Koffer-Problem

KTM will das Pendeln der Adventure-Bikes bändigen

Motor
22.02.2016 12:35

Mit einer schwingungsentkoppelten Kofferbefestigung gewöhnt KTM den Adventure-Modellen das lästige Pendeln bei höheren Geschwindigkeiten ab. Nicht nur im krone.at-Test hatte unter anderem die KTM 1190 Adventure mit gefüllten Seitenkoffern ab 180 km/h gefährlich zu schlingern begonnen, um über 200 km/h unfahrbar zu werden.

Nun sollen die mit 150 bzw. 160 PS extrem stark motorisierten und bis zu 250 km/h schnellen Adventure-Modelle eine alternative Befestigungsmöglichkeit für die Serien-Gepäckkoffer erhalten. Die nunmehr schwingungsentkoppelten Kofferhalter sollen sicherstellen, dass das Fahrverhalten mit vorschriftsmäßig beladenen Koffern auch jenseits der Werksempfehlung von 150 km/h stabil ist. Das werksseitig montierte starre Kofferbefestigungssytem hat sich nicht als highspeedtauglich erwiesen, 1190 Adventure und 1290 Super Adventure beginnen je nachdem ab etwa 170 km/h um die Hochachse zu pendeln. Die heftigen Diskussionen in den einschlägigen Foren sowie die Berichterstattung in den Medien haben den Absatz dieser KTM-Modelle beeinträchtigt.

Während die unbeladene 1190 Adventure im Regelfall auch bei Höchstgeschwindigkeit von annähernd 250 km/h ein unproblematisches Fahrverhalten aufweist, ändert sich das, wenn man mit beladenen Koffern die KTM-Geschwindigkeitsempfehlung von 150 km/h ignoriert und deutlich schneller fährt: Ab etwa 170 km/h beginnt leichtes Pendeln um die Hochachse, das sich mit zunehmendem Tempo erheblich steigern und damit echt gefährlich werden kann. Dieses gilt in noch höherem Maße für die Version 1190 Adventure R, die mit ihrem besonders langhubigen Fahrwerk freilich auch nicht für Hochgeschwindigkeitsjagden auf deutschen Autobahnen vorgesehen ist.

Dennoch hat die deutsche Zeitschrift "Motorrad" mehrfach über einen Alleinunfall eines 55jährigen KTM-Fahrers auf der A7 zwischen Kassel Süd und Guxhagen berichtet, der im August 2015 mit einem solchen Bike zu Sturz gekommen ist und dabei schwer verletzt wurde; vermutete Unfallursache soll die Fahrwerks-Instabilität "Pendeln" gewesen sein. Das Fahrzeug war mit fest montierten Alu-Gepäckkoffern sowie Topcase ausgestattet.

"Rein deutsches Problem"
KTM sieht den Punkt Fahrwerks-Instabilität als rein deutsches Problem: "In anderen Ländern gibt es keine Beschwerden über das Fahrverhalten unserer Adventure-Bikes", sagt Firmensprecher Thomas Kuttruff. Das bestätigen beispielsweise KTM-Händler im 130 km/h-Land Österreich, wo das KTM-Limit von 150 km/h deshalb jenseits des gesetzlich Erlaubten liegt. In Deutschland allerdings haben zahlreiche Kunden die Fahreigenschaften ihrer Reiseenduros moniert.

Testfahrten mit Journalisten
Ende Jänner 2016 hat KTM Journalisten zu Hochgeschwindigkeits-Testfahrten auf das spanische Prüf- und Testgelände Idiada eingeladen. Mehrere Fahrzeuge des Typs 1190 Adventure, 1190 Adventure R und 1290 Super Adventure stehen bereit, um mit und ohne Koffer bei höheren Geschwindigkeiten getestet zu werden. Alle sind mit hochsensibler Messtechnik ausgerüstet: Erfasst werden die Gierrate um die Hochachse, das exakte Fahrtempo, die Drosselklappenstellung sowie die jeweils zugehörige Position des Bikes auf der 7.500 Meter langen Highspeed-Teststrecke.

Ist das Fahrzeug selbst in einwandfreier Verfassung (Fahrwerkslager, Reifen, Räder etc.), gibt es bei 1190 Adventure und 1290 Super Adventure ohne Seitenkoffer bis hin zur Höchstgeschwindigkeit keine Einschränkung der Fahrstabilität. Und zwar auch dann nicht, wenn man absichtlich Störeinflüsse einleitet, beispielsweise durch harte Schläge gegen das linke Lenkerende. Die Fahrzeuge zucken in einem solchen Fall kurz, pendeln zwei-, dreimal ein wenig und beruhigen sich dann wieder.

Mit Seitenkoffern stellt sich das Fahrverhalten ganz anders dar, jedenfalls wenn die werksseitig vorgesehene starre Kofferhalterung montiert ist und die mit einigen großen Wasserflaschen im Gesamtgewicht von etwa zehn Kilogramm beladenen Koffer fixiert werden. Bis etwa 170 km/h herrscht bei der 1190 Adventure und der 1290 Super Adventure Ruhe, dann beginnt leichtes, mit höherem Tempo ausgeprägteres Pendeln.

Werden die gleichartig beladenen Koffer an die 1190 Adventure oder die 1290 Super Adventure gehängt, wenn diese mit dem neu entwickelten, schwingungsentkoppelten Befestigungssystem ausgerüstet sind, entspricht das Fahrverhalten in Idiada dem des unbeladenen Motorrads. Bis knapp 250 km/h ist kein Pendeln zu verzeichnen, mutwillig eingeleitete Störeinflüsse verlaufen ebenfalls wie oben beschrieben.

KTM-Empfehlungen für betroffene Kunden
KTM empfiehlt jenen Kunden, die über Pendeln klagen, das Abarbeiten einer Checkliste beim Händler: Alle relevanten Punkte müssen geprüft werden, u.a. Lenkkopflager, Schwingenlager, Lenkungsdämpfer, Reifenzustand und Räderauswuchtung. Befindet sich das gesamte Fahrwerk auf dem Niveau der Werkseinstellung und tritt das Pendeln mit beladenen Koffern noch immer auf, sollten die Kofferträger durch das neue System ersetzt werden. Der Preis der neuen, ab Mai 2016 erhältlichen Träger soll um die 200 Euro" betragen; dazu kommt der Zeitaufwand für die Montage. Ob die Modelle 1190 Adventure und 1290 Super Adventure ab dem Modelljahr 2017 werksseitig mit dem neuen Trägersystem ausgerüstet werden, ist laut KTM-Sprecher Kuttruf noch nicht entschieden: "Kritik ist nur aus dem deutschen Markt geäußert worden." Deshalb bleibe auch die weltweite Geschwindigkeitsempfehlung von maximal 150 km/h in Kraft. Überhaupt komme eines in der Berichterstattung generell zu kurz: "die grundsätzlich sehr hohe Zufriedenheit der Adventure-Reiter weltweit".

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