Pommers Feierabend

Punschkrapfen-Koalition: „Hauptsache, es schmeckt“

Pommer am Abend
02.09.2022 14:27

Einen schönen Freitagabend.

Ich möchte Sie heute mitnehmen auf eine Zeitreise. Keine Sorge, nicht weit zurück, nicht etwa ins Mittelalter, wobei sich der Kulturschock angesichts der Parallelen zu heute in Grenzen halten würde: Corona hieß damals Pest, Twitter wurde Pranger genannt, und Herrscher waren übermächtig, wenn auch nicht so einflussreich wie ein heutiger Wiener Bürgermeister freilich, der 1,4 Milliarden Euro an allen Gremien vorbei verteilen kann, wie es ihm gefällt. Kalt war es damals auch, die Folterkammern hatten wohl nicht mehr als die aktuell von der EU angeregten 19 Grad. Jedenfalls begeben wir uns in den Oktober 2020. Sebastian Kurz ist Bundeskanzler der Republik Österreich, wir sitzen bald wieder im Lockdown, das Licht am Ende des Tunnels blendet uns also nicht allzu sehr, und der Regierungschef verspricht: „Die Impfung ermöglicht die Rückkehr zur Normalität im nächsten Jahr.“ Heute können wir getrost sagen: Ein Nostradamus wird der Kurz auch nimmer.

Wir spazieren ins Wiener Rathaus. Nach dem Wahlsieg von Michael Ludwig mit 41,6 Prozent am 11. Oktober kommt es zu Sondierungsgesprächen. ÖVP, Grüne, Neos, sie alle tanzen im Bürgermeisterbüro an. Kulinarische Geschenke werden zur Auflockerung kredenzt - Koalitionsliebe geht bekanntlich durch den Magen, zumindest als Zwischenschritt. Für den türkisen Blümel lässt Ludwig Schaumrollen der Bäckerei Schwarz auftischen (hier Gelächter einsetzen), und für die Grünen gibt es vegane Süßigkeiten (Wie sehr kann man Menschen hassen?). Grünen-Chefin Birgit Hebein sagte nach der Sitzung übrigens voller Zuversicht: „Man spürt die Kraft. Rot-Grün mit Ludwig-Hebein ist spürbar.“ Heute können wir getrost sagen: Eine Baba Wanga wird die Hebein auch nimmer.

Für die Neos gibt es Punschkrapfen, fortan das Symbol der selbst ernannten Fortschrittskoalition. Rot und Pink in Perfektion vereint. Was der Klassiker der Wiener Backtradition in Wahrheit ist, will Wikipedia wissen: „Punschkrapferln dienen mitunter als Resteverwertung von altbacken gewordenen Biskuitteigprodukten, wobei der Inländerrum einen allfälligen Altgeschmack wirkungsvoll überdeckt.“ Heißt: alter Schmarren, ohne Alkohol nicht auszuhalten. „Ist das das Bild, das Sie vermitteln wollen?“, frage ich in einem Doppelinterview Michael Ludwig und Christoph Wiederkehr am 22. November. Die Antworten will ich Ihnen nicht vorenthalten:

Wiederkehr: „Ich lese etwas ganz anderes heraus. Nämlich Nachhaltigkeit, und Nachhaltigkeit hat einen ganz besonderen Fokus in dieser Koalition.“

Ludwig: „Hauptsache, es schmeckt.“

Heute, zwei Jahre später, wohl schon etwas verdorben. Nach Streit um Lobautunnel, Coronapolitik, Gebühren und zuletzt Wien Energie ist die Glasur bröckelig, die Füllung staubt aus der blassrosaroten Kruste, das Biskuit-Fundament ist mit Rissen durchzogen, die Marmelade unverdaulich. Nicht einmal der Rathauskeller würde so etwas noch servieren (muss ich aber erst recherchieren). Dass der Bürgermeister die Neos vorab nicht über das Wien-Energie-Desaster ausreichend informiert hat, stößt dort sauer auf: „Ich habe das natürlich hinterfragt, wir haben leider bis heute keine ordentlichen Antworten von Wien Energie bekommen“, erzählte Christoph Wiederkehr gestern in der „ZIB 2“. Er sei „schlecht informiert“, von der Krise habe er aus den Medien erfahren. Da hat wohl ein Blackout das hochmoderne Rohrpostsystem des Rathauses lahmgelegt. Und trotzdem, so Wiederkehr: „Die Koalition funktioniert gut.“ Heute können wir getrost sagen: Ein Orakel von Delphi wird Wiederkehrs Büro auch nimmer.

Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.

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