Frau Kammerrätin entschlüsselt Nazi-Code!

Einen schönen Freitagabend.

Ich habe zu der aktuellen Trachten-Diskussion keine spezielle Meinung, äußere mich aber dennoch dazu, wie es sich für einen Österreicher gehört. Als gebürtiger Wiener ist diese Tradition größtenteils an mir vorübergegangen, ich sehe in einer Lederhose auch über Gebühr lächerlich aus - dass ein Hirsch sterben muss, nur um an mir gegerbt herabzuhängen wie eine zu groß geratene Windel, halte ich für nicht zielführend. Dazu kommt, dass ich kein Bier trinke, ich hätte also keine Gelegenheit, den verarbeiteten Paarhufer auszuführen. Vor vielen Jahren war ich einmal bei der Wiener Wiesn und habe in Jeanshose weiße Spritzer bestellt - diese Blicke, sag ich Ihnen, als wollte ich die Erstgeborenen meiner Sitznachbarn in der Donau ertränken. Am liebsten hätten mich die Partygäste, selbst die eigenen Freunde, auf der Kaiserwiese an einem Pranger mit faulem Obst beworfen. Für mich haben der senegalesische Boubou und ein Steireranzug also eines gemeinsam: Ich habe beides noch nicht getragen.

Im Nachhinein ein Glück, denn die Tracht sei ein „legaler Code für illegale Nazis“, erklärte eine Kammerrätin der Arbeiterkammer auf Twitter. Da haben sich die illegalen Nazis ja nicht gerade eine unauffällige Uniform ausgesucht, denn laut einer IMAS-Umfrage (allerdings aus dem Jahr 2010) finden es 53 Prozent der Österreicher nett, wenn jemand einen österreichischen Trachtenanzug trägt - ich kann mir vorstellen, dass die Beliebtheitswerte für den Wehrmachts-Waffenrock nicht ganz so hoch sind. Auch Österreichs Kinder sind bereits rechtsradikal, früh übt sich, denn im ersten Halbjahr 2021 wurden auf einem virtuellen Marktplatz 7200 Stichwortsuchen nach „Kinderlederhosen“ getätigt. Es gibt also nur noch zwei Möglichkeiten: Bei dem Wiesn-Fest ab 22. September feiern Tausende Anhänger verspätet den Geburtstag von Gottfried Küssel, oder die Frau Kammerrätin hat grenzenlosen Unsinn verzapft.

Und da sind wir schon beim Kern des Problems. Jeder mit einer Tastatur kann sich heute zum Experten küren. Twitter ist voll von Virologen, Fußballtrainern, Kriegsstrategen, Bankern, Medizinern. Und der Götterkomplex ist nicht auf die sozialen Medien beschränkt: Herbert aus Villach empfiehlt ein Pferdewurmmittel gegen Corona, und es gibt Personen, die es kaufen. Die Frau Kammerrätin hat den Nazi-Code entschlüsselt und schreit es in die Welt hinaus. Intellektueller Kontrollverlust. Ich habe noch einen Tipp für die Tracht-Dechiffriererin von der Arbeiterkammer: Vor einigen Jahren wurden Adolf Hitlers Socken und eine Unterhose von Hermann Göring versteigert. Die Nazis haben Socken und Unterhosen getragen, damals wie heute! Gehen Sie dem nach, Sie sind etwas Großem auf der Spur!

Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.