Ex-NSA-Analyst:

“Es gibt Alternativen zur Datensammlung”

Web
08.03.2016 09:14

Es gibt technische Alternativen zum massenhaften Sammeln von Daten, die bessere geheimdienstliche Ergebnisse liefern können - davon ist der Ex-NSA-Analyst William Binney überzeugt. Alles zu erfassen könne dasselbe bewirken, wie überhaupt keine Überwachung zu betreiben: dass man Bedrohungen nicht zeitgerecht stoppe. "Die beiden Extreme haben denselben Effekt", so Binney.

"Wer ist es in jeder Geheimdienstoperation, der eine bevorstehende Bedrohung entdecken und Leute davor warnen kann, bevor sie eintritt? Das sind die Analysten, nicht die Manager." Auch die Ingenieure, Computerwissenschaftler oder Vertragsfirmen könnten das nicht leisten, sagt Binney. "Und wenn Ihre Analysten sagen: 'Ich werde daraus nicht schlau, ich weiß nichts, weil es zu viel gibt, das anzuschauen ist' - dann haben Sie ein Problem."

Bei der Geheimdienstarbeit gehe es darum, Intentionen und Möglichkeiten potenzieller Gegner vorherzusagen, "damit man etwas tun kann, um sie zu stoppen", sagt Binney - und nicht, beispielsweise nach einem Anschlag herauszufinden, wer die Täter waren und wer mit ihnen in Verbindung stand, "denn dann sind die Leute schon tot". Das sei im Grunde der Job eines Forensikers, "ein Polizei-Job".

Die vielen Daten, die man habe, im Nachhinein zu nützen, sei genau der falsche Weg. Stattdessen brauche es eine zielgerichtetere Herangehensweise schon bei der Datensammlung, wie es das von ihm Ende der 1990er-Jahre mitentwickelte Programm ThinThread leisten sollte, das letztlich von der NSA-Führung zugunsten des Programms Trailblazer verworfen wurde.

Letzteres sei ein "kompletter Fehlschlag" gewesen, der nie irgendetwas produziert habe "außer hübsche, bunte Powerpoint-Folien", sagt Binney, der die NSA Ende Oktober 2001 verlassen hat. Seine Erfahrungen mit ThinThread stehen auch im Mittelpunkt des Dokumentarfilms "A Good American"(Trailer oben), der am Donnerstag bei der Diagonale Premiere feiert und am 18. März in die österreichischen Kinos kommt.

Wörter ohne Kontext bedeutungslos
Wenig hält Binney auch von einer alleinigen "Wörterbuch"-Suchmethode: "Wörter bedeuten nichts, wenn man den Kontext und die Bedeutung und die Beziehung zu anderen Menschen auf der Welt nicht kennt." Wenn man zum Beispiel "wie ein Nachrichtenreporter über Al-Kaida spricht und darüber, dass Menschen getötet werden, dann werden alle diese Wörter auf der Liste aufscheinen, aber es hat nichts damit zu tun. Worauf es ankommt, ist, dass man zuerst den Kontext hat, und dann bedeuten die Wörter etwas."

Der Fokus müsse laut dem Mathematiker daher auf diesen sozialen Kontext und Netzwerke gerichtet sein. Als Beispiel nennt er eine Telefonnummer, die auf dem Computer eines bekannten Terroristen entdeckt worden ist. Wenn man diese auf eine Zielliste setze, könne man die Gemeinschaft rundherum sichtbar machen und näher untersuchen. All das könne automatisiert und auf eine Art und Weise erfolgen, die die Privatsphäre Unschuldiger schütze, argumentiert Binney.

"Warum sollte man all diesen Müll aufnehmen?"
Statt massenhaft Daten zu sammeln und zu speichern, könne man so gleich bei der Erfassung nach bestimmten Kriterien eine Auswahl treffen. "Warum sollte man all diesen Müll aufnehmen? Geheimdienstlich ist das Müll. Es macht nur den Arbeitsaufwand verworren und diffus und bringt einen zum Scheitern." Schon allein aus dem Blickwinkel der Produktion von Geheimdienstmaterial sei das also nicht sinnvoll. "Wenn man Menschen kontrollieren will, Regierungen manipulieren, Leute, die Industrie, was auch immer manipulieren, dann nimmt man all diese Daten auf, dann macht es das alles möglich."

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