Vorsicht, Histamin!

Allergie oder Unverträglichkeit?

Gesund
04.04.2008 12:35
"Ich bin allergisch", hört man oft, wenn jemand z. B. Milch oder bestimmte Obst- oder Gemüsesorten ablehnt. Allergien auf Nahrungsmittel sind aber selten. Und wenn, dann treten sie meist als "Kinderkrankheit" auf, die von selbst verschwindet. Bei Erwachsenen handelt es sich meist um Unverträglichkeit (Intoleranz) von Nahrungsmitteln, mitunter als Begleiterscheinung von Pollenallergie.

"So vertragen Birkenpollenallergiker oft Äpfel, Nüsse und Sojaprodukte nicht, Beifußallergiker reagieren auf Sellerie und Petersilie mit Schwellungen von Lippen und Mundschleimhaut", berichtete der Wiener Allergologe Univ.-Prof. Dr. Reinhart Jarisch bei der Apothekertagung in Saalfelden (Salzburg). "Echte Allergien auf Nahrungsmittel mit Reaktionen im Darmtrakt sind selten, weil die Allergene von der Magensäure zerstört werden. Künftig könnten Allergien aber zunehmen, da der Verbrauch von Säurehemmern gegen Reflux ansteigt", glaubt Prof. Jarisch. 

Unverträglichkeit von Fruktose
Häufig ist eine Unverträglichkeit von Fruktose (Fruchtzucker), Histamin (an der Entstehung von Entzündungen beteiligt) oder Laktose (Milchzucker) schuld, wenn es im Bauch rumort. 

Der Unterschied zwischen Allergie und Unverträglichkeit: Allergie ist eine Überreaktion des Immunsystems auf bestimmte Bestandteile des Allergie-Auslösers. Dafür genügen geringe Mengen. Beispiel: Ein Patient verträgt keine Milch. Bei einer Unverträglichkeit reagiert nicht das Immunsystem (keine Antikörper im Blut nachweisbar), sondern es ist zu wenig eines Enzyms vorhanden, das den verursachenden Bestandteil der Unverträglichkeit abbaut. Im Falle von Milch ist zu wenig des Enzyms Laktase vorhanden. Geringe Mengen werden meist vertragen. Laktose- und Fruktose-Intoleranz können übrigens mittels Atemtest festgestellt werden. 

Die Dosis macht das Gift
"Die Dosis macht das Gift" passt auch bei Histamin-Intoleranz (HIT), von der etwa 200.000 Österreicher betroffen sind. Histamin ist eine körpereigene Substanz, die als Gewebehormon an verschiedenen Vorgängen beteiligt ist (Magensaftproduktion, Gefäßerweiterung, Nervenbotenstoff). 

Ist das Gleichgewicht zwischen Histamin und dem abbauenden Enzym (Diaminoxidase: DAO) gestört, können Kopfschmerzen, Müdigkeit Jucken, Brennen auf der Haut, Herzrasen, rinnende Nase geschwollene Unterlider, Hitzegefühl im Gesicht, Durchfall und Blähungen auftreten. 

Die „Gefahren-Liste“
Viele Nahrungsmittel enthalten Histamin. Alkoholische Getränke - besonders Rotwein - stehen da auf der "Gefahren-Liste" ganz oben. Histamin entsteht bei Reifungsprozessen, Haltbarmachung bzw. längerer Lagerung etwa auch in geräucherten Wurstwaren und Käse, Sauerkraut, Spinat, Schokolade usw. 

Fangfrischer Fisch enthält kein Histamin, wird er einige Tage gelagert oder ist er verdorben, können die Werte um das bis zu 13.000-Fache ansteigen! 

Erdbeeren, Zitrusfrüchte und Paradeiser enthalten zwar selbst kaum Histamin, kurbeln aber die Freisetzung im Körper an. Bei vermuteter HIT wird der Histamin-Spiegel im Blut gemessen und Histaminfreie Diät eingesetzt (Reis-Erdäpfel), um zu testen, ob sich die Beschwerden bessern. 

Übrigens weist etwa ein Viertel der Patienten mit Nesselausschlägen (Urticaria) oder Neurodermitis eine Histamin-Unverträglichkeit auf. Wenn sich z. B. bei Kindern nach Verzehr von Ketchup oder Spinat das Gesicht stark rötet, ist das ein Hinweis. 

Seekrankheit durch Histamin
Wer unter Seekrankheit leidet, hat dies ebenfalls dem Histamin zu verdanken, wie Studien zeigen. Durch den Bewegungsstress wird die Substanz nämlich vermehrt ausgeschüttet. 

Histaminfreie bzw. -arme Diät kann da vorbeugend helfen. "Ebenso die Zufuhr von Vitamin C in Form von Kau- oder Lutschtabletten, das die Histaminwerte absenkt und das Risiko für Übelkeit und Schwindel reduziert", rät Professor Jarisch. 

Wenn sich Frauen wundern, dass sie plötzlich nicht mehr unter Heuschnupfen, Asthma oder Migräne leiden und der Arzt eine Schwangerschaft feststellt, hat dies eine einfache Erklärung. Prof. Jarisch: "Die Placenta produziert das Histamin abbauende Enzym DAO in großen Mengen, um die Gebärmutter vor histaminhaltigen Speisen, welche die Mutter vielleicht isst, zu schützen. Denn unter Histamineinfluss zieht sich der Uterus zusammen, was das Kind gefährden würde."

Eva Rohrer, Kronen Zeitung

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