Kein anderes Auto ist so sehr auf den Stadtverkehr zugeschnitten wie der Smart. Ein chinesisches Pärchen lässt sich davon nicht schrecken und ist mit dem Bonsai-Benz auf Weltreise. Durch halb Europa haben es die 25-jährige Zu und ihr sechs Jahre älterer Freund Li von Peking aus schon geschafft. Und das ist nur der Anfang.
Das kommt davon, wenn man sich in einen Rumtreiber verliebt. Seit Zu mit Li zusammen ist, hat sie jedenfalls kaum mehr eine ruhige Minute gehabt - und fast keine Nacht im eigenen Bett geschlafen. Denn ihr Freund hat akutes Reisefieber und fährt gerne Auto. Deshalb hat der chinesische Fotograf und Airbnb-Betreiber bereits die endlos lange Grenze seines Heimatlandes abgefahren und ist jetzt mit seiner Freundin auf einer Rundreise durch Europa - natürlich nicht auf dem direkten Weg. Sondern die beiden fahren durchs Baltikum und Skandinavien, durch Benelux nach Spanien und Portugal, zurück nach Norden durch die Schweiz, Deutschland und Österreich, dann Italien, den Balkan, die Türkei und zuletzt über den Nahen Osten und den Himalaya wieder nach Honkong. „Bis wir wieder zu Hause sind, werden wir in rund 200 Tagen etwa 55.000 Kilometer absolviert und 45 Länder durchfahren haben“, sagt Li.
Die Fahrt alleine ist schon spektakulär genug. Doch sie wird noch absonderlicher, wenn man nach dem Auto der beiden schaut. Denn Zu und Li sind nicht etwa wie gewöhnliche Weltenbummler in einem VW Bus oder einem Unimog unterwegs oder wenigstens in einer G-Klasse oder einem Land Cruiser. Die beiden Chinesen fahren einen Smart Brabus. „Warum nicht?“ ist Lis Standardantwort auf die Frage, weshalb sie ausgerechnet mit diesem Wagen unterwegs sind. „Das ist ein Auto wie jedes andere.“ Zumindest wenn es ums Fahren geht, schränkt der Globetrotter ein. Ansonsten hat der Smart in China eine ganz eigene Position. Die einen lieben ihn, weil er sich so leicht individualisieren lässt und man damit aus der Masse heraussticht - in einem Milliardenvolk mit Millionenstädten eine nicht ganz unerhebliche Eigenschaft. Und die anderen hassen ihn, weil er für sie ein Spielzeug ist und ein richtiges Auto entweder ein SUV oder eine Limousine und auf jeden Fall groß ist. Deshalb haben auch ihre Familien Li und Zu lange Zeit für ziemlich verrückt gehalten. Doch nachdem sie sich tatsächlich auf den Weg gemacht und sich mal aus Helsinki, Paris und Barcelona gemeldet haben, sieht das anders aus. „So langsam sind sie tatsächlich ein bisschen stolz auf uns“, freuen sich die beiden Fernfahrer.
Trotzdem war die Fahrt mit dem Smart natürlich nicht ganz ohne, muss Zu einräumen und denkt mit schaudern an das Packen zurück. Wochenlang hat sie überlegt, was sie alles mitnehmen müssen und können und wie sie es im Auto am besten verstauen. Erst recht, weil sie unterwegs auch campen und sich selbst verpflegen wollten. Und sie haben es nicht bei der Theorie belassen, sondern nicht zuletzt wegen des hohen Gewichts und des Dachgepäckträgers etliche Probefahrten gemachen. „Acht Wochen und viele Tausend Kilometer waren wir damit auf unterschiedlichsten Straßen unterwegs.“
Zumindest auf der ersten Hälfte des Trips hat der Smart Brabus tapfer durchgehalten und Zu und Li sind voll des Lobes für ihren Winzling. „Mehr Auto braucht kein Mensch“, sagt der Fotograf. Und noch mehr freut er sich über die Smart-Familie. Denn wo sie hingekommen sind, wurden sie von anderen Smart-Fahren begrüßt und betreut und hatten gleich Anschluss.
Wobei so richtig viel Zeit ist den beiden bislang nicht geblieben: „Wir machen eigentlich nur in den Hauptstädten einen Stopp, schauen uns die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an und sind ansonsten dauernd auf Achse, sonst ist unser Plan kaum zu schaffen“, sagt Zu und klingt ein bisschen gehetzt. Es gibt deshalb Fahrtage, an denen die Tankstopps die einzigen Pausen sind. Aber wenigstens gibt es davon genügend - schließlich hat der Smart nur einen 28-Liter-Tank und muss an langen Tagen drei, vier Mal an die Box.
Zwar hat es immer mal wieder auch Tiefpunkte gegeben, als zum Beispiel ihr Dachgepäckträger gebrochen ist und sie vom wenigen Gepäck nochmal etwas aussortieren mussten, als ihnen auf der iberischen Halbinsel die Handys geklaut wurden oder als sie irgendwo in Skandinavien mal sechs Stunden schweigend an einer Tankstelle saßen, weil sie einfach keine Kraft mehr hatten, um weiterzufahren, erzählt Li.
Doch kaum waren sie wieder auf dem Weg, hatten zwei drei Kurven genommen, hatten sie wieder ein so schönes Erlebnis oder so eine tolle Aussicht, dass alle Strapazen vergessen waren. „Wir lieben es einfach unterwegs zu sein“, sagen die beiden. Deshalb hatten sie bislang auch nie Heimweh und schauen mit gemischten Gefühlen auf den Tag im November, wenn die Tour mit einem Besuch bei einem Smart-Treffen in Hongkong zu Ende geht. Denn so richtig daheim fühlen sich die beiden nur, wenn sie unterwegs sind. Deshalb ist die Heimat diesmal ja auch nur ein Etappenziel. Sobald sie genügend Geld zusammenhaben, wollen sie wieder los. Das nächste Mal nach Nord- und dann nach Südamerika, danach stehen Australien und zum Schluss Afrika auf dem Plan. Mit welchem Auto? „Natürlich mit unserem Smart“, sagt Zu, „Womit denn sonst?“
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