Vorerst sicher?

US-Überwachung: Informant Snowden untergetaucht

Web
11.06.2013 09:36
Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der den amerikanischen Spionage-Skandal aufgedeckt und sich nach Hongkong abgesetzt hat, ist in der chinesischen Sonderverwaltungsregion vorerst sicher. Wie Rechtsexperten erläuterten, sei der 29-Jährige durch das Justizsystem in Hongkong vor einer schnellen Auslieferung an die USA geschützt. Das Verfahren könnte Monate dauern. Noch liegt aber kein Antrag vor. Wo Snowden sich aufhält, war am Dienstag unbekannt.

Ein Gast namens Edward Snowden wohnte vorübergehend im Mira Hotel im Stadtviertel Tsim Sha Tsui, ist aber am Montag ausgezogen, wie Mitarbeiter berichteten. Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter war vor drei Wochen von Hawaii nach Hongkong geflüchtet und trat am Sonntagabend an die Öffentlichkeit (siehe Infobox). Er dürfte nun untergetaucht sein, der Aufenthaltsort Snowdens ist nicht bekannt.

In den USA wurden nach Snowdens Outing als Informant der britischen Zeitung "The Guardian", die den Abhörskandal aufgedeckt hat, bereits Stimmen laut, die seine Auslieferung und die Verfolgung Snowdens "mit der vollen Härte des Gesetzes" forderten, gleichzeitig fordern auch Tausende Unterstützer die Begandigung des Informanten.

Hongkong hat Auslieferungsabkommen mit USA
Das autonom regierte Hongkong hat - anders als China - zwar ein Auslieferungsabkommen mit den USA, doch könnte sich Snowden unter Hinweis auf politische Verfolgung dagegen wehren und zudem drei Berufungsinstanzen durchlaufen.

Eine Auslieferung könnte am Ende auch durch die chinesische Regierung verhindert werden, falls Peking seine nationalen Interessen beeinträchtigt sehen sollte. Snowden könnte in Hongkong auch politisches Asyl beantragen, was ihm ebenfalls viel Zeit schenken würde.

Snowden hatte die Hafenmetropole nach eigenen Angaben wegen des Engagements der sieben Millionen Hongkonger für freie Meinungsäußerung als Zufluchtsort gewählt. China-Experten halten es für unwahrscheinlich, dass er auf Anweisung Pekings ausgeliefert werden könnte.

Merkel will mit Obama über PRISM sprechen
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will den Ausspäh-Skandal beim Berlin-Besuch von US-Präsident Barack Obama in der kommenden Woche zur Sprache bringen. Obama erwarte dadurch aber keine Belastung des Treffens, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney.

In Straßburg zeigte sich am Montagabend das Europaparlament besorgt über den Datenskandal und forderte die EU-Kommission auf, tätig zu werden. Dagegen räumte Kanada ein, selbst schon seit Jahren ein ähnliches Schnüffelprogramm zu betreiben. Verteidigungsminister Peter MacKay äußerte sich aber nicht dazu, ob Ottawa am nun kritisierten US-Programm beteiligt sei.

Snowden hatte sich in einem Interview mit der britischen Zeitung "The Guardian" selbst enttarnt. Er zeichnete eine Dimension der Datensammlung durch den US-Geheimdienst, die bisherige Vorstellungen sprengt: "Die NSA hat eine Infrastruktur aufgebaut, die ihr erlaubt, fast alles abzufangen." Damit werde der Großteil der menschlichen Kommunikation automatisch aufgesaugt. Die Zeitung hat bereits weitere Enthüllungen angekündigt.

Pilz fordert Asyl für Snowden und Manning
Er wolle mit dem Geheimnisverrat die ausufernde Überwachung öffentlich machen, sagte Snowden. Er suche nun "Asyl in jedem Land, das an Redefreiheit glaubt und dagegen eintritt, die weltweite Privatsphäre zu opfern", erklärte er der "Washington Post".

In Österreich forderte am Montag der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz, Snowden sowie dem Wikileaks-Informanten Bradley Manning politisches Asyl zu gewähren.

Assange rät zu Asyl in Lateinamerika
Unterdessen hat sich auch Wikileaks-Chef Julian Assange zur NSA-Überwachungscause zu Wort gemeldet. Der Australier, der in der ecuadorianischen Botschaft in London Asyl gefunden hat, rät Snowden, in Lateinamerika nach einem Land zu suchen, das ihm Asyl gewährt. "Lateinamerika hat gezeigt, dass es bei den Menschenrechten vorankommt und eine lange Asyl-Tradition hat", sagt Assange.

Snowden war nach eigenen Angaben die vergangenen vier Jahre als Mitarbeiter externer Unternehmen bei der NSA tätig. Laut den von ihm enthüllten Dokumenten sammelt der US-Geheimdienst in großem Stil Daten bei Internet-Diensten wie Google, Facebook, Microsoft, Apple und Yahoo (siehe Infobox). Das Programm trägt demnach den Codenamen PRISM.

Wie mittlerweile bekannt wurde, hat Snowden der britischen Zeitung tausende interne Dokumente des US-Geheimdienstes übergeben. Die bis jetzt bekannt gewordenen Fakten zum Überwachungsprogramm PRISM seien nur die Spitze des Eisbergs, sagt "Guardian"-Journalist Glenn Greenwald. Er habe noch Material für dutzende weitere Geschichten zu dem Thema und werde es nach und nach veröffentlichen.

US-Bürger stehen hinter Überwachungsprogramm
Die Mehrheit der US-Bürger unterstützen einer am Montag veröffentlichten Umfrage zufolge die großflächige Telefonüberwachung durch die NSA. Wie die "Washington Post" berichtete, bezeichneten 56 Prozent der Befragten das Programm angesichts der weltweiten Terrorgefahren als "akzeptabel". 45 Prozent wären demnach mit noch weitreichenderen Vollmachten zur Überwachung der gesamten Internetaktivitäten aller Bürger einverstanden.

Allerdings unterstützten rund 25.000 US-Bürger eine Petition an das Weiße Haus, in der eine Begnadigung Snowdens gefordert wird. Kommen innerhalb von 30 Tagen mindestens 100.000 Unterschriften zusammen, muss das US-Präsidialamt das Gesuch beantworten.

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