Streaming-Algorithmen

Grazer wollen Musik-Empfehlungen fairer machen

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30.06.2022 11:59

„Das könnte dir auch gefallen“: Wer über Spotify & Co. Musik streamt, erhält dort umgehend weitere Vorschläge, die auf den eigenen Hörgewohnheiten basieren. Die dahinter liegenden Algorithmen dürften jedoch Mainstream-Hörer bevorzugen, die adäquatere Empfehlungen serviert bekommen als Anhänger von Nischengenres wie Black Metal oder Folkmusik. Mit einem eigens entwickelten Tool wollen Grazer Forscher diese „Popularitätsverzerrung“ nun sichtbar machen.

Fairness in Empfehlungssystemen ist schon seit Jahren ein wichtiges Thema in Forschungs- und Entwicklerkreisen. Im Vorjahr publizierte ein Team bestehend aus Forschern von der Technischen Universität Graz, dem Know-Center, den Universitäten Innsbruck, Linz sowie Utrecht (Niederlande) eine Arbeit im Fachmagazin „EPJ Data Science“, in der die Hörgewohnheiten von Nutzern der Musik-Streamingplattform Last.fm untersucht wurden. Es zeigte sich, dass vier Untergruppen bei Empfehlungen benachteiligt wurden, nämlich Anhänger von Hardrock und Metal, Ambient, Folkrock und elektronischer Musik. Das heißt, diese Gruppen erhielten von der künstlichen Intelligenz weit weniger maßgeschneiderte Vorschläge als Mainstream-Hörer.

Darauf aufbauend entwickelten Forscher des Know-Center nun ein Programmiergerüst, das es erlauben soll, Datensätze etwa von Musik- oder Filmportalen wie Spotify oder Netflix für verschiedene Benutzergruppen zu untersuchen und festzustellen, wie fair die Empfehlungen jeweils ausfallen. „Themen wie Fairness und Transparenz von Algorithmen werden in der Gesellschaft allgemein immer wichtiger“, so Dominik Kowald, Research Area Manager für Social Computing am Know-Center.

Auf dem Programmiergerüst, das Kowald zusammen mit seinem Kollegen Emanuel Lacic im April bei einer Konferenz im norwegischen Stavanger vorstellte und das die Forscher mittlerweile auf der Entwicklerplattform GitHub veröffentlichten, könne man nun mit weiteren Masterarbeiten oder Dissertationen aufbauen und neue Algorithmen entwickeln, „die dann hoffentlich von Forschung oder Industrie aufgegriffen werden.“

„Nischenbenutzer werden immer signifikant schlechter behandelt“
Die Methodik der Fairness-Messung ist nicht auf Musik-Plattformen beschränkt. Das Prinzip basiert auf maschinellem Lernen und kann gleichermaßen auf Film-, Serien- oder E-Commerce-Portale angewendet werden. „Wir haben quasi in allen Domänen dieselben Ergebnisse“, so Kowald: „Nischenbenutzer werden immer signifikant schlechter oder unfairer behandelt im Gegensatz zu anderen Benutzern.“

Während man bei Musik den Gegensatz zwischen Mainstream und Nische mit Pop versus Death Metal illustrieren könne, sei die Entsprechung im Filmbereich beispielsweise Hollywood vs. (europäische) Indie-Produktionen und bei Büchern Besteller-Romane wie Harry Potter vs. Sachbücher zu bestimmten Hobbys, so der Experte.

Handfeste wirtschaftliche Auswirkungen
Ganz ist man sich laut Kowald noch nicht einig, wie man Fairness definiert und wo der Aspekt wichtig oder unwichtig ist. Die Popularitätsverzerrung könne jedenfalls handfeste wirtschaftliche Auswirkungen haben, zum Beispiel wenn (noch) unpopuläre oder neue Bands von den Systemen eher ignoriert werden. Der Fairness-Gedanke könne aber auch viel weiter gedacht werden, etwa hinsichtlich der Geschlechter.

„Man kann auch insofern fair sein, als dass man weibliche Sänger gleich oft vorschlägt wie männliche“, sagte Kowald, wobei sich zwei Aspekte durchaus widersprechen könnten - Individuen und Gruppen: „Es ist also wirklich noch ein sehr spannendes Thema.“

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