Pommers Feierabend

Der Gipfel der Unverfrorenheit

Pommer am Abend
10.02.2022 15:28

Einen schönen Donnerstagabend.

Als ich vor Ewigkeiten zur „Krone“ gekommen bin, das muss so im Mittelpaläolithikum gewesen sein, war ich sehr lange nicht auf Urlaub. Wie lange, werden Sie sich vielleicht fragen, vermutlich aber nicht, jedenfalls kann ich dazu nur den Blümel machen und antworten: „Ich weiß es nicht.“ Es ist wirklich schon sehr lange her, ich habe es vergessen, aber lange heißt lange. Ein neuer Job, Sie kennen das bestimmt, da springt man nicht bei der ersten Gelegenheit in die Badehose oder den Skianzug. Das geht, wie wir jetzt gelernt haben, nur als Bundeskanzler. Karl Nehammer ist nun seit 66 Tagen im Amt und schon zum zweiten Mal auf Winterfrische, er hat vermutlich öfter Schal getragen als Krawatte. Beim ersten Mal wurde er von der Piste weg entführt und zum Biertrinken in der vollen Hütte gezwungen, ein Foto der Kidnapper mit Geisel ging viral. Wegen dieser Kanzlerverschleppung verpasste Nehammer blöderweise das Neujahrskonzert. Jetzt unterbrach er die Pistengaudi nur, um SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch auf Twitter zu belehren. Er mache Urlaub mit der Familie, schrieb er, was bei der ÖVP ja ein dehnbarer Begriff ist, mitunter sogar eine Drohung.

Urlaub ist wichtig, Urlaub entspannt, aber Urlaub macht auch intellektuell faul. Wer zum Beispiel drei Wochen stupide am Strand hockt, büßt rund 20 Punkte seines Intelligenzquotienten ein, habe ich in einer Studie gelesen. Noch schlimmer ist es bei Schülern und den Sommerferien: Einer anderen Untersuchung zufolge waren sie bei den Rechtschreibkompetenzen nach vier Wochen wieder auf dem geistigen Niveau des Frühjahrs. Nix denken, nix Deutsch - das bleibt von zu viel Urlaub übrig. Heißt: Noch eine Woche Skifahren, und Karl Nehammer wird sich beim ÖVP-U-Ausschuss wirklich an nichts mehr erinnern können. Noch zwei, und er muss in eine Deutschklasse.

Dazu kommt, dass es schon auch etwas zu arbeiten gäbe im Bundeskanzleramt. In Wilbur, Washington, ist es verboten, auf einem hässlichen Pferd zu reiten. Sagen wir so, dieses Gesetz macht mehr Sinn als Österreichs dreiphasige Impflicht, die sich gerade vor unseren Augen auflöst. Bei der Impflotterie gibt es nur Verlierer. Die neusten Chats sind das Sittenbild einer verlotterten Politik. Täglich schreiben wir über Wienerinnen und Wiener, die sich nichts mehr leisten können, kein Fleisch, nicht die Miete, die Schulsachen für die Kinder, Kleidung, und natürlich auch keine Skiurlaube, Menschen, die den Gipfel der Armut erklimmen, während der Kanzler von einem anderen Grinsefotos postet. Wie gesagt: Urlaub ist wichtig, Urlaub entspannt, aber Urlaub macht auch intellektuell faul. Das betrifft die emotionale Intelligenz offensichtlich gleichermaßen.

Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.

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