Die Rechnung von Netflix beim Vorgehen gegen das Teilen von Passwörtern außerhalb eines Haushalts scheint aufzugehen: Der Videostreaming-Riese gewann im zweiten Quartal 5,9 Millionen Kunden hinzu. Netflix machte zwar keine Angaben dazu, wie viele von ihnen zuvor Account-Trittbrettfahrer waren, die sich nun ein eigenes Konto zulegten, verzeichnete laut Co-Chef Greg Peters aber in jeder Region mehr Abo-Kunden und Umsatz als zuvor. „Wir sehen, dass es funktioniert.“
Netflix geht seit Anfang des Sommers dagegen vor, dass Nutzer einen Account über einen Haushalt hinaus teilen. Dafür wird nun zusätzliches Geld fällig - entweder zahlen die Mitbenutzer für ein eigenes Konto oder der bisherige Account-Inhaber fügt sie für 4,99 Euro im Monat als Zusatzmitglied hinzu. Nach früheren Berechnungen von Netflix nutzten rund 100 Millionen das Passwort aus einem anderen Haushalt. Der Streamingdienst setzt darauf, dass betroffene Nutzer lieber zahlen, statt zu kündigen.
Offenbar mit Erfolg: Zum Quartalsende hatte Netflix insgesamt 238,4 Millionen zahlende Kunden. Für das laufende Vierteljahr rechnet das Unternehmen mit einem Zuwachs bei der Nutzerzahl in ähnlicher Größenordnung. Bei einigen betroffenen Nutzern könne es mehrere Quartale dauern, sie als Kunden zu gewinnen, räumte Peters in der Nacht zum Donnerstag ein. Der Umsatz legte im Vergleich zum Vorjahresquartal um 2,7 Prozent auf knapp 8,2 Milliarden Dollar (rund 7,3 Milliarden Euro) zu.
Unterm Strich gab es einen Gewinn von 1,49 Milliarden Dollar nach schwarzen Zahlen von 1,44 Milliarden Dollar ein Jahr zuvor. Anleger waren von den Quartalszahlen und der Prognose dennoch nicht beeindruckt: Die Aktie fiel im nachbörslichen Handel um gut acht Prozent. Zuvor war der Kurs seit Jahresbeginn um mehr als 60 Prozent gestiegen.
Streik könnte „echtes Problem“ werden
Durch den Streik der Drehbuchautoren und Schauspieler in Hollywood wird Netflix im laufenden Quartal zunächst einmal mehr freies Geld ausgeben. So geht es auch anderen Streaming-Diensten und TV-Sendern in Amerika. Doch der Streik bedeutet auch eine Lücke beim Nachschub von Filmen und Fernsehserien. Wenn der Ausstand in den September hinein andauere, „wird das ein echtes Problem“, sagte Branchenanalyst Michael Nathanson im Wirtschaftssender CNBC.
Die Industrie bereitet sich darauf vor. So will etwa Paramount die Lücken im Programm seines Senders CBS mit Folgen der Serie „Yellowstone“ stopfen, die eigentlich ein Zugpferd der hauseigenen Netflix-Konkurrenz Paramount+ ist. Netflix mit einer großen Bibliothek an Filmen und Serien sowie über die Welt verteilten Produktionsstudios wird in einer besseren Position als einige Rivalen gesehen.
Im Videostreaming-Geschäft herrscht ein scharfer Konkurrenzkampf um Nutzer, insbesondere nachdem immer mehr Player mit eigenen Diensten in den Markt drängten: Studios wie Disney, Warner und Paramount, Tech-Riesen wie Amazon und Apple. Netflix gehört zu den Anbietern, die weniger ausgabefreudige Nutzer mit einem günstigeren Angebot mit Werbeanzeigen gewinnen wollen.
Werbe-finanzierte Angebote kommen gut an
Und dieser Ansatz scheint zu funktionieren. Bei Netflix habe sich die Zahl der Nutzer des Tarifs binnen drei Monaten fast verdoppelt - wenn auch von einem niedrigeren Niveau aus, hieß es. Pro Nutzer mache Netflix dank der Anzeigeneinnahmen bereits weltweit mehr Umsatz im Anzeigen-Abo als in der werbefreien Basis-Version. In den USA hätten die Erlöse pro Nutzer im dort 6,99 Dollar teuren Werbemodell sogar das Standard-Abo für 15,49 Dollar überholt.
Beim Streaming-Dienst Disney+ entschieden sich zuletzt 40 Prozent der Neukunden für die günstigere Version mit Werbung, wie jüngst Konzernchef Robert Iger sagte. Netflix will nun für Werbekunden so attraktiv wie möglich werden. Unter anderem können sie Anzeigenplatz auf Wunsch ausschließlich in den zehn populärsten Filmen und Serien buchen - was ein breites Publikum garantiert.
Eine spannende Frage in der Branche ist nun, ob Werbeausgaben beschleunigt aus dem klassischen TV ins Streaming mit Werbung abfließen werden. Disney-Chef Iger zeigte sich zuletzt so skeptisch über die Zukunft des linearen Fernsehens, dass er nicht ausschloss, die konzerneigenen TV-Sender wie ABC auf lange Sicht loszuwerden.
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