Nach Boykott-Aufruf

Amazon verbannt WikiLeaks von US-Servern

Web
02.12.2010 09:06
WikiLeaks gerät in den USA immer stärker unter Beschuss. Die Enthüllungsplattform verlor den Zugang zu ihrem bisherigen US-Server und sucht jetzt eine Internet-Heimat in Europa. Ein prominenter US-Senator rief indes andere Länder und Unternehmen zum Boykott der Website auf. WikiLeaks-Gründer Julian Assange, der auf den Fahndungslisten von Interpol steht, soll sich nach einem Zeitungsbericht in Großbritannien aufhalten.

"WikiLeaks von Amazon-Server verdrängt. Freie Rede im Land der Freien", teilte WikiLeaks per Kurznachrichtendienst Twitter am Mittwoch (Ortszeit) mit. Kurz zuvor hatte der Online-Versandhändler Amazon die WikiLeaks-Dokumente von seinen Servern verbannt. Die Internetaktivisten hatten bei der Veröffentlichung der geheimen diplomatischen US-Depeschen auf den Amazon Web Service (AWS) zurückgegriffen, um die hohen Zugriffszahlen auf die Dokumente bewältigen zu können.

Per Twitter erklärte WikiLeaks zu dem Schritt weiter: "Prima - unsere Dollars werden nun ausgegeben, um Leute in Europa zu beschäftigen." Wenn Amazon solche Probleme mit der Redefreiheit habe, "sollten sie aufhören, Bücher zu verkaufen".

Senator drohte Amazon mit Boykott
Amazon habe die Nutzung seiner Server durch WikiLeaks gestoppt, nachdem Mitarbeiter von US-Senator Joe Lieberman Nachforschungen angestellt hätten, berichtete der US-Fernsehsender CNN unter Berufung auf das Büro Liebermans. Der Vorsitzende des Senatsausschusses für Heimatschutz hatte Amazon mit einem Boykott gedroht, berichtete der britische "Guardian". "Ich hätte mir gewünscht, dass Amazon diese Maßnahme angesichts der vorherigen Veröffentlichungen klassifizierter Informationen durch WikiLeaks früher ergreift", sagte der Senator.

Lieberman rief indes dazu auf, der Plattform auch in anderen Ländern die Nutzung zu Servern zu verwehren. "WikiLeaks' illegales, ungeheuerliches und rücksichtsloses Vorgehen setzt unsere nationale Sicherheit aufs Spiel und gefährdet rund um den Globus Leben", hieß es in einer Mitteilung des parteilosen Senators. "Kein verantwortungsbewusstes Unternehmen - ob amerikanisch oder ausländisch - sollte WikiLeaks bei seine Bemühungen helfen, gestohlenes Material zu verbreiten."

Assange in Großbritannien untergetaucht
WikiLeaks-Gründer Assange, der wegen Vergewaltigungsverdachts von den Behörden in Schweden gesucht wird, steht auf der Fahndungsliste von Interpol. Nach einem Bericht der Londoner Zeitung "The Independent" hält sich der 39-jährige Australier in Großbritannien auf, der genaue Ort sei dem Scotland Yard bekannt. Assange halte sich im Lande bedeckt, schreibt das Blatt auf seiner Website, "während seine Feinde sein Blut fordern". Der Internetaktivist hat die Ermittlungen in Schweden stets als Intrige seiner Gegner bezeichnet. Eine Sprecherin erklärte, Assange müsse um sein Leben fürchten. Es habe Drohungen von Regierungen und Kommentatoren gegeben. "Es gab sogar Rufe nach einer Ermordung von Julian Assange", sagte Kvristinn Hrafnsson in London.

Schlagabtausch zwischen Assange und dem Weißen Haus
Zwischen dem Weißen Haus und Assange entbrannte unterdessen ein heftiger Schlagabtausch. Der Sprecher von US- Präsident Barack Obama, Robert Gibbs, nannte es "lächerlich und absurd", dass Assange den Rücktritt von Außenministerin Hillary Clinton gefordert hatte, falls sie für jüngst bekanntgewordene Spionage-Aufforderungen an Diplomaten verantwortlich ist. "Ich bin nicht ganz sicher, warum wir uns um die Meinung eines Typen mit einer Website kümmern", so Gibbs. "Unsere Außenpolitik und die Interessen dieses Landes sind weit bedeutsamer als seine eine Website."

US-Datenbanken auf dem Prüfstand
Die US-Regierung stellt nun den Schutz ihrer Datenbanken umfassend auf den Prüfstand. Als Sonderbeauftragter sei der Vize-Direktor des Zentrums für Anti-Terror-Maßnahmen, Russell Travers, ernannt worden, teilte das Weiße Haus mit. Travers sei dafür verantwortlich, "notwendige Strukturreformen" zu entwickeln, die nach der Offenlegung der US-Botschaftsberichte durch die Internetplattform WikiLeaks nötig geworden seien. Das Weiße Haus will auch die Wege überprüfen lassen, wie die gesamte Regierung Informationen austauscht und schützt.

Die US-Regierung kündigte zudem an, für die Sicherheit von Informanten und Aktivsten sorgen zu wollen, sollten sie durch die WikiLeaks-Veröffentlichung in Gefahr geraten. "Wir haben alles unternommen, mit ihnen in Kontakt zu treten", sagte US-Außenamtssprecher Philip Crowley. "Wir stehen bereit, sie zu beschützen, wenn das notwendig werden sollte."

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