Berauschende Klänge

Internetportal bietet Drogen zum Hören an

Web
11.08.2010 13:47
Nicht beim Dealer ums Eck, sondern neuerdings auch übers Internet können sich "Junkies" ihren Stoff besorgen. Der wird nicht geschluckt, geraucht oder gespritzt, sondern in Form von angeblich berauschenden und aufputschend wirkenden Musikdateien heruntergeladen, um anschließend per Kopfhörer konsumiert zu werden. Mit Folgen, vor allem jedoch für den Geldbeutel.

"Okay, das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen blöd an, aber diejenigen unter euch, die den Film 'Avatar' gesehen haben, kennen diese blauen Menschen. Sie heißen Na'vi und ich finde sie sehr attraktiv (obwohl ich natürlich weiß, dass sie nicht existieren). Also: Ich hörte gerade die 'First-Love'-Dosis und hatte dann plötzlich dieses wunderbare Gefühl. Es war eine Kombination aus Lust und Freude, Angst und Erwartung. Und ich hatte diese Bilder in meinem Kopf, wie ich von einer Na'vi geküsst werde. Es war absolut umwerfend", beschreibt Ryan seinen akustischen Höhenrausch im Internet.

Er ist damit nicht allein: Auf der Website von "i-Doser", dem nach eigenen Angaben führenden Anbieter von Hör-Drogen, finden sich Hunderte Eintragungen angeblich echter und vor allem zufriedener Kunden. Fast alle geben an, zunächst skeptisch gewesen zu sein, doch nach den ersten Lachanfällen und Gefühlen der Gelöstheit bis hin zur sexuellen Erregung zeigten auch sie sich von "i-Doser" überzeugt.

Lukratives Geschäft
Für die Macher, laut Website ein im Untergrund agierendes Team von Musikern und Akustik-Fachkundigen, ein lohnendes Geschäft: 200 bewusstseinserweiternde Sounds und Musikstücke stehen im Angebot, über eine Million Mal sollen sie schon heruntergeladen worden sein. Den schnellen Audio-Fix gibt es bereits für umgerechnet 2,50 Euro, wer möchte, dass es etwas mehr knallt, muss bis zu 199,95 Euro berappen. Der spezielle Stereo-Kopfhörer, von den Anbietern getestet und für rauschtauglich empfunden, ist darin allerdings noch nicht enthalten und schlägt mit weiteren 15 bis 343 Euro zu Buche.

Unterteilt sind die berauschenden Songs in die unterschiedlichen Wirkungen, die sie beim Hörer angeblich hervorrufen sollen. Demnach wirken die Klänge nicht nur aufputschend oder sexuell stimulierend, sondern können auch bei Schlafstörungen oder dem Abnehmen behilflich sein. Eine der teuersten Drogen, "Hand Gottes" genannt, wird jedoch nur streng kontrolliert verabreicht, zu mächtig soll ihre Wirkung sein.

Tiefe Einsichten durch "die Hand Gottes"
Lediglich fünf Personen hätten den Trip – der wie alle Angebote Nutzern ab 18 Jahren vorbehalten ist - bislang gewagt und von "flatternden Augenlidern, Ringen aus Licht, fast übernatürlicher Hellsichtigkeit und großer Einsicht berichtet". Dass alles hat der Website nach jedoch auch seinen Preis: Neben Angst könnte der tonale Höhenflug auch eine plötzliche Selbsterkenntnis mit sich bringen, die zum Sinnesverlust führe. "Du musst dir dessen bewusst sein, dass große Einsicht schlimme Konsequenzen nach sich ziehen kann."

An derlei Hokuspokus glaubt Brigitte Forgeot allerdings nicht, wie sie gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP schildert. Die Pariser Neuropsychologin hat eine wissenschaftliche Arbeit über die klinischen und neuropsychologischen Wirkungen der "Drogen zum Anhören" verfasst und weiß, was hinter sogenannter "Binaural Brainwave Software" (beidohrige Gehirnwellen-Software) steckt. Dabei werden in beide Ohren Tonpaare übertragen, die zwar ähnlich sind, deren Frequenz sich aber unterscheidet.

Keine Suchtgefahr, aber Nebenwirkungen
Dank dieser Methode, so Forgeot, könne die Hirnaktivität gezielt beeinflusst werden, worauf im Hirn langsame Aktivitätswellen zur Entspannung oder schnelle Wellen zur Förderung von Konzentration und Aufmerksamkeit erzeugt würden. Ein Suchtpotential haben die Hör-Drogen laut Forgeot aber nicht. Es trete kein Gewöhnungseffekt ein und der Konsument verspüre auch nicht den Drang, die Dosis zu erhöhen. Die Wirkung ende außerdem sofort, wenn die Töne abgeschaltet würden.

Allerdings könne der langfristige Konsum von Hör-Drogen wie bei Psychopharmaka auch Schlafstörungen oder Angstzustände verursachen, warnt die Neuropsychologin vor den Folgen. Dann doch lieber "normale" Musik hören – die macht auch gute Laune und ist noch dazu (von Taubheit wegen zu hoher Lautstärke einmal abgesehen) völlig bedenkenlos.

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