Eigentlich habe der 26-jährige Deric Lostutter den Mann vor der Tür für den Mitarbeiter eines Paketdienstes gehalten, sagt er im Gespräch mit dem Magazin "Mother Jones". "Als ich die Tür geöffnet habe, um den Fahrer zu begrüßen, sind gut zwölf FBI-Swat-Agenten aus dem Truck gesprungen, mit M16-Sturmgewehren, und in voller Montur auf mich zugestürmt. Sie haben mit den entsicherten Waffen auf meinen Kopf gezielt und geschrien: 'Get the fuck down'", sagt Lostutter über den Tag seiner Verhaftung, an dem auch sein Computer und seine Xbox beschlagnahmt wurden.
Jetzt wartet der Anonymous-Hacker auf seinen Prozess. "Ich wurde erzogen, mich für Leute einzusetzen, die gemobbt werden", sagt Lostutter. Das sei auch der Grund, warum er sich Anonymous angeschlossen habe. Nachdem er vor ungefähr einem Jahr die Dokumentation "We are Legion" über das Hacker-Kollektiv gesehen hatte, wollte er Mitglied in der Vereinigung werden.
Anonymous stellte Vergewaltiger-Tweets online zur Schau
Über Twitter knüpfte Lostutter Kontakt zu einer Journalistin, die über die Vergewaltigung der 16-Jährigen im August 2012 in Steubenville berichtete. Sie hatte Tweets und Instagram-Fotos gesammelt, die von den Vergewaltigern, zwei Mitgliedern des Highschool-Footballteams, hochgeladen worden waren. In den Beiträgen machten sich die Täter über das Opfer lustig und verharmlosten die Tat. Die Journalistin versorgte Lostutter mit dem Material, das später auf der Website des Footballteams auftauchen sollte.
Anonymous-Hacker kaperten die Internetseite und stellten die Tweets und Fotos gemeinsam mit einer Videobotschaft online, in der sie die Täter aufforderten, sich für die Tat zu entschuldigen. Der Anonymous-Krieg gegen die Vergewaltiger schlug medial hohe Wellen. In die Website des Footballteams sei aber nicht er eingedrungen, sondern ein anderer Hacker, beteuert Lostutter. Er habe lediglich – verborgen hinter einer Guy-Fawkes-Maske – das Video aufgenommen, in dem Anonymous die Vergewaltiger zu einer Entschuldigung aufforderte.
FBI schlug nach langer Observierung zu
Nach der Aktion habe ihm jemand gesagt, er werde vom FBI beobachtet. Er habe deswegen vor einigen Monaten mit dem Twittern aufgehört. Zwei Tage, nachdem er erstmals wieder online gegangen sei, habe dann die Spezialeinheit vor seiner Tür gestanden, so Lostutter im Gespräch mit dem Magazin. Er vermutet, die FBI-Aktion sei von örtlichen Beamten in die Wege geleitet worden. "Die wollen ein Exempel an mir statuieren", befürchtet Lostutter. Man wolle durch den Prozess gegen ihn klar machen, dass man sich in Steubenville nicht mit der Obrigkeit anlegen sollte.
Für den Anonymous-Hacker ist die Situation ernst. Ihm drohen bei einer Verurteilung wegen Cyberangriffen bis zu zehn Jahre Haft – weit mehr als die ein bzw. zwei Jahre Haft, die die Vergewaltiger ausgefasst haben. Selbst wenn er freigesprochen würde, könnten die Prozesskosten den 26-Jährigen, der als Unternehmensberater für IT-Sicherheit arbeitet, in den Ruin treiben. Trotzdem: Mit der Frage konfrontiert, ob seine Aktion gegen die Vergewaltiger die Konsequenzen wert war, antwortet Lostutter: "Ich würde es wieder tun."
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