Die rechtlichen Bestimmung müssten daher nicht durchgesetzt, sondern im Gegenteil grundsätzlich verändert werden, plädierte Kreutzer. "Wenn jeder sich an das Urheberrecht halten würde, würde es moderne Kreativität nicht geben."
Denn die heutige "Remix Culture" basiere mehr denn je auf der Basis vorher bestehender Schöpfungen. "Alte Kulturtechniken werden weiterentwickelt und gänzlich neue entstehen", so Kreutzer mit Verweis auf Sampling, Computerspiele und Grafik. "Diese Art von Kreativität widerspricht dem Grundgedanken des Urheberrechts: Übernehmen ohne Zustimmung und immer wieder öffentlich zugänglich machen" - das wäre also genau der gegensätzliche Ansatz von "All Rights Reserved". Jeder User wird zum Produzenten - eben nicht nur, wenn er idente Raubkopien von Musik oder Filmen verbreitet.
"Fair Use" aus den USA könnte vorerst Vorbild sein
Für die selbstständig kreative Weiterverwendung von geistigem Eigentum, das "transformative Werkschaffen", wünscht sich Kreutzer eine ähnliche Regelung wie im US-Copyright mit seiner "Fair Use"-Doktrin. Solange das neue Produkt die Vorlage nicht beeinträchtigt, sind solche Einbeziehungen in ein neues Werk zulässig. "Niemand kauft weniger Prince-Platten, weil eine Mutter für die Verwandten ihr Kind gefilmt hat und im Hintergrund Prince läuft", so Kreutzer.
Werk- statt Urheberschutz als langfristiges Ziel
Längerfristig würde allerdings auch so ein Passus nicht genügen: "Das Problem ist die individuelle Fokussierung auf die Interessen des Urhebers oder des Verwerters" - die auch den immer häufiger kollektiv entstandenen Schöpfungen nicht nutze. Stattdessen brauche es einen Paradigmenwechsel vom "Urheberschutz" oder "Verwerterschutz" zum "Werkschutz". Dann könne man sich "sehr viel leichter von der romantischen Idee des Schöpfers oder von der wirtschaftlichen Ideen des Verwerters lösen" und stattdessen die Interessen aller Beteiligten an der aktuellen oder zukünftigen Verwendung des Werks im Auge behalten.
"Der anonyme User hat keine Lobby"
Tatsächlich bestehe das Urheberrecht in seinen Grundzügen allerdings in derselben Form wie zu Anfang des 20. Jahrhunderts. "Was man macht, ist Feintuning, aber es kann nicht darum gehen, das Internet aufzuhalten und in das Konzept des damaligen Urheberrechts hineinzupressen", betonte Kreutzer und beklagte, dass "der anonyme User keine Lobby" habe. "Wir nennen einen großen Teil der Menschen Piraten - das kann nicht die Lösung sein." Ein geändertes Urheberrechtsgesetz, an das sich die breite Bevölkerung überhaupt wieder imstande sei zu halten, könnte durch die gewachsene Bedeutung immaterieller Güter im Internet dagegen sogar "das bürgerliche Gesetzbuch als wichtigstes Zivilgesetz ablösen".
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