Redefreiheit

Türkei: Twitter-Sperren und Zensur sind Alltag

Web
23.07.2015 08:10
Zwei Tage nach dem mutmaßlichen Terroranschlag in Suruc hat die Türkei den Zugang zum Nachrichtendienst Twitter für einige Stunden gesperrt. Ein Gericht in Suruc habe die Veröffentlichung von Bildern des Attentats in Medien und im Internet verboten, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete.

Internetseiten, die sich nicht an das Verbot halten, sollten blockiert werden, verfügten die Richter. Mit der kurzzeitigen Twittersperre wolle man zudem Aufrufe zu Protesten gegen die Regierung verhindern.

Bei dem Attentat am Montag nahe der syrischen Grenze waren 32 Menschen getötet worden. Etwa hundert Menschen wurden bei der Detonation in einem Kulturzentrum verletzt. Ziel waren Anhänger einer sozialistischen Jugendorganisation, die in der syrisch-kurdischen Nachbarstadt Kobane Hilfe leisten wollte. Die türkische Regierung vermutet die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hinter diesem Anschlag. Laut Anadolu soll es sich bei dem Täter um einen männlichen Selbstmordattentäter gehandelt haben, dessen Identität identifiziert worden sei.

Schon unmittelbar nach dem Anschlag wurden Bilder von den jugendlichen Aktivisten in sozialen Netzwerken gepostet, die am Montag ums Leben kamen. Im Internet und auf der Homepage von Medien wurden auch Bilder veröffentlicht, auf denen die Toten am Anschlagsort zu sehen sind.

Website-Sperren sind in der Türkei üblich
Die jetzige Kurzzeitsperre von Twitter ist in der Türkei nichts Außergewöhnliches. Immer wieder werden in der Türkei Internetseiten gesperrt oder gleich die Berichterstattung über bestimmte Themen verboten. So wurde Anfang April nach der Geiselnahme eines Staatsanwalts in Istanbul der Zugang zu sozialen Netzwerken und YouTube zeitweise blockiert. Damals waren im Netz Bilder des Staatsanwalts aufgetaucht, der von Mitgliedern einer linksextremistischen Gruppierung ermordet wurde. Ankara hatte daraufhin kritisiert, einige Medien hätten sich verhalten, als ob sie "terroristische Propaganda verbreiten würden".

Journalisten erhalten Listen mit gesperrten Themen
Neben der Onlinezensur werden auch ganze Themen auf einem Index, gesetzt den die türkische Rundfunkaufsichtsbehörde RTÜK regelmäßig an die Journalisten verschickt. Die Tageszeitung "Hürriyet Daily News" schreibt von 150 Themen, die zwischen 2010 und 2014 für die Berichterstattung gesperrt wurden, weil der Rundfunkrat oder Gerichte dies so bestimmten. Wer sich nicht daran hält, muss mit Geldstrafen rechnen. Begründung ist meist, dass Nachrichten darüber, insbesondere unzutreffende, Ermittlungen gefährden würden.

So lautete auch das Argument bei den türkischen Geiseln im Nordirak. Als im Juni 2014 türkische Botschaftsmitarbeiter in Mossul von Jihadisten des IS entführt wurden, verhängte die Medienaufsichtsbehörde auch hierüber eine Nachrichtensperre. Kritische Medien hatten der Regierung zuvor vorgeworfen, die Eskalation im Irak durch Unterstützung des IS mitverschuldet zu haben. Der damalige Ministerpräsident, und jetzige Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kritisierte, Opposition und regierungskritische Medien würden die Geiselnahme für politische Zwecke ausbeuten und so Menschenleben gefährden.

Ein weiteres Tabuthema ist der gewaltige Korruptionsskandal, der die Türkei Ende 2013 erschütterte. Nach Hinweisen über Geldwäsche und Bestechung mussten mehrere AKP-Minister zurücktreten. Ende 2014 verbot die Rundaufsichtsbehörde auch die Berichterstattung über die Korruptionsaffäre.

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