Noch nie war es so einfach wie heute, sich mithilfe von Elektronik mit anderen zu vernetzen. Immer kleinere und leistungsfähigere Elektronik hat aber noch einen anderen positiven Effekt: Sie ermöglicht Menschen mit Behinderung, mit technischer Hilfe ein Stück Autonomie zurückzugewinnen und am Alltag teilzunehmen. Wie das funktioniert, präsentierten internationale Aussteller jüngst auf der Project Zero Conference in der Wiener UNO-City.
Auf der Barrierefreiheits-Konferenz zeigten Hightech-Firmen, gemeinnützige Organisationen und Tüftler in der Wiener UNO-City, welche Hilfsmittel sie für Menschen mit Handicap entwickelt haben. Eine Branche, in der österreichische Erfinder wie der Linzer Informatiker Gerhard Nussbaum eine weltweit führende Rolle spielen.
4D-Joystick: Drohnensteuerung mit dem Mund
Nussbaum ist seit seiner Jugend vom Hals abwärts gelähmt und machte auf der Konferenz als Drohnenpilot von sich reden. Nicht mit einer klassischen Fernsteuerung, sondern dem von Nussbaum und seinen Kollegen im Linzer Kompetenznetzwerk Informationstechnologie zur Förderung der Integration von Menschen mit Behinderung selbst entwickelten 4D-Joystick.
Der Joystick wird mit dem Mund bedient, steuert RC-Fahrzeuge vom Auto bis zur Drohne und soll nun zum marktreifen Produkt entwickelt werden, wofür Nussbaum und seine Mitstreiter noch Partner suchen.
Leondinger DJ legt mit IntegraMouse auf
Ein ähnliches Gerät, allerdings zur Steuerung von Computern und Spielkonsolen, verkauft ein gemeinnütziges Linzer Unternehmen bereits in die ganze Welt. Die IntegraMouse von LIFEtool Solutions wird ebenfalls mit dem Mund bedient, gibt sich dem PC ohne weitere Treiber als Eingabegerät zu erkennen und kann sogar zur Steuerung von Games verwendet werden.
Welche Möglichkeiten sie Menschen eröffnet, die einen PC sonst nicht bedienen könnten, zeigt der seit einem Badeunfall im Jahr 2009 gelähmte Mario Marusic - auch bekannt als DeeJay Ridinaro.
Marusic nutzt die IntegraMouse nicht nur zum Auflegen, sondern ersetzt damit die anderen Eingabegeräte seines Computers. Er surft damit durchs Netz, benutzt sie zur Steuerung von Computerspielen. Ihm hat das Gadget ein Stück Freiheit zurückgegeben - ebenso wie anderen Benutzern auf der ganzen Welt, etwa dem koreanischen Universitätsprofessor Sang-Mook Lee, der seit einem Autounfall im Jahr 2006 vom Hals abwärts gelähmt ist.
Computer mit den Augen steuern
Eine Alternative zur Steuerung mit dem Mund ist die Augensteuerung. Hier kommen Mittel zum Einsatz, die aus der Werbeindustrie stammen und der Analyse der Blicke von Medienkonsumenten dienen. Dabei wird die Blickrichtung mit Infrarot-Strahlung gemessen und in Steuerungsbefehle für PCs umgesetzt.
Bei der Project Zero Conference waren gleich mehrere Aussteller mit solchen Systemen vertreten - etwa Tobii Technology aus Schweden und Irisbond aus dem Baskenland.
Die Funktionsweise von Eye-Tracking-Steuerungen: Der Nutzer schaut am Bildschirm auf das Icon oder den Button, den er benutzen möchte - und bestätigt je nach Hersteller, indem er seinen Blick darauf ruhen lässt oder blinzelt. Die intuitive Steuerung ist insbesondere auch für Kinder mit Behinderung interessant - etwa durch Lernspiele mit Augensteuerung, wie sie Irisbond anbietet.
Assistierende Techologien für die Massen
Ein Problem haben die genannten Lösungen: Sie sind nicht billig. Wer eine Augensteuerung oder eine Mund-Maus für den PC anschaffen will, ist schnell mehrere Hundert oder Tausend Euro los. Diesem Umstand hat sich eine Informatiker-Truppe der FH Technikum Wien angenommen. Unter Leitung von Christoph Veigl vom Institut für Embedded Systems entwickeln sie Open-Source-Assistenztechnik, die in Schwellen- und Entwicklungsländern eingesetzt werden könnte.
Ihre Herangehensweise: Sie entwickeln Assistenz-Hardware wie Mund- oder Augensteuerung auf Basis einfach zu bekommender Technik wie Mini-PCs vom Schlage eines Raspberry Pi, veröffentlichen die Bauanleitungen und die zugehörige Software. So können Menschen in armen Regionen, die sich sonst keine solchen Technologien leisten könnten, sie selbst bauen und an ihre Bedürfnisse anpassen. Die Idee ist gefragt, Veigl und sein Team haben ihr Projekt erst kürzlich an einer kenianischen Uni präsentiert.
Animierte Emojis für Gehörlose
Eine weitere Idee auf der Project Zero Conference kommt vom Wiener Unternehmen Signtime. Die Firma hat sich auf Übersetzungen in Gebärdensprache spezialisiert und bietet Unternehmen und Behörden animierte Figuren an, die das geschriebene oder gesprochene Wort auf Websites für Gehörlose übersetzen.
Die Idee kommt an: Die herzigen Figuren aus Wien haben sich auf Facebook in den letzten Monaten zum Dauerbrenner entwickelt und werden mittlerweile von Menschen auf der ganzen Welt geteilt.
Ein Rundgang auf der Project Zero Conference zeigt: Neue Technologien sind weit mehr als nur ein Mittel der Kommunikation oder Unterhaltung. Sie können jenen, die sonst nur schwer am Alltag teilnehmen können, eine wesentliche Stütze und enorme Hilfe sein - und werden für Menschen mit Behinderung künftig ohne Zweifel weiter an Bedeutung gewinnen.
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