Schluss mit Citroën

DS 5: Ist das jetzt französisches Premium?

Motor
25.05.2015 13:29
Citroën nutzt seine Doppelwinkel als eine Art Steigeisen, um höhere Bereiche zu erklimmen. Getragen von den Flügeln der "Göttin" Deesse wollen die Franzosen mit der neuen, eigenständigen Marke DS nun auch außerhalb Chinas Premium anbieten. Als "Inbegriff der Marke DS" haben sie nun in Paris den neuen DS 5 präsentiert und mir zur kritischen Begutachtung überlassen.
(Bild: kmm)

Den "Spirit of Avant-Garde" schreibt man sich als Slogan auf die Fahnen, dazu "Technologie ohne Kompromisse". Und doch ist das erste reine DS-Fahrzeug nur das Facelift eines längst eingeführten, von dem man immerhin bereits 80.000 Stück unter Citroën-Label verkauft hat. Kein bahnbrechender, aufsehenerregender, komplett andersartiger und technisch höchst anspruchsvoller Glanzpunkt, wie es seinerzeit der Citroën DS war, dessen Erscheinung vor 60 Jahren man gerade feiert. Eine Ikone bis heute, die nun sogar eine ganze Marke tragen muss.

Dabei gäbe es durchaus faszinierende Concept Cars, aus denen man einen perfekten Start ins neue Markenleben hätte zimmern können. Aber in Zeiten, da an allen Ecken und Enden gespart und ums Überleben gekämpft wird, muss man sich nach der Decke strecken.

DS 5 - französischen Premium?
Man darf allerdings konstatieren, dass DS Automobiles die meisten Schwächen des Flaggschiffs ausgemerzt hat. Vor allem am Design ist der neue Anspruch zu erkennen. Jede Menge Chrom sorgt für einen glänzenden Auftritt, die "Säbel", die sich von den Scheinwerfern bis zur A-Säule ziehen, zitieren weiterhin die Dachkanten der Deesse; zusätzlich prangt nun eine massive Kühlergrill-Einfassung an der Front, die über sogenannte "DS Wings" in völlig neu gestaltete, auffällige Scheinwerfer übergeht. Auch das ein Verweis auf die Legende.

Die Scheinwerfer sind ein Mix aus Xenon und LED-Leuchten, deren Design die Assoziation mit Brillanten auslösen soll. Das sieht gut aus, entlarvt die propagierten "Stand der Technik" aber doch ein Stück weit als Lippenbekenntnis, denn Adaptivfunktionen such man vergeblich. So bleibt es bei Tagfahrlicht, mitlenkenden Xenons und statischem Kurvenlicht aus den LED-Nebelscheinwerfern. Gerade hier hätte DS einen echten Glaubwürdigkeitsvorsprung kreieren können - war doch das Scheinwerferkonzept (ab 1967 mitlenkend) seiner Zeit weit voraus.

Die größte technische Besonderheit der Deesse war bekanntlich die höchst komfortable Hydropneumatik. Ausgerechnet das Fahrwerk erwies sich beim Citroën DS 5 als gröbster Schwachpunkt. Vorbei diese harten, ruppigen Zeiten, der neue DS 5 fährt sich so komfortabel, wie man es sich erwarten kann. Gleiten statt poltern heißt jetzt die Devise, ohne schwammig zu werden. Dennoch bleibt es hinten bei der kompaktklassetypischen Verbundlenkerachse, Mehrlenker bleibt der Hybridversion vorenthalten. Wirklich dynamisch wird man auf Dauer nicht unterwegs sein, da die synthetisch wirkende Lenkung zwar hohe Rückstellkräfte aufweist, aber wenig Feedback bietet.

Neue Motoren: Sparsamer und stärker
Die neue Motorengeneration erfüllt durchwegs die Euro-6-Norm, ist sparsamer als bisher und bietet mehr Leistung. Ich war mit dem 165 PS starken Benziner und dem besonders drehmomentstarken BlueHDi-Diesel mit 180 PS und 400 Nm (ab 2.000/min.) unterwegs, beide mit Sechsgang-Wandlerautomatik. Die bezeichnet man bei Citroën als guten Kompromiss aus geringem Gewicht und Abmessungen sowie günstigen Verbrauchswerten - Stand der Technik ist das aber nicht mehr. Beim Fahren stört aber weniger die geringe Zahl der Fahrstufen, sondern vielmehr das häufige Schalten. Mehr als einmal habe ich mir gewünscht, das Getriebe würde nicht hektisch um zwei Stufen runterschalten, sondern das fett vorhandene Drehmoment des Diesels nutzen. So wirkt das Ganze recht unsouverän, weil sich die Motoren mit relativ hohen Drehzahlen und den 1.540 bzw. 1.650 kg Eigengewicht abquälen. Trotz der recht hohen Leistung wirken sie recht träge, was sich auch in einem 0-bis-100-Wert von üppigen 9,9 Sekunden beim Top-Diesel ausdrückt.

Was aber ausgezeichnet funktioniert, ist die Stop-Start-Automatik, die dank verstärktem Anlasser völlig unauffällig und geschmeidig arbeitet.

Als weitere überarbeitete Motorisierungen stehen zwei manuell geschaltete Diesel mit 120/150 PS zur Verfügung, die mit einem Normverbrauch von nur 3,8 bzw. 4,1 l/100 km glänzen. Dazu kommen der unveränderte Diesel-Hybridantrieb mit automatisiertem Schaltgetriebe sowie ab Ende des Jahres ein 210-PS-Benziner als Topmodell.

Innenraum wie ein Flugzeugcockpit
Die Ur-DS durfte sich als Fantomas' Verbrecherauto in ein Flugzeug verwandeln, vielleicht liegt hier ein Grund darin, dass man sich als Fahrer im DS 5 fühlt wie im Flugzeugcockpit, vor allem weil sich zwischen den Glasdachhälften eine dicke Konsole mit Knöpfen für Plexiglas-Head-up-Display, Sonnenblenden, SOS-Funktion etc. befindet. Auch ansonsten ist die Optik gewollt. Praktisch ist das nicht, weil Ablagen (etwa fürs Handy) gänzlich fehlen. Das fast schon als Kofferraum zu bezeichnende Fach unter der Mittelarmlehne kann das nicht ausgleichen. Was heutzutage schon fast selten ist: In die Türablagen passen keine 1,5-Liter-PET-Flaschen.

An den Materialien erkennt man den Premium-Anspruch von DS deutlich, vor allem bei der "1955"-Edition (die es auch von den anderen Baureihen DS 3, 4 und 3 Cabrio gibt), die unter anderem mit besonders edlem Leder ausgestattet ist. Überhaupt sind die Sitze sehr bequem, weisen eine lange Beinauflage auf und können sogar mit Massagefunktion bestellt werden. Edel ist auch die Analoguhr am Armaturenbrett. Die Uhrzeit wird man aber eher am neuen, in die Mittelkonsole integrierten Touchscreen ablesen. Dieses ist leider nicht immer abzulesen, weil durch die ungünstige Neigung oft die Sonne blendet.

Extravagantes Design geht bei DS über alles, da muss man dann bei der Funktion schon mal Abstriche machen. Etwa bei der sehr schmalen Windschutzscheibe, die durch die weit nach innen gezogene, zweigeteilte A-Säule eingeschränkt wird. Das stört auch beim Kurvenfahren und beim Abbiegen, weil man einfach zu wenig sieht.

Unterm Strich
"Wir wollen an die französische Oberklasse anknüpfen", sagt DS-Generaldirektor Yves Bonnefont. Ein hehrer Anspruch, für den ein guter erster Schritt gelungen ist. Jetzt fängt die Arbeit in dieser Richtung aber erst richtig an, denn ein überdesigntes Aushängeschild mit konventioneller Technik und ohne Hightech-Assistenten, die anderswo schon in Kleinstwagen erhältlich sind, macht noch keine Avantgarde-Premiummarke. Bis 2020 soll die DS-Palette aus sechs Fahrzeugen bestehen, darunter ein kleines SUV. Vorläufig werden die Citroën-Doppelwinkel an den bestehenden Modellen entfernt, weltweit in den Metropolen DS-Flagship-Stores und ansonsten Schauräume bei Citroën-Händlern eingerichtet.

Der DS 5 ist exklusiv und wird das auch bleiben, weil er sicher nicht in großen Stückzahlen die Straßen überschwemmen wird. Die Basis-Ausstattungsversion wird gestrichen, damit kostet der billigste jetzt 29.900 Euro, samt Klimaautomatik etc. Premium? Jein. Aber so hochwertig war ein Citroën schon lange nicht mehr. Aber es ist ja jetzt auch ein DS…

Warum?

  • Wenig ist so extravagant

Warum nicht?

  • Praktisch geht anders

Oder vielleicht …

… Volvo V60, Jaguar XE, Lexus IS, vielleicht auch Audi A5 Sportback, BMW 3er GT

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(Bild: kmm)



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