User ausgeforscht

App undicht: So kam Erdogan zu Verhaftungslisten

Web
05.08.2016 11:54

Wie hat es der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geschafft, nach dem misslungenen Putschversuch Mitte Juli binnen Stunden Verhaftungslisten mit Zehntausenden Namen vorzulegen? Diese Frage stellen sich internationale Beobachter seit Wochen. Nun gibt es eine Antwort: Offenbar stammen die Namen der Verdächtigen aus einer von mutmaßlichen Putschisten genutzten Messenger-App.

Die türkischen Behörden hatten die hierzulande relativ unbekannte Messenger-App ByLock unterwandert, berichtet die britische TV-Anstalt BBC. Die App soll von zahlreichen mutmaßlichen Putschisten verwendet worden sein. Als sie Wind davon bekamen, dass Erdogan-treue Kräfte die Anwendung unterwandert hatten, stellten sie die Nutzung der App zwar ein, doch Erdogans Ermittler hatten bereits 40.000 Verdächtige identifiziert und Namenslisten angelegt.

Experten nennen unterwanderte App "amateurhaft"
Wie viele Details des misslungenen Militärputsches erscheint auch die Kommunikation dilettantisch. Während mit Anwendungen wie dem unter anderem von IS-Terroristen genutzten Telegram oder Signal professionelle verschlüsselte Messenger zur Verfügung stehen, haben sich die mutmaßlichen Putschisten in der Türkei auf eine App verlassen, die Experten im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters als "amateurhaft" bezeichneten. Es dürfte ein Leichtes für die türkischen Behörden gewesen sein, ByLock zu unterwandern.

"Daten haben ermöglicht, ihr Netzwerk zu enttarnen"
Das Netzwerk der mutmaßlichen Putschisten - in der Türkei geht man davon aus, dass sie eine Verbindung zum im US-Exil lebenden einstigen Erdogan-Weggefährten und Prediger Fethullah Gülen haben - konnte mithilfe der Daten fast vollständig enttarnt werden, heißt es in dem Bericht. Ein türkischer Ermittler: "Die ByLock-Daten haben es uns ermöglicht, ihr Netzwerk zu enttarnen - zumindest große Teile davon. Ich kann sagen, dass eine große Zahl von Menschen, die via ByLock identifiziert wurden, direkt in den Putschversuch involviert war."

"ByLock so undurchsichtig wie der restliche Putsch"
IT-Sicherheitsexperten sehen die Angaben aus der Türkei dennoch kritisch. Andrea Teti, ein IT-Experte der Universität Aberdeen, sagt im Gespräch mit der BBC: "Die Nutzung von ByLock ist so undurchsichtig wie der restliche Putsch." Die App sei gegenüber etablierten Alternativen wie Signal, das etwa von Journalisten und Whistleblowern zur verschlüsselten Kommunikation genutzt wird, eine eigenartige Wahl. Hinzu komme, dass unter den Zehntausenden ByLock-Nutzern, die auf Erdogans Listen stehen, potenziell Unschuldige gelandet sein könnten, die mit dem Putsch gar nichts zu tun haben.

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