EU-Urheberrecht

Zahlen wir bald Lizenzgebühren für Gebäudefotos?

Web
03.07.2015 11:12
Am 9. Juli soll im Europaparlament die Entscheidung fallen, ob eine EU-weite Urheberrechtsreform in die Wege geleitet werden soll, die vorsieht, dass etwa Architekten finanzielle Ansprüche bei im Netz veröffentlichten Fotos ihrer Gebäude geltend machen können. Zuletzt hieß es aus Parlamentskreisen zwar, dass ein Großteil der Abgeordneten gegen die Änderung sei, Lobbyisten versuchen aber, ihren Standpunkt zu ändern.

Auch der österreichische ÖVP-Europaabgeordnete Heinz Becker kündigte an, gegen eine Änderung zu stimmen. "Der Vorschlag der Liberalen ist ganz einfach Blödsinn und hat keine Chance auf eine Mehrheit", heißt es in einer Aussendung aus Brüssel. "Facebook-Fotos von Schönbrunn bleiben deshalb weiter möglich. Wer kreativ ist oder etwas erfindet, muss davor geschützt werden, dass andere seine Werke kommerziell ausbeuten. Dieser Vorschlag ist aber völlig überschießend und daher rundweg abzulehnen", betonte Becker.

Reform könnte Freiheit des Straßenbildes einschränken
Das Urheberrecht könnte in seiner überarbeiteten Form unter anderem eine europaweite Änderung der Panoramafreiheit beinhalten. Diese besagt, dass geschützte Werke (in der Regel Gebäude und Skulpturen) an öffentlich zugänglichen Plätzen fotografiert oder gefilmt werden dürfen und das Material auch für den kommerziellen Gebrauch verwendet werden kann. In Österreich existiert diese Regelung als Freiheit des Straßenbildes und ist etwas lockerer als in anderen EU-Staaten, während in manchen Ländern der Union ein solches Gesetz gänzlich fehlt, etwa in Frankreich und Italien.

Gesetzeslage in Österreich derzeit sehr liberal
"Die Gesetzeslage ist in Österreich sehr liberal, so fallen Aufnahmen vom Gebäudeinneren genauso darunter wie Bilder von außen", so Urheberrechtsexperte Michel Walter. Auch Aufzeichnungen von privatem Eigentum im öffentlichem Raum sind erlaubt, solange es nicht mehr durch die Schutzfrist geschützt ist, die 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers verfällt. Falls es zu einer Einschränkung der Freiheit des Straßenbildes kommen sollte, würde dies eventuell auch die Arbeit von Dokumentarfilmern und der Presse erschweren.

Vorschlag würde Facebook-Uploads erschweren
Wer ein Foto oder Video eines geschützten Gebäudes kommerziell verwenden will, müsste nach dem Vorschlag der EU-Abgeordneten künftig die Architekten oder deren Nachfahren um Erlaubnis fragen. Auch das Hochladen von Inhalten auf Plattformen wie Facebook würde komplizierter werden, auch wenn die Nutzung durch den einzelnen User und für den Eigengebrauch erlaubt sei, so Walter. Facebook behält sich nämlich vor, Bilder und Videos weiterzuverwenden, was unter kommerzielle Nutzung fallen würde.

Schloss Schönbrunn kritisiert Reformvorschlag
Für das Schloss Schönbrunn würde eine mögliche Änderung der Gesetzeslage keine Verschärfungen nach sich ziehen. "Schönbrunn ist für Touristen immer frei, und das wird auch in Zukunft so bleiben. Es ist uns wichtig, dass die Leute Schnappschüsse machen können", meinte der Geschäftsführer der Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft, Franz Sattlecker.

"Auch wenn wir wissen, dass Fotos vom Schloss zu Postkarten gemacht werden, haben wir nie dagegen Einspruch erhoben - und das werden wir auch in Zukunft nicht tun. Das ist für uns wichtige Promotion." Innerhalb des Schlosses darf schon jetzt nicht fotografiert werden, dies hat jedoch laut Sattlecker mehr mit einer Beeinträchtigung der Besuchererfahrung zu tun als mit urheberrechtlichen Einwänden. "Wir haben das einmal für zwei Tage versucht, der Betrieb wurde dadurch jedoch zu langsam, die Leute standen sich beim Fotosschießen im Weg."

"Änderung wird von Lobbys betrieben"
Der Vorsitzende der Privatstiftung Hundertwasser Joram Harel sieht die Einführung einer EU-weiten Richtlinie nicht im allgemeinen Interesse: "Ich sehe keinen Bedarf für die Änderung des Urheberrechts hinsichtlich einer Einschränkung der Freiheit des Straßenbildes", so Harel. "Das Urheberrecht kennt in dieser Hinsicht international ähnliche Bestimmungen, warum sollte es in der EU nun anders sein? Diese Änderung wird von Lobbys betrieben, die nur das eigene Interesse verfolgen, nicht das der Allgemeinheit."

Gegen die Änderung haben sich auch Journalistenverbände, Netzaktivisten und Wikipedia-Unterstützer ausgesprochen. Das EU-Parlament will am 9. Juli darüber abstimmen, doch der eigentliche Vorschlag für ein neues Gesetz (EU-Richtlinie) kommt erst von der Kommission. Dieser wird im Herbst erwartet.

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