Tret-Touchscreen

Studenten aus Potsdam entwickeln digitalen Fußboden

Elektronik
05.07.2010 11:29
Ausgerechnet Informatik-Studenten treten die digitale Welt mit Füßen: Konstantin Käfer und Caroline Fetzer haben zusammen mit vier Kommilitonen am Hasso-Plattner-Institut (HPI) der Universität Potsdam einen interaktiven Fußboden entwickelt, der mit den Füßen bedient wird. Das als "Multitoe" bezeichnete Projekt ist eine von 13 Arbeiten für den Bachelor-Abschluss, die am Freitag in Potsdam vorgestellt wurden.

"Das ist unsere Vision: Zu Fuß durch das digitale Leben spazieren", sagt der 22-jährige Käfer. "Wir stellen uns vor, dass in ganzen Räumen jede Fläche touchsensitiv ist und dass man mit jeder Fläche interagieren kann, mit Wänden, Schreibtischen und dem Fußboden." So könne man auf dem Boden sitzen und persönliche Daten um sich gruppieren, etwa Rechnungen für die Steuererklärung.

Das junge Forscherteam musste zwei Probleme lösen, die es beim Touchscreen-Handy ebenso wenig gibt wie bei interaktiven Tischen oder Wänden: Beim Laufen auf dem Boden wird der Bildschirm die ganze Zeit berührt. Und im Unterschied zur Hand kann man immer nur einen Fuß für Befehle auf dem Display verwenden. Zudem ist der Fuß etwa 200 Mal größer als ein Finger.

Kamera erfasst Fußabdruck
Die Lösung dafür fanden die Studenten in einer geschickten Verbindung von Hardware und Software. Für das Boden-Display wurden mehrere Prototypen entwickelt, wobei eine optische Reflexionstechnik mit der Bezeichnung FTIR (Frustrated Total Internal Reflection) zum Einsatz kommt. Ähnlich wie bei einem Fingerabdruck-Scanner macht Licht aus einer Leiste von Leuchtdioden nur diejenigen Bereiche der Schuhsohle sichtbar, mit der ein Fuß auf einem 3,4 Zentimeter dicken Sicherheitsglas auftritt.

Eine Kamera erfasst den Abdruck mit einer hohen Auflösung - ein einzelner Bildpunkt (Pixel) ist nur einen Millimeter groß. Die ersten Prototypen konnten so auf eine Fläche von 50 mal 70 Zentimetern beschränkt werden. Wenn eine grafische Oberfläche wie etwa eine Tastatur oder Schaltflächen auf die Glasplatte projiziert wird, kann der Nutzer damit interagieren und die Software des Systems steuern.

Software erkennt Bewegungsmuster
Das Programm erkennt unterschiedliche Bewegungsmuster der Füße: Wenn ein Nutzer ohne Absicht über die Fläche läuft, setzt er mit der Ferse auf und rollt den Fuß über den Ballen ab. Ganz anders sieht der Sohlenabdruck aus, wenn man mit dem Fuß auf eine Schaltfläche tippt, um eine Aktion auszulösen. "Wenn ein Nutzer ein Menü aufrufen will, muss er nicht immer an den Rand laufen", erklärt Käfer, der sich im "Multitoe"-Team vor allem mit der Präzision der Fußsteuerung beschäftigt hat. "Es genügt, dass er kurz hochspringt."

Caroline Fetzer hat in Nutzerstudien für das Projekt mehr als 60 Personen dabei beobachtet, wie sie sich mit den Füßen auf dem interaktiven Boden bewegen. "Füße verhalten sich ganz anders als Hände", erkannte die 21-jährige Forscherin. "Sie können aber mehr, als wir denken und annähernd so präzise sein wie Hände." Fetzers Ergebnisse waren vor allem für die Gestaltung der Oberflächen für den interaktiven Fußboden wichtig.

Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten
Betreut wurde das Projekt "Multitoe" von Patrick Baudisch, Leiter des Fachgebiets Human Computer Interaction, der vor seinem Einstieg in Potsdam in einem Forschungslabor von Microsoft in Redmond gearbeitet hat. "Wir wollen fünf bis zehn Jahre in die Zukunft schauen und fragen uns, welche Rolle dann ein interaktiver Fußboden spielen könnte", erklärte der Informatik-Professor.

So sei es denkbar, diese Technik in Altersheimen einzusetzen. Über die Beobachtung der Fußbewegungen könne auch ohne eine unerwünschte Kamera-Überwachung überprüft werden, ob es den Bewohnern gut gehe. Schon jetzt können den Schuhsohlen auch die Profile bestimmter Personen zugeordnet werden.

"Multitoe" soll in den kommenden Jahren weiterentwickelt werden, die nächste Runde von Bachelor-Projekten ist schon geplant.

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