk gehört in dieser Klasse zum Besten, das man bekommen kann. Dazu muss man nicht mal die adaptiven Dämpfer bestellen. Der Mondeo liegt hervorragend, auch in sehr schnellen Kurven, untersteuert spät und rollt erstaunlich weich über harte Fahrbahnfehler drüber. Dabei lässt er sich mit der elektrohydraulischen Lenkung zielgenau und feinfühlig dirigieren, auch wenn sie um die Mittellage alles andere als giftig ist. Wo ich beim fehlerhaften Testfahrzeug noch ständig korrigieren musste, hält der Mondeo mit intakter Lenkung wie auf Schienen zentimetergenau die Linie. Das schafft Vertrauen in das Fahrwerk. Dessen Standard-Ausgabe ist irgendwo zwischen den adaptiven Fahrmodi Normal und Sport verortet, Comfort ist dann noch ein Stück weicher und komfortabler, die Lenkung indirekter ausgelegt. Insgesamt holt das Adaptive noch mehr aus der Integralhinterachse heraus, weil es eben nicht nur nach gewähltem Fahrmodus, sondern auch dem Fahrzustand entsprechend arbeitet.

Insgesamt acht Motoren zur Auswahl
Zwei handgeschaltete Motorversionen standen zum Test bereit. Der 1,5-Liter-Ecoboost-Benziner mit 160 PS, der in Österreich nur ein Nischendasein fristen wird, könnte eine Idee durchzugsstärker sein, obwohl er sein maximales Drehmoment von 240 Nm laut Datenblatt bereits bei 1.600/min. abruft, dreht aber gut und gerne, klingt dabei angenehm, ohne laut zu werden und bietet klassischen Fahrspaß. Darüber rangiert der Zweiliter mit 240 PS, kurz nach Marktstart kommt auf Benzinerseite ein 125-PS-Dreizylinder mit einem Liter Hubraum dazu.

Die meisten Mondeos auf österreichischen Straßen werden aber wohl ein Dieselherz haben. Als angenehmer Zeitgenosse erwies sich der Zweilitermotor mit 180 PS, der nach einer leichten Anfahrschwäche ab 2.000/min. aus 340 Nm schöpft und mit minimaler Turboverzögerung gut am Gas hängt, auch wenn er sich nach etwas weniger Leistung anfühlt. Obwohl spürbar kopflastiger, macht er noch mehr Spaß als der beschriebene Benziner.

Als weitere Selbstzünderaggregate gibt es die 150-PS-Version des Zweilitermotors sowie einen 115 starken 1600er. Im Sommer 2015 folgt dann noch ein Zweiliter-BiTurbo mit 210 PS, außerdem Allradantrieb (aus dem Kuga) für den 150-PS- und den 180-PS-Diesel.

Am Rande bemerkt: Zur selben Zeit wird auch eine Hybridversion (einziger Stufenheck-Mondeo, mit stufenloser Automatik von Toyota) eingeführt, die eine Systemleistung von 187 PS bietet, maximal fünf Kilometer rein elektrisch fahren kann und auf einen Normverbrauch von 4,2 l/100 km kommt (die Plug-in-Variante bleibt den USA vorenthalten). Der Zweiliter-Diesel verbraucht 0,2 Liter mehr. Unter 4 Liter bleibt nur der Einstiegsdiesel mit Stopp-Start-Automatik (3,8 l/100 km).

Gut fürs Auge
Ford hat auch dem Mondeo das Aston-Martin-inspirierte Familiengesicht verpasst und ihm auch sonst ausdrucksstarke Linien verpasst. Schön am Heck: Die Chromauspuffblenden sind tatsächlich Blenden und nicht – wie bei Passat und C-Klasse – geschlossene Attrappen. Nur die Heckleuchten – vor allem die des Fließhecks – sind etwas brav geraten.

Im Innenraum hat Ford (wie schon beim Focus) den Knopferlfriedhof abgeschafft. Serienmäßig in der Topausstattung Titanium thront ein 10-Zoll-Touchscreen auf der Mittelkonsole, der allerdings teilweise zu kleine Schaltflächen zeigt und teils etwas überfrachtet wirkt. Gut gelöst: Die Klima-Bedienung hat eigene Bedienknöpfe.

Digital geht es auf Wunsch auch bei Tacho/Drehzahlmesser zu, die in dem Fall einen recht verspielten Eindruck machen. Die Skalen sind zwar analog, zeigen aber in ihrem Zentrum wechselnde Informationen. Dadurch schrumpfen die digitalen Zeiger zu nicht ideal ablesbaren Zeigerstümpfen. Es ist quasi die Info- und Einstellungszentrale des Ford Mondeo, zu bedienen über das überladene Multifunktionslenkrad. Leider sind auch so wichtige Funktionen wie die Fahrwerkseinstellung dort im Menü versteckt. Einen Versuch wert ist die aktualisierte Sprachsteuerung Sync II, die auch Kommandos wie "Ich habe Hunger" versteht und dann zwar keine Pizza, aber immerhin eine Liste mit Restauranttipps serviert, Kontakt- und Navidaten samt -programmierung inklusive.

Viel Platz in beiden Karosserievarianten
Hauptsächlich wird sich der Mondeo in Österreich als Kombi verkaufen, auf Wunsch mit automatischer Niveauregelung an der Hinterachse. Bei ihm passen bis zu 1.585 Liter hinter die auf Wunsch elektrische Haube. Mit aufgestellten Rücksitzlehnen sind es 525 Liter, beim Fließheck 550 Liter. Keine berauschenden Werte, aber ausreichend. Auch das Platzangebot für die Ford-Insassen geht in Ordnung. Beide sind 4,87 Meter lang und haben einen Radstand von 2,85 Meter.

Im Wesentlichen gibt es den Ford Mondeo in den zwei Ausstattungsvarianten Trend und Titanium. Die Version "Ambiente" als eigentliche Einstiegsversion ist nur gut für einen günstigen "Ab-Preis" und bringt nicht mal eine Klimaanlage mit, das Stufenheck ist nur als Hybrid erhältlich (und umgekehrt) und ist mit einem eigenen Ausstattungspaket versehen. Der Fünftürer ist als "Trend" mit 115-PS-Diesel ab 29.500 Euro zu haben, der Kombi ab 30.700 Euro.

Ausstattungsbereinigt will Ford knapp fünf Prozent unter dem gerade vorgestellten VW Passat liegen, dem (über)mächtigen Konkurrenten. Eine durchaus mutige Ansage, die von großem Selbstbin zu adaptiven LED-Scheinwerfern mit dynamisiertem Lauf-Blinker) und setzt vor allem beim Fahrwerk ein fettes Zeichen. Auch wenn er dem Passat nicht den Rang abläuft, der Ford Mondeo ist vor allem eines nicht: von gestern.

Warum?

  • Sehr gutes Fahrwerk, zugleich sportlich und komfortabel

Warum nicht?

  • Das Niveau von Gas- und Bremspedal passt nicht ganz zusammen, sodass man häufig nur mit den Zehenspitzen Gas gibt und die Fußposition korrigieren muss.

Oder vielleicht …

… Mazda6, Opel Insignia, Hyundai i40, VW Passat – oder auf die luxuriöse Vignale-Version warten (Sommer 2015)

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(Bild: kmm)



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