„Krone“-Gastkommentar

Koch des Jahres Max Stiegl: Essen ein intimer Akt

Klima
13.10.2021 11:22

Max Stiegl ist Koch des Jahres. Für die „Krone“ hat er seine Gedanken zur Kennzeichnung von Lebensmitteln zusammengefasst.

Viele Wirte im nördlichen Burgenland haben was mit Jesus gemeinsam. Sie schaffen es auf wundersame Weise, Fische zu vermehren: So viele Neusiedlersee Zander, wie hier verkauft werden, haben nämlich niemals im See Platz gehabt, und auch die Mangalitza-Schweine hier müssten mindestens je vier Bäuche haben, um die verkaufte Menge an Mangalitza-Fleisch liefern zu können.

Für Gäste, die nicht an Wunder glauben, ist das ein wenig ärgerlich. Für Winzer ist es deutlich schwieriger, wundersame Verwandlungen von, sagen wir, ungarischen Trauben in österreichischen Wein zu vollbringen: Auf jeder Flasche muss ganz genau stehen, woher sie kommt und wo sie wie gemacht wurde. Warum also nicht ähnliche Regeln für Speisekarten? Warum muss nicht jeder Wirt klipp und klar sagen, woher das Essen kommt, das er verkocht?

Ausländisch heißt ganz und gar nicht gleich schlecht
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will Lebensmittel aus dem Ausland keineswegs verteufeln, auch keinen Fisch und kein Fleisch. Beim Wein sind wir enorm stolz darauf, dass wir ihn in die ganze Welt exportieren, wir wollen, dass die Chinesen, Australier, Kalifornier unseren Grünen Veltliner trinken, aber beim Fleisch kriegen wir plötzlich den Moralischen, wenn es einmal nicht aus Österreich stammt. Gerade bei uns im Burgenland heißt ausländisch ganz und gar nicht gleich schlecht oder auch nur weit gereist – Ungarn, oder im Süden auch Slowenien, sind uns deutlich näher als Tirol, und selbst für Wiener ist Rumänien näher als Bregenz.

Dass ich so eine Auszeichnungspflicht trotzdem super fände, liegt schlicht daran, dass es für Transparenz sorgt: Essen ist ein intimer Akt, und etwas essen, das jemand anderer gekocht hat, ein Vertrauensbeweis. Unsere Gäste haben ein Recht zu wissen, was sie essen und wo es herkommt, damit sie selbst entscheiden können, was für sie richtig ist, was ihnen mehr oder weniger Geld wert ist. Deswegen sage ich gern: Her mit einer verpflichtenden Kennzeichnung! 90 Prozent unserer Gäste kennen uns zwar, wissen, wie wir arbeiten, und vertrauen uns deshalb auch – aber wir legen sehr gern auch für die anderen zehn Prozent alles offen.

Aber, und das ist wirklich ein großes Aber: Diese Regel ist nur sinnvoll, wenn sie auch wer kontrolliert und Verstöße ahndet, und zwar flächendeckend und streng. Unkontrolliert verkäme die gewünschte Regelung zu einer weiteren der langen Reihe ziemlich nutzloser Speisekarten-Verzierungen.

Gastkommentar von Max Stiegl

MAX STIEGL, EIN SAUMÄßIG GUTER KOCH AUS DEM BURGENLAND

Max Stiegl ist ein Querdenker. Spätestens bei einem Besuch in seinem „Gut Purbach“ und einem Blick in die Speisekarte wird dies offensichtlich! Wer außer ihm bietet eine „alte Kuh“ oder Biber an? Für den „Koch des Jahres 2021“ ist es oberstes Ziel, alles zu „verkochen“, was die Region bietet - und vor allem was ein Tier uns liefert. Und jeder Gast soll wissen, wo es gelebt hat!

Seit Jahren steht er für Innereien-Haute-Cuisine, und seine „Sautänze“ haben ihn über die Landesgrenzen berühmt gemacht. Dabei wird tatsächlich ein Schwein geschlachtet, und alle, die dabei sind, sollen mithelfen, das Tier „aufzuarbeiten“. Damit wird den Gästen bewusst gemacht, dass für jeden Bissen Fleisch auch ein Tier sterben muss.

Die Frage ist nur, wie: Max Stiegl will lange Tiertransporte vermeiden und auch jene Fleischteile verwerten, bei der andere nur die Nasen rümpfen würden. „Deshalb steht auch kaum ein Koch dem Tierschutz so nah wie ich“, so der Burgenländer, der keine Minute still sitzen kann.

Seit Corona bietet er seine Köstlichkeiten auch im Glas für zu Hause an und hat ein neues Kochbuch mit dem klingenden Titel „Wie schmeckt das Burgenland“ geschrieben! (Zu bestellen unter: www.gutpurbach.at) Und: Er fordert - wie so viele „Krone“-Leser - eine verpflichtende Kennzeichnung auf allen Speisekarten! Ich frage mich, wie lange die Politik hier noch blockieren will?

Maggie Entenfellner, Kronen Zeitung

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