"Wenn Menschen soziale Netzwerke für Gewalt nutzen, müssen wir sie stoppen", sagte der Premier vor dem Parlament und versprach, alles zu tun, "was nötig ist, um Recht und Ordnung wiederherzustellen". "Wir werden nicht zulassen, dass eine Kultur der Angst auf unseren Straßen herrscht", sagte Cameron und kündigte eine Politik der harten Hand gegen die Randalierer an. Unterstützung erhielt er dabei von Oppositionsführer Ed Miliband: "Das Parlament steht heute Schulter an Schulter, vereint gegen den Vandalismus und die Gewalt, die wir auf unseren Straßen gesehen haben."
Auch seitens Facebook erhält Cameron Zuspruch: Ein Sprecher des Netzwerks erklärte am Freitag, Facebook freue sich auf ein Treffen mit dem britischen Innenminister, "um die Maßnahmen zu erläutern, die wir unternommen haben, damit Facebook in dieser Zeit der Herausforderungen eine sichere und positive Plattform ist". So sei sichergestellt, "dass alle glaubwürdigen Androhungen von Gewalt aus Facebook entfernt werden".
Der kanadische Blackberry-Hersteller Research in Motion, dessen Geräte während der Ausschreitungen der vergangenen Tage aufgrund ihrer Verschlüsselung vermehrt von Randalierern genutzt worden waren, um sich zu organisieren, hatte zuvor bereits angekündigt, mit der Polizei zu kooperieren und Nutzerinformationen gegebenenfalls preiszugeben – und sich damit prompt den Zorn einer Hackergruppe zugezogen, die laut "TNT Magazine" androhte, persönliche Informationen von Mitarbeitern des Unternehmens zu veröffentlichen.
Auf einer Stufe mit "China und arabischen Tyrannen"
Während sich Politik und Internetanbieter im Schulterschluss üben, reagierten britische Medien und Blogger aus dem Ausland entsetzt auf das Vorhaben, den Zugang zu sozialen Netzwerken zu blockieren. Der "Guardian" stellte Großbritannien auf eine Stufe mit "China" oder den "arabischen Tyrannen", die ihrerseits die Kommunikation über Facebook und Co. bereits eingeschränkt oder gar ganz blockiert haben. Der pakistanische Journalist Omar Waraich erinnerte Cameron indes via Twitter daran, wie der konservative Regierungschef unter dem Eindruck der Aufstandsbewegungen in Tunesien und Ägypten zuletzt noch Meinungsfreiheit im Netz gefordert und die sozialen Medien als "ein mächtiges Werkzeug in der Hand der Bürger" gelobt hatte.
Und erst vor einem Jahr hatte Cameron daheim Beifall bekommen, als er den Briten eine Abkehr vom Überwachungsstaat versprach. Internetsperren und Vorratsdatenspeicherung sollten abgeschafft werden. Dennoch erinnert so manchen Briten seine Insel weiterhin an den von George Orwell beschriebenen "Big Brother"-Staat. Immerhin beobachten allein in London weiterhin eine halbe Millionen Kameras die 7,5 Millionen Einwohner.
"Fundamentale Wende" im Umgang mit dem Internet
Camerons Vorstoß sei, wenn er damit ernst mache, demnach auch eine "fundamentale Wende" im Umgang der britischen Regierung mit dem Internet, mahnte der auf Netzmedien spezialisierte Londoner Anwalt Steve Kuncewicz. Ein Deal "zwischen Politik und Netzwerkbetreibern", wie er Cameron offenbar vorschwebe "könnte am Ende zur Erosion des Rechts auf freie Meinungsäußerung führen."
Mit einer Warnung in Richtung Downing Street reagierte auch die in den USA für Freiheit im Netz eintretende Organisation EFF. Sie rief Twitter, Facebook und Blackberry dazu auf, "für die Rechte ihrer Nutzer zu kämpfen". Ähnlich wie viele Kritiker im britischen Königreich hält die EFF (Electronic Frontier Foundation) Cameron eine 180-Grad-Wende in seiner Einstellung zur Internet-Zensur vor.
"Schon jetzt größter Überwachungsstaat der EU"
"Großbritannien ist schon jetzt der größte Überwachungsstaat in der EU", kritisierte auch der Berliner Netzaktivist Markus Beckedahl im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Grundsätzlich könnten Behörden bei der Einschränkung der Internet-Nutzung zur großen Keule greifen - nach dem Muster der "Großen Firewall" in China - oder gezielte Nadelstiche setzen.
So könne etwa einzelnen Personen der Internetanschluss gesperrt werden, wie es auch im Zusammenhang mit der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen immer wieder diskutiert wird. Das Internet sei laut Beckedahl aber eine so umfassende Infrastruktur geworden, dass es stets Möglichkeiten gibt, eine Zugangssperre zu umgehen, etwa in offenen WLAN-Netzen.
Schließlich könnten Ermittlungsbehörden einzelne Verdächtige über ihre IP-Adressen oder Nutzerkonten identifizieren und Druck auf die US-Firmen ausüben, dass diese die Accounts löschen, erklärte Beckedahl, der das Blog netzpolitik.org gegründet hat und Vorsitzender des Vereins Digitale Gesellschaft ist.
Gesellschaft "zu sehr abhängig" von privaten Anbietern
Beckedahl sieht in der herausgehobenen Rolle der kommerziellen Anbietern von Netz-Plattformen "das grundsätzliche Problem, dass wir uns als Gesellschaft zu sehr abhängig machen von privatisierten öffentlichen Räumen". Die kommerziellen Anbieter hätten in der Regel eher ein Interesse daran, sich mit Regierungen gutzustellen, um nicht zu sehr mit Regularien belästigt zu werden. "Dazu zählt auch die Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden."
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