In Mexiko

Guadalupe: Hochzeitstanz der weißen Haie

Reisen & Urlaub
15.11.2017 09:00

Vor der Felseninsel Guadalupe bei Mexiko treffen sich die großen Meeresräuber zur Paarung - und schwimmen friedlich an den Tauchern vorbei.

Hollywood hat ihnen einen Stempel aufgedrückt: als menschenjagende, menschenfressende Bestien. Die großen Weißen Haie gelten als die Schrecken der Weltmeere schlechthin. Allerdings völlig zu Unrecht, wie sich eine Gruppe Taucher vor der mexikanischen Felseninsel Guadalupe überzeugen konnte. Dort treffen sich die großen Raubfische jährlich zum "Hochzeitstanz".

Über die südkalifornische Stadt San Diego waren wir nach Mexiko eingereist. Unser Ziel: Die Stadt Ensenada, von wo aus uns das Tauchboot "Solmar V" zur 240 Kilometer von der Küste entfernt im Pazifik liegenden Felseninsel Guadalupe bringen soll. Dieses abgelegene, nur 244 Quadratkilometer große Eiland vulkanischen Ursprungs wird nur von gut einhundert Fischern sowie Tausenden Seelöwen und See-Elefanten bewohnt - und dem mexikanischen Wissenschafter Dr. Mauricio Hoyos: Er erforscht dort Verhalten und Wanderungen der Weißen Haie, deren Art bereits als gefährdet gilt. Weltweit gibt es nur noch etwa 3000 dieser großen Raubfische, in diesem Gebiet, das seit 2005 Biosphärenreservat ist, schwimmen nur noch 300 dieser Tiere - 500 müssten es sein, um die Population zu sichern. Doch Fischfangflotten ziehen massenhaft Weiße Haie als Beifang mit ihren Netzen aus dem Ozean, ehe sie geschlechtsreif werden und sich fortpflanzen können: Weibchen sind es mit 33 Jahren, Männchen mit 28.

Jetzt im Herbst treffen sich die Weißen Haie im Gebiet um Guadalupe zur Paarung. Knapp 20 Stunden waren wir mit der "Solmar V" unterwegs, ehe im morgendlichen Sonnenaufgang die Insel vor uns auftauchte.

Schon gleich nach dem Ankern wurden die Tauchkäfige ins Wasser gesenkt. Freies Tauchen ist hier im Schutzgebiet verboten - um die Weißen Haie nicht zu irritieren. Die Crew teilte uns in Gruppen ein, denn in jeden der beiden Oberflächen-Tauchkäfige dürfen jeweils nur vier Taucher gleichzeitig ins Wasser, mit dem Tiefenkäfig, der auf sechs Meter abgesenkt wird, zwei Taucher.

Mit mehr als 20 Kilo Blei beschwert, ließ ich mich auf den Boden des Käfigs mit seinen zentimeter-dicken Stahlstreben sinken. Die Luftversorgung der Atemregler erfolgt von Bord aus. Damit ist ein langer Aufenthalt unter Wasser möglich. Ein Schwarm aus Tausenden Regenbogenmakrelen ist hinter den Ködern her, mit denen die Weißen Haie angelockt werden sollen.

Die Blicke der Taucher schweifen im Kreis - und plötzlich gibt einer ein Handzeichen: Hai von links. Der Schatten, der aus der blauen Wand auftaucht, wird immer deutlicher: Mein erster Weißer Hai hautnah, gut fünf Meter lang. Ganz ruhig schwimmt er zu unseren Tauchkäfigen, dreht ein paar Meter entfernt aber um und verschwindet.

Beim Anblick des imposanten Großfisches wurde der Pulsschlag schneller. Bei allen Tauchgängen in den folgenden Tagen kamen die großen faszinierenden Raubfische zu uns. Keine Spur von Aggressivität oder Angriffslust.

"Menschen gehören nicht zu ihrem Speiseplan", erklärt Hai-Forscher Hoyos zum wiederholten Mal. Mit an Bord des Tauchschiffes sind auch Sharkproject-Austria-Präsident Herbert Futterknecht aus Wien, Gerhard Wegner von Sharkproject International und der weltbekannte belgische Freitaucher Frederic Buyle. Sie wollen diese Reise nützen, um Weiße Haie mit Satellitensendern zu taggen. So sollen Wanderrouten dieser Meeresräuber erforscht werden, damit künftig mit temporären lokalen Fischfangverboten die Ausrottung der Weißen Haie verhindert werden kann. Die Finanzierung dieser nur wenige Gramm schweren Satellitensender (pro Stück etwa 4000 US-Dollar) erfolgte von Sharkproject und Tauchreisenspezialist fish&trips durch Sponsoren sowie Benefizabende in Wien, in Deutschland und der Schweiz.

Um den Bestand in den mexikanischen Gewässern zu ermitteln, wird auch jede Haisichtung genau dokumentiert: "Anhand dreier spezieller Merkmale ist jeder Hai einzigartig, kann genau identifiziert werden", erklärt Verónica Morales Sotero aus Ensenada, die für die Regierung die Haie bestimmt.

Die Begegnung mit Weißen Haien ist eindeutig ein Höhepunkt für jeden Sporttaucher. Klar ist, dass man sich ihnen gegenüber mit viel Respekt und Vorsicht verhalten muss. Aber sie sind keineswegs die Monster, die viele aus ihnen machen möchten. Sie sind vielmehr - wie auch alle anderen Hai-Arten - für das ökologische Gleichgewicht unentbehrlich: Haie fressen jene Fische, die - wenn sie überhandnehmen - Algen und Korallen zerstören würden, die 50 Prozent unseres Sauerstoffes liefern.

Johann Haginger, Kronen Zeitung

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