Training für Ärzte

„Dummys“ auf dem OP-Tisch

Gesund
12.03.2018 06:00

An hochmodernen, dem Menschen nachempfundenen Puppen üben Mediziner im Landesklinikum Hochegg, im Notfall richtig zu reagieren und als Team effizient zusammen zu arbeiten.

Die Ärzte versorgen im Kreißsaal eine werdende Mutter. Plötzlich kollabiert die junge Frau – nun muss das Team schnell handeln. Anästhesist und Gynäkologe sprechen sich rasch ab, auch bei den anderen beteiligten Personen ist es nötig, dass in dieser Notsituation jeder Handgriff sitzt. Wie gehen die Ärzte nun am besten vor? Kaiserschnitt jetzt oder später? Was ist überhaupt die Ursache für die Krise?

Wer die Situation näher betrachtet, dem fällt auf: Die „Mutter“ ist aus Plastik, ebenso wie ihr Kind, das von den Ärzten gerade operativ entbunden wird. Es handelt sich um sogenannte „Manikins“, Simulatorpuppen, an denen Experten den Notfall trainieren. Im Landesklinikum Hochegg wurde das seit 2007 möglich gemacht, 2500 Mediziner haben solche sogenannten „kritischen Szenarien“ dort bereits unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt. Leiter und Gründer dieser doch recht speziellen Einrichtung des Landesklinikums Hochegg ist der Intensivmediziner Prim. Dr. Helmut Trimmel, der von den Anfängen erzählt: „Eigentlich kommt diese Methode aus der Luftfahrt. Für Piloten gilt es als ganz normal, regelmäßig an einem Simulator zu üben. Einen Menschen zu behandeln stellt sich allerdings noch viel komplexer dar als eine Boeing zu fliegen – warum deshalb nicht auch in realistischen Situationen trainieren?“

Währenddessen ist die Zerreißprobe im Kreißsaal bestanden, die Übungsteilnehmer schauen sich das während des Szenarios aufgezeichnete Video mit einem Instruktor an. Jede Aktion, jede Äußerung wird genau analysiert. Welche Fehler haben sich eingeschlichen? Wo liegt Verbesserungspotenzial? „Es geht nicht um das medizinische Problem an sich, wir gehen davon aus, dass hier alle ,Piloten‘ bereits ,fliegen‘ können“, schmunzelt Prim. Dr. Trimmel. „Im Sinne der größtmöglichen Patientensicherheit lernen die Trainierenden in kontrollierter Umgebung als Team einen guten Job zu machen.“

Zum Üben stehen verschiedene „Patienten“ mit einem Wert von je bis zu 80.000 Euro zur Verfügung: Ein Frühchen, ein Neugeborenes, ein Mann und eine Frau, die – wenn nötig – schwanger sein kann. Außerdem wurde eine Notfallaufnahme, ein OP-Saal (ein Training erfolgte sogar bereits am „Da Vinci Operationsroboter“) und eine Intensivstation nachgebaut. „Wirklich realistisch sehen die Manikins nicht aus“, gibt Prim. Trimmel zu. „Wichtige Faktoren wie etwa eine verfärbte, kalte oder warme Haut kann man an ihnen natürlich nicht beobachten. Trotzdem berichten die meisten Teilnehmer davon, dass sie nach kurzer Zeit in die Situation hineingezogen werden und alles im Moment sehr wirklichkeitsgetreu erscheint. Die Puppen muten dann gar nicht mehr so künstlich an.“ Noch lebensechter wird es, wenn Monitoring ins Spiel kommt. Es ist auch möglich, Parameter wie Sauerstoffsättigung oder Blutdruck zu messen. Prim. Trimmel: „Natürlich müssen wir manche Handlungen symbolisieren, zum Beispiel eine Kaiserschnitt-OP. Wichtig sind vielmehr die Zeitabläufe. Wir verbessern die Zusammenarbeit im Team und die Kommunikation.“ Denn diese kommt in Stressmomenten oft zu kurz. Durch die eingeengte Wahrnehmung in Krisensituationen hört man z. B. weniger gut, was dazu führen kann, dass Anweisungen einfach nicht oder zu spät befolgt werden. „Geübt wird deshalb etwa, dass auf jede Anordnung eine Rückmeldung zu erfolgen hat. Wichtig auch, um selbst in der größten Hektik zwischendurch kurz zu reflektieren und zuzuhören, damit gemeinsam ein Plan umgesetzt werden kann“, beschreibt Prim. Trimmel einige Strategien.

Logisch, dass ein einziger Übungstag nicht ausreicht, um das richtige Verhalten zu automatisieren. Der Experte würde ein Training pro Jahr deshalb für angemessen halten – Piloten begeben sich alle sechs Monate an den Simulator. Was den Verantwortlichen sehr freut: Für Anästhesisten ist diese Form der Fortbildung mittlerweile verpflichtend. Erwähnt werden muss natürlich auch, dass die medizinischen Dummys nicht nur in Notfalltrainings „dankbare Opfer“ darstellen. Zu einer anderen Art Simulation gehören Lernpuppen, an denen Techniken, etwa in der Chirurgie, geübt werden. Alle gemeinsam helfen sie mit, die Medizin sicherer zu machen.

Eva Greil-Schähs, Kronen Zeitung

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