Handyüberwachung

Massive Datenschutz-Kritik an Gesetzes-Vorschlag

Elektronik
16.10.2007 21:20
Massive Kritik von Seiten des Nationalratsabgeordneten Peter Pilz und Datenschützern muss das Innenministerium für seine neuen Gesetzespläne einstecken. Das Platter-Ressort reichte einen Vorschlag zur Überarbeitung des Sicherheitspolizeigesetzes ein, der für Kritiker - salopp formuliert - einen Freibrief zum Abhören von Handytelefonaten ohne Gerichtsbeschluss bedeutet. Offiziell sollen der Einsatz von Technologie und erweiterte Befugnisse für Ermittler, die das Ministerium vom Nationalrat rechtlich fixiert haben möchte, dem Auffinden von Personen in Lebensgefahr dienen. Vermissten Wanderern zum Beispiel... Dass die schwammige Formulierung der Novelle Freiraum für Abhöraktionen gestattet, ruft jedoch Datenschützer auf den Plan.

Pilz bezeichnet den Gesetzesvorschlag in seinem Weblog (siehe Infobox) als „Spiel mit dem Feuer“. Wenn der Passus zum Paragrafen 53, Absatz 3a des Sicherheitspolizeigesetzes durchgehe, „dann geht alles“. Zuvor bemächtigte sich schon der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Karl Korinek, schärferer Rhetorik, als er einen der Gesetzes-Pläne des Innenministeriums mit dem Titel „Stasi-Methoden“ versah. Der Sager kam, als der Minister die viel zitierte Online-Durchsuchung (und zwar die, ohne Richtergenehmigung) auf Tapet brachte, die neben der Gesetzesnovelle das zweite, große Verlangen der Polizei nach digitalen „Arbeitsmitteln“ darstellt.  

Nun aber zurück zum Gesetzesvorschlag und der Handy-Abhörung: Konkret wünscht sich die Polizei erweiterte Informationspflicht seitens der Handynetzbetreiber und den Einsatz von bisher nur bei Ermittlungen mit Richtergenehmigung verfügbaren Abhör-Technologien, die im Gesetzesvorschlag aber nur auf ihre Funktion zur „Lokalisierung“ von Personen hin erwähnt werden. Auf derzeit geltender Gesetzesbasis müssen Netzbetreiber auf Anfrage von Ermittlern nur Name, Anschrift und Teilnehmernummer zu einem Handy (im Gesetz heißt es „Anschluss“) preisgeben. Nun sollen sie den Behörden auf Befehl „sonstige Kontaktinformationen“, nämlich Standortdaten sowie den digitalen Fingerabdruck einer SIM-Karte mitteilen. Im Gesetzesentwurf außerdem als „erforderlichenfalls technisches Mittel“ verankert: Die Zuhilfenahme eines so genannten „IMSI-Catcher“.

Eine IMSI („International Mobile Subscriber Identity“ oder auch „Mobilteilnehmererkennung“) ist der fünfzehnstellige Zahlencode auf einer SIM-Karte, der sie unverkennbar, weltweit einzigartig und ihren Besitzer in Verbindung mit den bei Netzbetreibern gespeicherten Stammdaten eindeutig identifizierbar macht. Ein „IMSI-Catcher“ ist im Wesentlichen eine umgebaute GSM-Sendeanlage in einem Lieferwagen, die sich zwischen eine Funkzelle (Teilbereich eines Handynetzes, vergleichbar mit einem Bezirk) und den mit der Funkzelle verbundenen Handys einklinkt und die ausgetauschten Datenpakete abfängt und ausliest, ohne dass Handy oder Besitzer etwas davon bemerken. Mit Datenpakete sind zum einen die IMSIs der mit der Funkzelle verbundenen („in die Funkzelle eingebuchten“) Handys gemeint und zum anderen die Daten, die gerade vom Handy zum „Mast“ übertragen und weiter ins Netz gespeist werden. Sprich: Mit dem IMSI-Catcher lassen sich alle Gespräche innerhalb einer Funkzelle und die digitalen Identitäten der Handys abfangen, mit denen man die Gespräche wiederum Personen zuordnen kann. Als kleiner Bonus kann das Gerät auch die GMS-Verschlüsselung abschalten, was das Abhören ungemein erleichtert, und: eine näherungsweise Ortung durchführen.

Das Problem, das die parteiischen, wie parteilosen Kritiker mit dem Gesetzesvorschlag haben: Es steht schlicht nicht drin, dass die Polizei IMSI-Catcher zum Abhören von Handygesprächen benutzen will. Oder besser gesagt: Dass sie IMSI-Catcher NICHT zum Abhören von Handygesprächen benutzen wird. Der IMSI-Catcher selbst wird nur im Begleittext zum Gesetzesvorschlag als quasi notwendige technische Ausrüstung erwähnt. Dort hießt es wortwörtlich: „Die Mobilteilnehmerkennung ist deshalb nötig, damit erforderlichenfalls technische Mittel zur Lokalisierung einer von einem Menschen mitgeführten Endeinrichtung zum Einsatz gebracht werden können.“ Unter „Punkt 3.2. Einmalige Ausgaben“ heißt es dann: „Neuankauf eines IMSI-Catchers: ca. € 600.000,--.“

Im Ministerium wehrt man jede Assoziation des in Begutachtung geschickten Gesetzesvorschlags mit Worten wie „Lauschangriff“ vehement ab: Die Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes ziele darauf ab, „Personen, die in Not geraten sind und wo anzunehmen ist, dass eine gegenwärtige Gefahr für ihr Leben besteht, zu lokalisieren, wenn sie ein Handy bei sich tragen“. Es gehe „niemals um Inhaltsdaten“, sondern nur um die Erfassung des Standorts, heißt es. Für die so genannte Handypeilung (die bisher übliche Form der Lokalisierung), die schon länger in Kooperation mit Mobilfunkern bewerkstelligt wird und immer wieder bei der Auffindung von Unfallopfern oder besagten vermissten Wanderern für ein Happy End sorgt, braucht man aber eigentlich nicht mehr als das, was den Behörden ohnehin bereits seit Jahren zur Verfügung steht - nämlich Sendemasten und den Netzbetreiber, der eine Peilung zwischen ihnen durchführt. Telefonnummer, Name oder Anschrift reichen, um dem Netzbetreiber klar zu machen, nach wem er suchen soll. Einen Missbrauch schließt das Gesetz per se aus, weil der Betreiber nur zur Herausgabe gezwungen werden darf, wenn die Ermittler „diese Daten als wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben benötigen“.

IMSI-Catcher sind aber nunmal nicht bzw. nicht nur zur Lokalisierung von Handys geeignet, sondern auch effiziente Abhörgeräte. Wozu also die indirekte Genehmigung einer Technologie durch einen schwammigen Text, die dem offiziell angestrebten Ziel eingentlich nicht so ganz dienlich ist? Die Kritiker – unter ihnen sind auch Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und der Datenschutzrat (ARGE Daten) – glauben, dass mit dem Gesetz die bisherige Notwendigkeit einer richterlichen Genehmigung umgangen werden soll. Ist der IMSI-Catcher nämlich einmal als probates Mittel zur „Lokalisierung von Personen, die in Not geraten sind“ im Gesetz verankert und benötigt man keinen Richterbeschluss für seinen Einsatz zur Lokalisierung eines Handys, ergibt sich der störende (oder auch nicht?) Nebeneffekt, dass damit unweigerlich auch Gespräche mitgehört werden können – das gehört numal zur Grundfunktion eines IMSI-Catchers.

Wenn die Gespräche dann von Personen sind, die mit Ermittlungen nichts zu tun, oder sich nicht auf einer Alm verlaufen haben, dann werden „Daten von unbeteiligten Dritten erfasst“ und es liegt eine Verletzung des Telekommunikationsgesetzes vor. Zudem öffnet die zusätzliche Informationspflicht der Provider den Behörden Tür und Tor für kinderleichte Lauschangriffe, vorbei an der Nase der Gerichte. Für den gezielten Betrieb eines IMSI-Catcher sind nur zwei Dinge zu wissen notwendig: Die Funkzelle, in der sich das Handy befindet, um den IMSI-Catcher, der nur lokal innerhalb einer Funkzelle funktionieren kann, in Stellung zu bringen und die zugehörigen Stammdaten zur IMSI der SIM-Karte des Handybesitzers, dessen Gespräche man mithören will. Rechtlichen Freiraum für beides schafft der Gesetzesvorschlag des Innenministeriums - zumindest dessen letzte Ausführung, wie sie auf der Website des Innenministeriums zu finden ist.

Zitat aus der Begutachtungsversion der bekrittelten Passage:

  • „(3a) Die Sicherheitsbehörden sind berechtigt, von den Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste Auskunft über Namen, Anschrift und Teilnehmernummer und sonstige Kontaktinformation eines bestimmten Anschlusses zu verlangen, wenn sie diese Daten als wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben benötigen. Die Bezeichnung dieses Anschlusses kann für die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder die Abwehr gefährlicher Angriffe auch durch Bezugnahme auf eine von diesem Anschluss geführte Kommunikation durch Bezeichnung des Zeitraums und der aktiven oder passiven Teilnehmernummer erfolgen. Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen besteht, sind die Sicherheitsbehörden zur Abwehr dieser Gefahr darüber hinaus berechtigt, von den Betreibern im Mobilfunkbereich Auskunft über Standortdaten und die internationale Mobilteilnehmerkennung (IMSI) zu verlangen sowie technische Mittel zur Lokalisierung einer von einem gefährdeten Menschen mitgeführten Endeinrichtung zum Einsatz zu bringen. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskünfte unverzüglich und gegen Ersatz der Kosten nach den Tarifen der Überwachungskostenverordnung [...] zu erteilen.“

 

Christoph Andert

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