Digitales (Un-)Recht

Digital Rights Management – die neue Geißel der User

Digital
13.02.2007 18:36
Apple-Chef Steve Jobs hat „die Nase gestrichen voll“ von Kopierschutz und digitalem Rechte-Management. Und er ist nicht allein. Der Begriff „DRM“ wird momentan so häufig verwendet, wie nie zuvor – von Unternehmen und verärgerten Konsumenten. In ihrem Wahn, die Piraterie restlos zu vernichten, rücken Plattenfirmen, Filmstudios und Computer-Konzerne ihren ehrlichen Kunden mit digitalen Restriktionen zu Leibe, die noch vor zehn, zwanzig Jahren völlig undenkbar gewesen wären. Und jetzt, 2007, mit Vista, HD-DVD, Blu-ray-Disc, Internet-TV und HD-Fernsehen, droht die nächste Welle absurder DRM-Regeln über uns hereinzubrechen. Es wird nicht nur noch nerviger - diesmal könnte es auch ganz schön teuer werden.

Ein Plattenladen im Jahre 1980. - Ein junger Mann betritt das Geschäft, er kauft sich eine Musikkassette. Sagen wir, es ist „Making Movies“ von den Dire Straits. Unser junger Herr ist technisch voll auf der Höhe und besitzt bereits einen Walkman - einen der ersten. Er bezahlt, verlässt das Geschäft, stopft das Tape in seinen Kassettenplayer und hört sich auf dem Nachhauseweg genüsslich „Tunnel Of Love“ an. Zuhause legt er die Kassette ins Küchenradio und hört weiter. Weil er am Abend noch ein paar schöne Stunden mit seiner Freundin verbringen will, nimmt er die Kassette mit zu ihr und spielt ihr „Romeo and Juliet“ vor. Der Rest ist Geschichte.

Ein Wohnzimmer im Jahre 2007. - Ein junger Mann (vielleicht der Sohn Romeo unseres 80er-Jahre-Beispiels...) sitzt vorm PC. Er surft im iTunes-Store und kauft ein Album. Sagen wir, es ist „Not Too Late“ von Norah Jones. Nach ein paar Minuten sind die Dateien auf seinem PC oder Mac – in diesem Fall ist es egal – geladen. Unser junger Mann ist modern. Er besitzt keinen iPod. Wozu auch? Er nennt ein Handy mit MP3-Funktion und zwei Gigabyte Speicher sein Eigen. 

Unser Freund will Norah Jones auf dem Weg zur Arbeit hören und sich die Dateien per Bluetooth auf sein Handy überspielen. Es klappt. Er will sie abspielen. Es klappt nicht. Die Dateien sind nicht kompatibel, denn er hat keine Rechte um sie auf anderen Geräten, als auf einem iPod oder auf dem PC, mit dem er sie heruntergeladen hat, und fünf anderen, die im selben Netzwerk hängen müssen, abzuspielen. Am Abend will unser junger Freund Norah Jones seiner Freundin vorspielen. Normalerweise hätte er einfach sein Handy an ihre Hi-Fi-Anlage angesteckt. Jetzt muss er eine CD brennen. Genau so eine CD, die er sich vorher wegen der umständlichen Digitalisierung nicht kaufen wollte. Er hat viel Zeit vertan und am Ende eine bekritzelte Scheibe ohne Booklet in der Hand.

Digitales Rechte-Management. - Die Urmutter der Kopierschutz-Maßnahmen ist „MacroVision“. In den 80igern begann die gleichnamige Firma diesen analogen Kopierschutz in Kaufvideos zu installieren. Damit wurde ein Kopieren des Inhalts unmöglich, da das Videosignal der Kassetten für Videorekorder nicht aufzuzeichnen war. Mit der Einführung von DVD und Pay-TV adaptierte man MacroVision aus technischen Gründen und integrierte es fortan in die Hardware. Jeder DVD-Player, sämtliche TV-Karten, jede Set-Top-Box (Stichwort: Premiere) hat Macrovision – einen kleinen Schaltkreis vor dem Videowandler - eingebaut. Wer (aus rein wissenschaftlichem Interesse, natürlich) schon einmal probiert hat, mit seinem alten Videorekorder eine DVD oder einen Pay-per-View-Film mitzuschneiden, der weiß, dass es nicht funktioniert. Der Grund für das fehlende Bild auf der Videoaufnahme ist Macrovision. Aber wer macht das schon? Bemerkt haben diesen Schutzmechanismus daher wahrscheinlich die Wenigsten. Da er im Endgerät und nicht im Medium integriert ist, verursacht er keinerlei Kompatibilitätsprobleme oder Störungen bei der Wiedergabe.

Mit der Entstehung der Online-Musikshops und den nach wie vor nur in Amerika beliebten Online-Videotheken mussten aber andere Kopierschutzmechanismen her, die das Grundprinzip von MacroVision bedeutend erweitern sollten. Es ging jetzt darum, zusätzlich zur Kopie vor allem die Weitergabe von Dateien zu verhindern und die Nutzung so einzuschränken, dass sich wirklich nur mehr ein User daran erfreuen kann. Und dazu war den panischen Mediakonzernen zu Anfang jedes Mittel Recht. Sony wollte mit seinem DRM-System gleich ins Volle greifen, verbat den Usern so ziemlich alles, was verboten werden kann und machte damit eine Bauchlandung. Programmierer deckten gravierende Sicherheitslücken in der DRM-Software von Sonys Online-Angebot auf, die es Hackern möglich gemacht hätte bzw. auch tatsächlich hatte, Computer von Usern zu infiltrieren. 

Wirklich Erfolg mit DRM-geschützer Musik hat derzeit nur Apple mit seinem iTunes-Store. Das „FairPlay“ genannte System stößt zwar auf Gegenwehr in der IT-Branche (vor allem bei der Free Software Foundation, die DRM gerne mit „Digital Restrictions Management“ ausschreibt), von Usern, deren Hardware mit den Rechtevorgaben von iTunes zusammenpasst (ist in der Regel dann der Fall, wenn man Apple-Computer und iPod besitzt), wurde das Apple-DRM zum Großteil akzeptiert. Wie viele potentielle Benutzer beispielsweise iTunes nicht hat, weil die von den Plattenfirmen (und auch Filmstudios, denn iTunes ermöglicht ja auch den Kauf von mobilen Videoinhalten, die denselben Restriktionen unterliegen) diktierten DRM-Regeln dem einen oder anderen zuwider sind, ist allerdings eine andere Geschichte.

DRM war und ist auch Thema bei herkömmlichen CDs. Nicht nur in Form von Kopierschutzmechanismen, die ein Kopieren der CD mit Brennsoftware unmöglich machen sollen. Wiederum war es Sony, der DRM bei Musik-CDs anwendete. Beispiel: Wer sich das aktuelle Album „Stand Up“ der Dave Matthews Band zulegt, wird beim Einlegen der CD ins PC-Laufwerk von einem Pop-Up-Window begrüßt. Das Album darf man von nun an insgesamt fünf Mal rippen, allerdings nur im Windows-Media-Audio-Format. Wenn der MP3-Player (z.B.: iPod) bzw. das Handy dieses Format nicht unterstützt – Pech gehabt. Glücklicherweise kam diese Idee nur bei sehr wenigen Veröffentlichungen zur Anwendung.

Rechte bzw. keine Rechte unter Windows Vista. - Geradezu fatale Konsequenzen von Kopierschutz- bzw. DRM-Technik prophezeit der amerikanische IT-Professor Peter Gutmann in seinem Artikel „A Cost Analysis of Windows Vista Content Protection“. Da digitale Inhalte – und mögen sie noch so gut geschützt sein – immer durch analoge Hilfsmittel (Mikrofon, MiniDisc-Recorder, Videorekorder via PC-TV-Out mit Cinch, etc.) kopiert werden können, hat Microsoft - ebenfalls auf Druck der Multimediakonzerne - in sein neues Betriebssystem einige Mechanismen implementiert, die selbst das analoge Aufzeichnen unmöglich machen (sollen). 

Am Beispiel Film ist das Konzept der „Vista Content Protection“ ganz gut ersichtlich: Ist eine HD-DVD oder auch eine Blu-ray-Disc mit den entsprechenden Schutzmechanismen vom Hersteller ausgestattet, so können bei der Wiedergabe analoge Ausgänge am PC deaktiviert werden. Sprich, wenn der Film abgespielt wird, kann er nur über einen Bildschirm mit DVI-Eingang, der das Kopierschutzprotokoll HDCP (das Macrovision-Pendant für HD-Video) unterstützt, angezeigt werden bzw. der Ton nur über einen digitalen Audioausgang ausgegeben werden. Ein etwaiger VGA-Anschluss am PC wird dabei nicht deaktiviert, allerdings wird die Auflösung laut Gutmann, so lange eine solche HD-DVD oder Blu-ray-Disc im Laufwerk ist, auf 800 mal 600 Pixel reduziert. Kopfhörer oder ein allfälliger Video-Out per S-VHS-Anschluss würden deaktiviert.

Die Nutzung bzw. Aktivierung dieser Mechanismen liegt aber immer noch bei den Plattenfirmen und Filmstudios. Die österreichischen Microsoft-Vertreter gaben beim Start von Windows Vista zu bedenken, dass man im Betriebssystem nur die Wünsche der Kunden (in diesem Fall die Unternehmens-Kunden, die ihre Inhalte für Vista freigeben sollen) für den Schutz von „Premium-Inhalten“ umgesetzt habe. Die Nutzung und der Grad der Nutzung von Vistas „Content Protection“ obliege den Plattenfirmen, Filmstudios, etc. Nehmen sie diese aber in Anspruch, so sinkt die Kompatibilitätsrate von HD-DVD und Blu-ray-Disc. Wer einen analogen Monitor (auch TFT-Monitore mit HD-fähiger Auflösung) hat, sieht nichts, wer keine digitale Soundkarte hat, hört nichts. 

Gutmann: „Vista kann tödlich sein!“ - Der US-Wissenschaftler geht in seinem Artikel sogar noch weiter und hat sich dabei nicht nur mit Microsoft angelegt. Abseits der Unannehmlichkeiten für PC-Benutzer könnte Vista seiner Meinung nach auch fatale Nebenwirkungen im medizinischen oder etwa militärischen Bereich haben. Da die Treiber bestimmter Hardware (speziell Grafik- und Soundkarten) auf Vistas Content Protection angepasst werden müssaut Gutmann eine gewisse Frist. Ist die entsprechende Anpassung nach dieser Zeit immer noch nicht erfolgt, kann es passieren, dass bestimmte Hardware-Komponenten, die einen fehlerhaften Treiber oder Sicherheitslücken enthalten, durch die geschützte Inhalte „abgesaugt“ werden können, beim Abspielen besagter Medien nicht mehr unterstützt werden. 

Laut Gutmann ist es möglich, dass dadurch das komplette PC-System zusammenbricht - nämlich dann, wenn fehlerhafte Hardware oder auch beispielsweise nur eine kleine Überspannung an der Grafikkarte, die Quasi-Deaktivierung auslöst, obwohl gar kein entsprechender 
„Premium-Inhalt“ auf dem PC abgespielt wird. Im Falle eines Krankenhauses mit Vista-PCs, deren Hardware in eine dieser Kategorien fällt - und sei es auch nur der PC im Schwesternzimmer, auf dem ein paar Patienten-Daten gespeichert sind - wären die Konsequenzen fatal. Microsoft entgegnete Gutmann mit der Antwort, dass so ein Szenario mehr als unwahrscheinlich sei. Außerdem würde Vistas Content Protection die Hersteller zur Entwicklung besserer Treiber bringen und damit Kompatibliätsprobleme verringern. Die Hersteller beklagen wiederum, dass die Entwicklung von Treibern auf Druck zu Lasten der Kunden gehen würde. Die Kosten dafür müsse man nämlich an die Kundschaft weitergeben, was die Hardware-Umrüstung und damit die Umstellung auf moderne Technologie verlangsamen würde.

Druck von den Plattenfirmen und Filmstudios. - Im Fall von Apple, wie auch im Fall von Windows Vista kommt die grundsätzliche Idee zum Digital Rights Management oder „Content Protection“ nicht von den Software-Produzenten. Auch nicht von den Hardware-Herstellern, die - wie eben erwähnt - ganz am Ende der Nahrungskette sitzen, ihrerseits für die DRM-Entwicklung mit teuren Treiberadaptierungen bezahlen und diese Kosten natürlich an die Konsumenten weitergeben (müssen). Plattenfirmen und Filmstudios üben mächtig Druck auf die Entwickler aus und erzwingen die Kopierschutzmechanismen. Für die Angst, eigentlich die Paranoia, der Industrie vor Raubkopierern bezahlt dann der ehrliche User mit seinem Ärger über die Restriktionen und Fehlfunktionen, die jedes DRM-System nun mal an sich hat.

Steve Jobs schreibt in seinen „Thoughts on Music“, dass er es gerne sehen würde, dass man wieder auf das Vertrauen in die User/Musikfans/Cineasten setzt. Jobs' Traum wäre es, dass legale MP3s über das Internet in DRM-freier Form verkauft werden dürfen, selbst wenn iTunes dadurch die Marktherrschaft aufs Spiel setzt. Auch sagt er, dass „DRM noch nie funktioniert hat und Piraterie nicht aufhalten können wird“. Die Theorie ist bestens bekannt. Wer Songs illegal aus dem Internet downloadet, wird dies demnach weiterhin tun, so lange es Menschen gibt, die ihn damit versorgen. Aber: Wer Online-Musik, Online-Videos oder Filme auf HD-DVD bzw. Blu-ray-Disc für bares Geld gekauft hat, der verschenkt sie nicht an die ganze Welt, in dem er sie im Internet oder als Raubkopie genau jenen Schmarotzern zur Verfügung stellt, die verursacht haben, dass DRM zur neuen Geißel der PC-User zu werden droht. Zumindest wäre das wünschenswert.


Von Christoph Andert

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