Offene Gewalt

BMW M3 Cabrio: Von “uh! uh!” bis Schöngeist

Motor
14.01.2009 12:07
„Geben Sie für uns mal ein bisschen Gahaas?“ Die Schulklasse, die zufällig da ist, als ich den BMW M3 Cabrio abhole, alles etwa elf- bis zwölfjährige Buben, ist komplett aus dem Häuschen. Sie zücken ihre Handykameras und fotografieren, den Motorsound nehmen sie auch auf. Sie freuen sich wie an Weihnachten. Was sie nicht wissen: Ich freue mich noch viel mehr!
(Bild: kmm)

Unter der Haube schnurrt leicht metallisch der sensationelle V8, der mit seinen 420 PS sogar die Haube wölbt. Bei niederen Drehzahlen noch unauffällig, klingt er bei hohen wie ein Tourenwagenwolf, der Kreide gefressen hat (Einwurf der Beifahrerin: „Der klingt nicht wie ein Auto!“). Hoch heißt: bis zu 8.400 U/min.!

Puristen rümpfen demonstrativ die Nase ob eines Supersportcabrios. Ja okay, der Hundertersprint dauert mit 5,3 Sekunden eine satte halbe Sekunde länger als im Coupé, schließlich wiegt der offene dank seines Blechfaltigkeitsdaches statt 1.655 kg immerhin 1.810 kg, während beim Coupé gerade beim Dach (das weltweit erste Seriendach aus Carbon) Gewicht gespart wird (5 Kilo). Aber das Cabrio ist die ideale Synthese aus Rundkurs zum Spaß und Flanieriertheit auf den entsprechenden Meilen dieser Welt. Bei offenem Dach sieht man das Grinsen im cabriogebräunten Gesicht des Fahrers besser, blass werden die anderen, die glauben, sich messen zu müssen. Und - auch nicht zu verachten – bei offenem Dach hört man den Motor besser.

Sensationelles Doppelkupplungsgetriebe mit Lustknopf
Das Testcabrio hat neben dem Motor noch ein weiteres Schmankerl zu bieten: das sogenannte „M DKG mit Drivelogic“ und „M Drive“, also das neue 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, vereint mit allerlei bösen Einstellungen, die den M3 peu á peu mehr zum Rennwagen machen. Im Menü lassen sich Motorkennlinie, Lenkung, Fahrwerk und DSC (also ESP) stufenweise einstellen und alle Einstellungen gebündelt per Lustknopf am Lenkrad abrufen. Am Beginn der Passstraße oder auch nur für drei schöne Kurven den Knopf drücken, schon fließt eine Extraportion Endorphine. Danach wieder Knopf drücken, und nix is‘ gscheng! Zusätzlich finden sich neben dem putzigen DKG-Schalthebelchen drei Knöpfe, mit denen einige Einstellungen direkt getätigt werden. Zusätzlich einer, mit dem man dem Getriebe fein gestuft vorgeben kann, wie weit die Gänge ausgedreht werden sollen.

Ohne Quietschen über die Rennstrecke
Das Erstaunliche: Auch in der sportlichsten Fahrwerkseinstellung bricht es einem auf schlechten Straßen nicht das Kreuz, was sicher auch mit den sehr bequemen Ledersportsitzen zu tun hat, die natürlich (vor allem mit einstellbarer Lehnenbreite) besten Seitenhalt gewähren. Dennoch pickt der M3 mit seinen 265er bzw. 245er Pirellis auf der Straße, dass es eine Freude ist. Auf dem Wachauring in Melk war die Vorgabe, die Reifen aus Lärmschutzgründen nicht zum Quietschen zu bringen („…sonst kommt die Polizei, die waren heute schon mal da…“). Was sich zunächst nach Spaßbremse anhört, ist eigentlich eine Herausforderung und zeigt außerdem, wie gut das M3-Cabrio wirklich liegt, auch wenn man das hohe Gewicht natürlich merkt. Der Grenzbereich ist weit draußen und kommt auch nicht überraschend. Für 420 PS an der Hinterachse ist es erstaunlich gutmütig. Und sogar Nicht-Rennfahrer brauchen keine Angst zu haben, dass sie von der Leistung überfordert werden, solange sie das DSC nicht ganz abschalten. Was auch nicht nötig ist, denn in der sportlichsten Einstellung versteht es sehr viel Spaß, und das Sicherheitspolster ist einfach gut für die Nerven.

Von „Uh! Uh!“ bis Schöngeist
Auf jeden Fall spricht der M3 das archaische „Uh! Uh!“ im Mann an, ich weiß nicht, ob sich die Fahrt in diesem BMW mehr auf das Adrenalin oder das Testosteron auswirkt. Das Cruisen in der Sonne weckt wiederum die schöngeistige Komponente (wobei man zum Cruisen einen durchaus starken Charakter braucht, damit man die Beifahrerin nicht unvermittelt mit einem überraschenden Gasstoß verstört. Es geht einfach gewaltig was weiter, wenn man den Gasfuß nach unten drückt, die Fliehkraft zieht die Mundwinkel je nach psychischer Voreinstellung entweder nach oben oder nach unten.

Bei einem Testwagenpreis von 108.000 Euro muss man wohl nicht aus Kostengründen über den Verbrauch reden, erwähnt werden soll trotzdem, dass man schon Asket sein muss, um sich im Stadtverkehr von oben an die 20 Liter anzunähern; weit drunter kommt man generell nicht, weit drüber dafür leicht. Aber aus purer Vernunft wird man zum M3 sicher nicht greifen. Da gibt es bessere Gründe. Garantiert.

Warum?

  • Weil er so ein geniales Technikspielzeug für große Buben ist.
  • Weil er Freude in die Welt bringt – die Leute freuen sich, wenn sie ihn als M3 erkennen.
  • Weil Motor und Getriebe ein Wahnsinn sind.
  • Weil man für ähnlich viel Spaß (oder weniger) anderswo teilweise das Doppelte zahlt.

Warum nicht?

  • Weil das Cabrio für echte Sportambitionen einfach zu schwer ist.
  • Weil ich mich nicht traue, meine Bank zu fragen.

Oder vielleicht doch …

  • ... die Bank fragen und die Tochter eines Tankstellenbesitzers anbraten.

Stephan Schätzl
Bericht vom 24.6.2008

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(Bild: kmm)



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