Mit der MMA-Plattform hat Mercedes-Benz in den Wettkampfmodus geschaltet – der CLA ist die aktuelle Speerspitze der modernen Elektromobilität bei den Stuttgartern. Ob die Erfinder des Automobils selbiges nun also neu erfunden haben, klärt Stephan Schätzl hier im Video-Fahrbericht.
Auch wenn MMA in diesem Fall nicht „Mixed Martial Arts“, sondern „Mercedes Modular Architecture“ heißt – setzt der CLA doch einen ersten Roundhouse Kick gegen BMWs Neue Klasse, die sich nach dem iX3 auch im neuen i3 materialisieren wird. Okay, strenggenommen kämpft der coupéförmige Viertürer eine Klasse darunter.
Das merkt man weniger an der Außenlänge von 4,72 Meter, als vielmehr am Innenraum. Der ist knapp geschnitten, sogar vorn. Angesichts der eingeschränkten Beinfreiheit hinten ist es nicht allzu weit hergeholt, von einem 2+2-Sitzer zu sprechen. Und der Kofferraum ist mit 405 Liter (VDA) satte 55 Liter kleiner als beim Vorgänger. Im Fall des Elektro-CLA kommt da noch ein 101 Liter (ausgelitert) großer Frunk dazu. Bei den Verbrennerversionen (ja, den CLA gibt es nicht nur elektrisch) hat man vorn nur 1,5 Liter – Hubraum.
Lädt schnell, kommt weit
Der Testwagen ist ein CLA 250+, mit einem 272 PS starken E-Motor an der Hinterachse und 85 kWh Netto-Akkukapazität. Sogar bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und hohem Autobahnanteil gehen sich damit weit über 400 Kilometer aus. Wenn es ein bisschen wärmer ist, bleibt man locker weit unter 20 kWh/100 Kilometer. Der Blick auf die Verbrauchsanzeige überrascht immer wieder – positiv. Offiziell gibt Mercedes 12,2 bis 14,1 kWh/100 km und eine WLTP-Reichweite von bis zu 792 km an.
Zum günstigen Realverbrauch tragen die serienmäßige Wärmepumpe und der cW-Wert von nur 0,21 bei. Außerdem das automatische Zweiganggetriebe, das bei höherem Tempo deutlich spürbar schaltet.
Auch das Laden ist ein erfreuliches Thema. Dank 800 Volt und einer maximalen Ladeleistung von 320 kW lädt der CLA seinen Akku in 22 Minuten von 10 auf 80% auf. Das ist sehr gut, aber kein Rekord. Ein Hyundai Ioniq 6 etwa kann das schneller.
Wechselstrom lädt der CLA nur mit maximal 11 kW. Ein 22-kW-Lader soll später optional erhältlich sein.
Der CLA-Basisstromer hat den gleichen Antrieb, speichert aber nur 58 kWh, das Topmodell CLA 350 bringt es dank zusätzlichem Frontmotor auf insgesamt 354 PS.
Spritzig und knackig
Das Fahrwerk ist komplett neu. Sie haben vorne eine Dreilenkerachse entwickelt. Hinten steckt eine Raumlenkerachse wie in den teureren Baureihen drin. Das serienmäßige Komfortfahrwerk ist kein Ausbund an Komfort, die Dämpfer sprechen aber ganz hervorragend an, was vor allem auf gröberen Unebenheiten sehr angenehm ist. Entgegen seiner Bezeichnung ist das Fahrwerk recht knackig abgestimmt, die Karosserie neigt sich auch in schnell gefahrenen Kurven nur wenig zur Seite und die Lenkung vermittelt durchaus Kontakt zur Fahrbahn. Das Leergewicht von rund zwei Tonnen würde man dem Testwagen nicht zutrauen. Die Brake-by-Wire-Bremsen fühlen sich in den meisten Situationen ausreichend natürlich an.
Der Antrieb ist spritzig, in 6,7 Sekunden gelingt der Sprint auf Tempo 100, maximal laufen alle Elektro-CLAs 210 km/h.
Gegen die Glaswand
Im Innenraum dominiert eine senkrecht stehende Glaswand, die das Armaturenbrett bildet. Sie fasst serienmäßig zwei Bildschirme zusammen, optional einen dritten für den Beifahrer. Schaut dieser Videos während der Fahrt, wird das Bild schwarz, sobald der Fahrer auf den Screen blickt. Die Kamera (über dem Zentralscreen) kann die Blickrichtung derart gut erkennen, dass die Darstellung nicht unterbrochen wird, wenn der Fahrer in den Außenspiegel schaut. Ansonsten kann man dank der Kamera und entsprechender App-Unterstützung auch z.B. an einem Teams-Meeting teilnehmen.
Kratzen und Glänzen
Die Materialanmutung ist durchwachsen. Die riesige Glasfläche entspricht dem aktuellen Mercedes-Verständnis von Luxus, entbindet aber mehr oder weniger davon, ein Armaturenbrett zu gestalten und mit ansprechenden Materialien zu versehen. Unterhalb besteht alles aus hartem Plastik, auch der Unterteil der schwebenden Mittelkonsole. Vor allem diese fühlt sich billig an, weil sie hohl wirkt und dieser Hohlraum auch noch das Kratzgeräusch verstärkt, wenn man mit den Fingernägeln drankommt.
Der obere Teil der Türverkleidungen wirkt jedoch edel, das weiche Kunstleder hat eine angenehme Haptik. Die Fensterheberschalter haben die Form einer Wal-Heckflosse, allerdings sind sie nur zu zweit. Wenn der Fahrer die hinteren Seitenscheiben bedienen will, muss er per Taste umschalten.
Grandios im Alltag
Einige Details sind im Alltagsbetrieb ein echter Gewinn. So kann man den unseligen Tempolimitwarner jederzeit direkt über ein Symbol auf dem Zentralscreen abschalten. Zum Wegklicken der anderen Assistenten ruft man über eine Taste das entsprechende Menü auf.
Perfekt integriert sind die Rekuperationsstufen. Man ruft sie mit dem rechten Lenkstockhebel auf, der auch für die Fahrstufen (und damit auch für die Herstellung der Fahrbereitschaft) zuständig ist. One-Pedal-Fahren, normale Rekuperation und – hört, hört! – segeln! Ohne Rekuperation rollt der CLA gefühlt endlos weiter. Zusätzlich gibt es auch einen adaptiven Rekuperationsmodus, der sehr gut funktioniert. Vergleichbar mit einem Adaptivtempomaten ohne die Möglichkeit zu beschleunigen. Dennoch nicht jedermanns Sache, weil das Auto vieles übernimmt, aber eben nicht alles, und man nicht intuitiv weiß, was passiert, wenn man vom „Gas“ geht.
Das Navi braucht zwar relativ lang für das Kreieren einer Route mit automatischen Ladestopps, ist aber sehr übersichtlich und informativ. Ganz easy lässt sich auch vorgeben, mit wie viel Ladung man wo ankommen möchte. Auch praktisch: jederzeit verfügbare Infos über Batterietemperatur und derzeit mögliche Ladeleistung. Lediglich einen manuelle Startmöglichkeit für die Batterieheizung könnte man sich noch wünschen.
Überhaupt ist das Bediensystem grundsätzlich gelungen. Mit ein paar Abstrichen.
Weniger gut im Alltag
Die Taste für die Sprachbedienung sitzt nicht am Lenkrad, sondern weit unten am Übergang von der Mittelkonsole zum Armaturenbrett. Ungünstiger könnte sie nicht platziert sein. Natürlich kann man die Sprachsteuerung auch mit „Hey Mercedes“ aufrufen, aber das will nicht jeder.
Noch eine unsinnige Platzierung: Für die Heckscheibenheizung muss man ins Klimamenü, das man wiederum über eine kleine Schaltfläche aufruft, die vom Lenkradkranz verdeckt wird. Man muss drum herumschauen, um diesen Teil des Displays sehen zu können.
Am Lenkrad verwendet Mercedes weiterhin Touchelemente und zerstört damit die Hoffnung, dass mit Einführung einer völlig neuen Baureihe endlich wieder Tasten Einzug halten. Schade.
Die Preise
Der elektrische CLA fängt bei knapp 50.000 Euro an, mit dem kleinen Akku. 85 Kilowattstunden mit Heckantrieb gibt’s ab knapp 56.000 Euro, der Allradler kostet nochmals 3000 Euro mehr. Der ist übrigens so intelligent gemacht, dass er kaum einen Mehrverbrauch hat.
Die Serienausstattung ist durchaus angemessen: Neben der Wärmepumpe sind immer auch Adaptivtempomat, Glaspanoramadach (ohne Abdeckung), Sitzheizung, diverse Assistenten bis hin zur Ausweich-Lenkfunktion und das komplette Navi an Bord.
Der Testwagen kommt ohne exzessives Klicken durch die Aufpreisliste auf 63.000 Euro.
Fahrzit
Das Auto neu erfunden haben sie bei Mercedes-Benz mit dem CLA nicht – sich selbst gewissermaßen schon. Vieles ist richtig erfrischend an dem Viertürer, auch wenn er ein paar Schrullen mitbringt. Was er gut und weit kann, ist fahren. Man hat bei ihm nicht das Gefühl, dass man von der möglichen Reichweite eingeschränkt wird, weil er sparsam ist und schnell viel laden kann. Alles Argumente, die eingefleischte Verbrennerfahrer zumindest zum Nachdenken bringen könnten.
Warum?
Sehr sparsam, gute Reichweiten, schnelles Laden
Knackig-komfortables Fahrverhalten
Warum nicht?
Insgesamt zu eng
Oder vielleicht …
… BMW i4 oder CLA mit Verbrenner. Oder den coolen Kombi CLA Shooting Brake
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