Das letzte Drittel aus der Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung krallt sich zumindest die nächsten Jahre wieder der Staat. Das bringt bis 2029 voraussichtlich 3,3 Milliarden Euro. Für viele Steuerzahler sind es mehrere Hundert Euro im Jahr.
Es ist nur eine Zeile im Regierungsprogramm, doch sie wird die Steuerzahler in den nächsten Jahren viel Geld kosten: Es geht um die teilweise Wiedereinführung der Kalten Progression, die wohl über die ganze Legislaturperiode geplant sein dürfte. Damit kämpft die Regierung gegen die Budgetnöte an und greift dabei zu einer Maßnahme, die alles andere als eine Entlastung des Faktors Arbeit ist, im Gegenteil.
Kalte Progression ist schleichende Mehrbelastung
Über lange Zeit hat diese schleichende Steuererhöhung Jahr für Jahr Kaufkraft verschlungen. Denn ohne Inflationsanpassung der Steuerstufen entsteht bei Gehaltserhöhungen eine Mehrbelastung: Arbeitnehmer „rutschen“ dann in höhere Steuerstufen. Obwohl das Bruttogehalt dank KV-Erhöhungen steigt, bleibt dadurch netto weniger zusätzlich übrig.
2022 entschied sich die damalige Regierung aber, diese Ungerechtigkeit zu beenden und feierte sich dafür ab. Doch es gab einen Haken: Die Steuerstufen werden nämlich seither nur zu zwei Drittel mit der Teuerung indexiert, über das dritte Drittel verfügt der Staat. Es hieß, das Geld käme auch den Arbeitnehmern zugute. Das wurde auch so gehandhabt. Damals profitierten untere Steuerstufen mehr als obere.
Staat profitiert mit höheren Einnahmen
Doch, jetzt in der Budgetnot, greift der Fiskus genau bei diesem Drittel zu. „Bis 2029 sind das 3,3 Milliarden Euro, die sich der Staat damit holt“, so Dénes Kucsera vom Thinktank Agenda Austria. „Ohne Anpassung frisst jeder Prozentpunkt Inflation 400 Millionen Euro weg“, so der Ökonom – zwei Drittel davon werden abgegolten, ein Drittel bleibt in Zukunft wieder „hängen“.
Heuer sind es rund 362 Millionen Euro, die Arbeitnehmer verlieren, nächstes Jahr schon 675 Millionen Euro, im Jahr 2028 werden es 989 Millionen Euro sein, 2029 dann 1,3 Milliarden Euro – wohlgemerkt, nicht kumuliert, sondern jeweils. „Arbeitnehmer nehmen die Verluste Jahr für Jahr mit, am Ende kommt so einiges zusammen“, erklärt Kucsera.
Für den einzelnen Beschäftigten hat das folgende Auswirkungen (siehe Grafik): Wer 2000 Euro brutto verdient, verliert bis 2029 in Summe 256 Euro. 2026 sind es 28 Euro, das Jahr darauf dann 54 Euro, 2028 dann 76 Euro und 2029 schließlich 98 Euro. Ein Gutverdiener mit 5000 Euro Monatsbrutto hat eine Mehrbelastung von 720 Euro, 2026 sind es 80 Euro. Ausschlaggebend ist immer die Inflation von Juli bis Juni des Folgejahres. Die Agenda Austria nahm bei der Berechnung die vom Wifo prognostizierten Inflationsraten an.
Forderung nach einer kompletten Abschaffung
Experte Kucsera plädiert dafür, die Kalte Progression künftig komplett abzuschaffen, zumal der Staat auch ohne dieser in Einnahmen schwimmt. „Wir haben bei der teilweisen Abschaffung davor gewarnt, dass der Staat willkürlich über das dritte Drittel verfügen kann.“ In der Schweiz wurde die Kalte Progression schon länger vollständig abgeschafft.
Dass bisher so gut wie jede Steuerreform die „größte Steuerreform aller Zeiten“ war, hängt übrigens auch mit der Kalten Progression zusammen. Denn meist wurde mit neuen Steuerstufen der Effekt der schleichenden Erhöhung im Nachhinein korrigiert. Vielleicht steht die nächste Rekord-Steuerreform daher in ein paar Jahren schon wieder bevor ...
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