Betreiber verhaftet

FBI nimmt File-Hoster MegaUpload vom Netz

Web
20.01.2012 15:30
Das FBI hat den File-Hoster Megaupload.com vom Netz genommen und dessen deutsch-finnischen Gründer Kim Schmitz – auch bekannt als Kim Dotcom – in Neuseeland verhaften lassen. Ihm und sechs weiteren Firmenverantwortlichen werden Verstöße gegen Gesetze zum Schutz des Urheberrechts vorgeworfen. Der Anklage zufolge soll die Plattform mehr als 175 Millionen Dollar illegalen Gewinn gemacht und dabei den rechtmäßigen Eigentümern der Inhalte einen Schaden von deutlich über einer halben Milliarde Dollar zugefügt haben.

70 Beamte hatten Freitag früh (Ortszeit) auf Veranlassung der amerikanischen Bundespolizei FBI das Anwesen des 37-jährigen Kim Schmitz im neuseeländischen Coateville nördlich von Auckland durchsucht und dabei Wertgegenstände und Geld im Gesamtwert von sechs Millionen neuseeländischen Dollar (3,73 Millionen Euro) sichergestellt. Darunter waren ein Rolls-Royce Phantom sowie mehrere Gemälde. Außerdem seien zwei Gewehre sichergestellt worden, teilte die Polizei mit, der der Zutritt zum Anwesen zunächst von Bodyguards verwehrt worden war.

Schmitz (rechts im Bild), der bereits 2002 in Deutschland wegen Insiderhandels und Veruntreuung zu Bewährungsstrafen verurteilt worden war, gilt der US-Anklageschrift zufolge als der Gründer von MegaUpload. Er wurde zusammen mit zwei Deutschen und einem Niederländer festgenommen.

Drei weitere Angeklagte – ein Deutscher, ein Slowake und ein Este – seien noch auf freiem Fuß. "Dies ist eine der größten Urheberrechtsanklagen, die in den USA je erhoben wurde", teilte das US-Justizministerium mit. "Sie zielt auf den Missbrauch einer öffentlichen Speicher- und Verteilerplattform, um Verstöße gegen geistiges Eigentum zu begehen."

Über 500 Millionen US-Dollar Schaden
Bei MegaUpload konnten Daten aller Art auf einen Server des Anbieters hochgeladen werden, um dort von anderen Nutzern wieder heruntergeladen zu werden. Nach den Vorwürfen der US-Behörden waren darunter auch im großen Stil illegal kopierte Musik, Filme, Fernsehprogramme und digitale Bücher. MegaUpload habe mehr als 175 Millionen Dollar illegalen Gewinn gemacht und den rechtmäßigen Eigentümern der Inhalte einen Schaden von deutlich über einer halben Milliarde Dollar zugefügt, erklärte das Justizministerium. Ein weiterer Vorwurf lautet auf Geldwäsche.

MegaUpload: "Mehrheit des Datenverkehrs legitim"
MegaUpload weist diese Vorwürfe zurück. Die Anschuldigungen, MegaUpload fördere massenhafte Urheberrechtverstöße, seien "grotesk überzogen", erklärte das Unternehmen in einer kurz vor der Schließung auf seiner Website veröffentlichten Mitteilung. Die große Mehrheit des Datenverkehrs von MegaUpload sei legitim. Man wolle aber nicht aufgeben: Wenn die Unterhaltungsindustrie von der Beliebtheit des Dienstes profitieren wolle, sei man zum Dialog bereit. "Wir haben einige gute Ideen. Meldet euch", hieß es in der Mitteilung des in Hongkong ansässigen Unternehmens.

Anonymous schwört Rache
Die Hackergruppe Anonymous hat unterdessen für das Abschalten der Plattform Rache geschworen und Attacken auf diverse Websites angekündigt. "Anonymous geht auf Rachefeldzug für MegaUpload", erklärten die Hacker per Kurznachrichtendienst Twitter. Zu den anvisierten Zielen gehören die Websites des FBI und des US-Justizministeriums, der Plattenfirmen Universal und Warner Music, des Musikindustrie-Verbands RIAA sowie der Filmindustrie-Vereinigung Motion Picture Association of America.

Erste Angriffe dürften bereits stattgefunden haben. Demnach sollen die Internetseiten des FBI und des US-Justizministeriums für kurze Zeit nicht oder nur eingeschränkt zu erreichen gewesen sein.

Nutzer reagieren empört auf Abschaltung
Doch nicht nur Anonymous, auch viele der Nutzer - nach eigener Werbung waren das zuletzt rund 50 Millionen am Tag - reagierten empört auf die Abschaltung von MegaUpload. "Das war Wut ohne Ende, weil plötzlich ihre Plattform weg war, über die sie viele Sachen ausgetauscht haben", erklärte der Netzaktivist Stephan Urbach von der internationalen Vereinigung Telecomix.

Problematisch an der Abschaltung ist dabei dem Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke zufolge vor allem, dass die MegaUpload-Nutzer nun auch nicht mehr an ihre legalen Daten gelangen könnten. "In dieser Hinsicht verhalten sich die US-Behörden, die die Plattform ohne Rücksicht auf Verluste dicht gemacht haben, gewissermaßen wie Wild-West-Sheriffs."

Problem laut Experte nur verlagert
Andreas Popp, Urheberrechtsexperte der deutschen Piratenpartei, glaubt indes nicht, dass das Problem mit der Abschaltung aus der Welt geschafft ist. "Das ist wie bei einer Hydra. Schlägt man ihr einen Kopf ab, wachsen sofort andere nach." Die Razzia gegen MegaUpload werde nur dazu führen, dass sich die Nutzer andere Wege suchten. "Das Internet interpretiert Zensur als Fehler und routet darum herum, sucht sich also neue Wege. Das hat man erst bei Napster gesehen, dann bei Kazaa und später bei Pirate Bay."

Für die Piratenpartei ist das Vorgehen der US-Behörden ein Politikum. Wenn MegaUpload auf rechtlich fragwürdige Weise genutzt worden sei, dann betreffe dies nicht den Anbieter dieses Dienstes, sagt Popp im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Das wäre ähnlich, wenn der Vorstand der Deutschen Telekom verhaftet würde, weil ein Kunde der Telekom urheberrechtlich geschütztes Material über seinen Internetanschluss verbreitet."

"Nutznießer der derzeitigen Urheberrechtssituation"
Einrichtungen wie MegaUpload sind aus seiner Sicht bereits eine Folge des verschärften Umgangs mit dem Urheberrecht im Netz: "Solche File-Hoster sind Nutznießer der derzeitigen Urheberrechtssituation, weil sich die Nutzer vom klassischen File-Sharing abgewandt haben, aus Angst vor Strafverfolgung." MegaUpload habe ihnen als Mittelsmann gedient, wovon sie sich persönlich eine gewisse Sicherheit versprochen hätten. "Eine Liberalisierung des Urheberrechts würde dazu führen, dass die meisten dieser Dienste obsolet würden."

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