Sensible Maschine

Künstliche Haut: Dieser Roboter kann fühlen

Elektronik
15.10.2019 10:22

Von der „kalten Maschine“ zum empfindsamen Roboter: Wissenschaftler der TU München haben ein von biologischen Vorbildern inspiriertes System aus künstlicher Haut und Steuerungsalgorithmen entwickelt. Dadurch konnte erstmals ein menschengroßer autonomer Roboter großflächig mit künstlicher Haut versehen werden, die es ihm erlaubt, seinen Körper und seine Umgebung zu fühlen. Für den engen Kontakt mit Menschen sei das entscheidend, so die Forscher.

Die von Gordon Cheng, Professor für Kognitive Systeme an der TU München, und seinem Team entwickelte künstliche Haut setzt sich aus sechseckigen Zellen zusammen, die etwa die Größe einer Zwei-Euro-Münze haben. Jede ist mit einem Mikroprozessor und Sensoren ausgestattet, die Berührung, Beschleunigung, Annäherung und Temperatur messen. Dadurch können Roboter ihre Umwelt detaillierter und feinfühliger wahrnehmen, was ihnen nicht nur dabei hilft, sich sicher zu bewegen, sondern auch dafür sorgt, dass die Maschinen sicherer im Umgang mit Menschen sind und Unfälle aktiv vermeiden können.

Rechenaufwand um bis zu 90 Prozent reduziert
Das größte Hindernis bei der Entwicklung von Roboterhaut war bislang Rechenkapazität. Die menschliche Haut hat rund fünf Millionen Rezeptoren. Will man die Daten aus Sensoren in künstlicher Haut permanent auswerten, werden schnell Grenzen deutlich. Bisherige Systeme waren schon mit Daten aus einigen Hundert Sensoren ausgelastet. Um dieses Problem zu lösen, wählten die Forscher einen NeuroEngineering-Ansatz. Sie überwachen Hautzellen nicht permanent, sondern nutzen ein sogenanntes ereignisbasiertes System. So lässt sich der Rechenaufwand um bis zu 90 Prozent reduzieren.

Der Trick: Einzelne Zellen geben Informationen ihrer Sensoren nur weiter, wenn Messwerte sich ändern. „Unser Nervensystem arbeitet ähnlich. Beispielsweise spüren wir einen Hut in dem Moment, in dem wir ihn aufsetzen, gewöhnen uns aber schnell an ihn. Da es keine Notwendigkeit gibt, den Hut permanent zu beachten, werden wir erst wieder auf ihn aufmerksam, wenn er uns vom Kopf weht. Unser Nervensystem kann sich dadurch auf neue Eindrücke konzentrieren, auf die der Körper reagieren muss“, erläutert die TU in einer Mitteilung.

13.000 Sensoren
Durch diesen ereignisbasierten Ansatz konnte erstmals ein menschengroßer autonomer, nicht auf externe Berechnungen angewiesener Roboter mit künstlicher Haut ausgestattet werden. Der Roboter H-1 ist mit insgesamt 1260 Zellen und dementsprechend mehr als 13.000 Sensoren an Oberkörper, Armen, Beinen und sogar auf den Fußsohlen ausgestattet, die für ein neues „Körpergefühl“ sorgen. Beispielsweise hilft die Haut auf den Fußsohlen H-1, auf Unebenheiten im Boden zu reagieren und sogar auf einem Bein zu balanciere

Durch die Haut ist H-1 zudem in der Lage, einen Menschen sicher zu umarmen. Das sei weniger trivial als es klinge, so die Forscher: Roboter könnten Kräfte ausüben, die Menschen schwer verletzen würden. Bei Umarmungen habe ein Roboter an vielen verschiedenen Punkten Kontakt mit einer Person und müsse aus diesen komplexen Informationen sehr schnell die richtigen Bewegungen und den passenden Kraftaufwand berechnen. „In der Industrie mag das weniger wichtig sein, aber in Bereichen wie der Pflege müssen Roboter auf einen sehr engen Kontakt mit Menschen ausgerichtet sein“, erklärt Cheng.

Variabel und robust
Das Roboterhaut-System ist zudem besonders robust und variabel. Da die Haut nicht aus einem Stück, sondern aus Zellen besteht, ist sie auch dann noch funktionstüchtig, wenn einzelne Zellen ausfallen. „Unser System ist darauf ausgerichtet, problemlos und schnell mit allen möglichen Robotertypen zu funktionieren“, so Cheng. „Jetzt arbeiten wir daran, kleinere Hautzellen zu entwerfen, die in Zukunft in größeren Mengen hergestellt werden können.“

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