Angesichts des Erfolgs von Plattformen für nutzergenerierte Inhalte wie YouTube oder TikTok wird in den USA und Europa über strengere Regeln für das Teilen von Inhalten diskutiert. Die Auswirkungen hat Nils Wlömert von der WU Wien mit Kollegen untersucht. Wie sie im Fachblatt „Marketing Science“ berichten, würden schärfere Regeln oder ein Verbot Stars begünstigen, aber weniger bekannten Künstlern schaden.
Die Forscher stützen ihre Analyse auf ein „Quasi-Experiment“, wie sie schreiben, das ermöglicht wurde, als zahlreiche Songs nach einer Vereinbarung zwischen YouTube und der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA als nutzergenerierter Inhalt (user-generated content; UGC) auf YouTube verfügbar wurden. Der Datensatz umfasste dabei 600.000 Titel von 38.000 Künstlern.
„Dieser Angebotsschock ermöglicht es uns, zu quantifizieren, wie sich die Bereitstellung von UGC-Inhalten auf einer großen UGC-Plattform auf die Nachfrage in anderen Kanälen auswirkt und ob die Gesamtnettoauswirkungen der Bereitstellung von UGC für die Eigentümer von Inhalten positiv oder negativ sind“, schreiben Wlömert vom Institut für Retailing and Data Science der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und seine Kollegen aus Deutschland in der Studie.
Unklar, wie sich Änderungen von Vorschriften auswirken
Derzeit schützen sogenannten „Safe Harbor“-Regelungen die Plattformbetreiber vor Haftung für urheberrechtsverletzende Inhalte, die von Nutzern hochgeladen werden. Das erleichtern einerseits das Teilen von Inhalten, andererseits sind die Bestimmungen zur Entschädigung von Rechteinhabern für UGC schwach, was zu vergleichsweise geringen Auszahlungen führt. Allerdings ist unklar, wie sich eine Änderung dieser Vorschriften auf die Nachfrage nach diesen Inhalten auf anderen lukrativeren Plattformen wie Spotify auswirken würde, also ob Plattformen wie YouTube oder TikTok die Nachfrage auf anderen Plattformen stimulieren oder verdrängen.
Die Wissenschaftler zeigten nun, dass weniger bekannte Songs von ihrer Präsenz auf YouTube profitieren, während aktuelle Hits durch ihre kostenlose Verfügbarkeit auf UGC-Plattformen auf anderen Plattformen weniger Abrufzahlen verzeichneten. „Obwohl die Verfügbarkeit von UGC die Nachfrage nach den meisten Songs in anderen Streaming-Kanälen stimuliert, kommt es bei aktuellen Veröffentlichungen und Hits zu einer Kannibalisierung, die den Gesamtumsatzeffekt negativ macht“, heißt es in der Studie. Diese geringere Nachfrage nach Hits auf Diensten wie Spotify habe erhebliche Auswirkungen auf die Umsätze der Musikindustrie, denn obwohl sie nur einen kleinen Teil der Inhalte ausmachen, seien sie für einen großen Anteil des Umsatzes verantwortlich.
Strengere Regulierungen könnten dagegen „die Vielfalt der den Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung stehenden Inhalte einschränken und unbeabsichtigt die Marktkonzentration erhöhen, indem sie unbekanntere Künstlerinnen und Künstler in ihrer Reichweite einschränkt“. Vor allem ältere sowie zuvor weniger erfolgreiche Songs, solche aus Nischengenres, von Newcomer-Künstlern und aus Genres, die nicht in erster Linie ein junges Publikum anziehen, würden von der Verfügbarkeit auf UGC-Plattformen profitieren.
Wlömert hält es daher für „wichtig, dass politische Entscheidungsträger die potenziellen Auswirkungen einer strengeren Regulierung von Plattformen für nutzergenerierte Inhalte sorgfältig abwägen“. Eine ausgewogene Herangehensweise an die Regulierung sei von großer Bedeutung, „um sicherzustellen, dass sowohl die Rechte der Urheber als auch die Interessen der Künstlerinnen und Künstler und Fans berücksichtigt werden“.
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