Mit Virus aus Israel

Ausgefeilter Lauschangriff: Spur führt nach Afrika

Web
07.12.2017 09:19

2016 und 2017 wurden Journalisten, Akademiker und Aktivisten in Deutschland, Kanada, England, Norwegen und anderen Industrieländern Opfer mysteriöser Hacker-Attacken. Sie erhielten maßgeschneiderte E-Mails mit Abhörsoftware. Die Analyse der Angriffe ließ auf einen staatlichen Hintergrund schließen. Doch es waren nicht etwa NSA, Mossad oder MI5, welche die PCs angezapft hatten. Tatsächlich war es ein Land, in dem gerade einmal jeder zwanzigste Bürger überhaupt Zugang zum Internet hat: Äthiopien.

Das berichtet der Politikwissenschaftler und Menschenrechtler Ronald Deibert in einem Gastbeitrag im IT-Magazin "Wired". Er und seine Mitstreiter der NGO Citizen Lab haben die Attacken in Kanada, Deutschland, Großbritannien und anderen Staaten genau analysiert. Mit einem recht verblüffenden Ergebnis: Offenbar hat ein israelischer Hersteller von Abhörsoftware die äthiopische Regierung mit hochentwickelten digitalen Wanzen ausgerüstet, welche diese wiederum auf unliebsame Oppositionelle im Ausland angesetzt hat.

Neue Bedrohung unter Deckmantel der Sicherheit
Deibert warnt angesichts der Möglichkeiten, die selbst Entwicklungsländer durch den Zukauf staatlicher Trojaner erlangen, vor einem ganz neuen Bedrohungsszenario. "Regierungen wie jene von Äthiopien sind nicht mehr davon abhängig, Informatiker, Ingenieure oder mathematische Kapazitäten in ihrem Land zu haben, um eine weltumspannende Cyber-Spionageoperation auf die Beine zu stellen. Sie können es einfach im Handel kaufen - bei Unternehmen wie Cyberbit." Solche Firmen versprechen Sicherheit, seien aber in Wahrheit selbst eine Bedrohung, so Deibert.

Cyberbit ist jener israelische Spyware-Hersteller, der die äthiopische Regierung mit Abhörwerkzeugen beliefert haben soll. Das Unternehmen ist eine Tochter der auf Software für das Militär spezialisierten Firma Elbit Systems in Haifa.

Der Mutterkonzern hat nach eigenen Angaben Aufträge im Wert von sieben Milliarden US-Dollar in Arbeit. Zumindest ein Teil dieser Summen dürfte von Regierungen stammen, die nicht unbedingt als glühende Verfechter der Menschenrechte bekannt sind. Zu den Kunden von Cyberbit zähle neben Äthiopien - offiziell will das Unternehmen dies freilich nicht bestätigen - auch Usbekistan, Sambia, die Philippinen und Thailand, heißt es in dem Bericht.

Spyware-Entwickler gibt es auch in Europa
Cyberbit ist nicht das einzige Unternehmen, das gutes Geld damit verdient, Staaten mit hoch entwickelter Abhörsoftware zu beliefern. Ganz ähnliche Firmen gibt es etwa auch direkt vor der österreichischen Haustür: bei Hacking Team im italienischen Mailand oder beim deutsch-britischen Spyware-Hersteller GammaGroup.

Auch diese Unternehmen stehen im Verdacht, Länder wie Ägypten, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate mit Überwachungs-Software zu beliefern. Offiziell zum Zwecke der Terrorismusbekämpfung. Das Problem: In autoritär regierten Staaten werden Menschen, die eine Meinung äußern, die den Herrschenden missfällt, mitunter recht schnell als Kriminelle oder Terroristen definiert.

Abhöropfer kritisierten äthiopische Regierung
Die Abhöropfer der Äthiopier in aller Welt haben jedenfalls genau dies getan. "Sie alle verbindet, dass sie friedlich ihre politische Opposition gegenüber der äthiopischen Regierung zum Ausdruck gebracht haben", berichtet Deibert. Einzige Ausnahme: Ein Mitarbeiter seines Teams, der die Spuren der genutzten Überwachungssoftware bis nach Israel verfolgt hat und wohl durch seine Neugier ins Visier der Äthiopier geraten ist.

Deibert beendet seinen Bericht mit einem Appell an Regierungen. Er fordert die betroffenen Länder auf, auf die Cyberangriffe auf ihre Bürger zu reagieren und etwas gegen den Export von Abhörsoftware in autoritäre Staaten zu unternehmen. "Wenn die internationale Gemeinschaft nicht schnell handelt, werden Journalisten, Aktivisten, Anwälte und Menschenrechtler zunehmend infiltriert und neutralisiert werden."

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