Studie verrät‘s

Home-Office: Das nervt und fehlt uns besonders

Web
24.07.2020 10:17

Die Corona-Krise war - und ist vielerorts noch - für viele Arbeitnehmende eine besonders herausfordernde Situation. Eine Mehrzahl der Betroffenen arbeitete erstmals in ihrem Berufsleben von zu Hause aus und nutzte dabei Technologien wie etwa Videotelefonie oder Telekonferenzen, die viele bisher nur vom Hörensagen kannten. Wie erging es ihnen beim Arbeiten im Home-Office? Forscher des AIT Austrian Institute of Technology wollten das genauer wissen und starteten unmittelbar nach Beginn der Corona-Beschränkungen eine Online-Studie. Ein erstes Zwischenresümee offenbart viele positive Erfahrung, aber an einigen Stellen auch Schwierigkeiten, die dringend einer Lösung bedürfen.

„Das Ziel der Studie ist es, aus der aktuellen Situation zu lernen, um für ähnliche Situationen in Zukunft besser gerüstet zu sein“, erläutert Manfred Tscheligi, Leiter des AIT Center for Technology Experience. „Wir wollen beispielsweise in Erfahrung bringen, über welche Kanäle in welchem Umfang informiert werden soll, wie alternative Lernmethoden und Trainings aussehen können und wie das soziale Leben in abgewandelter Form erhalten bleiben kann, um in weiterer Folge geeignete Lösungen zu erarbeiten“, ergänzt Markus Murtinger, Leiter der Competence Unit Experience Business Transformation am AIT.

Effizientes Arbeiten vs. fehlender sozialer Kontakt
Um auch längerfristige Entwicklungen abbilden zu können, läuft die Studie nun weiter - doch nun konnten die Forscher ein erstes Zwischenresümee ziehen. Die Vorteile des Arbeitens zu Hause wurden demnach von 57 eingehend befragten Studienteilnehmer mehrheitlich etwas größer beurteilt als die Nachteile. 

Besonders positiv empfanden sie, dass im Home-Office konzentriertes, effizientes und ungestörtes Arbeiten möglich ist (24 Antworten), dass die Fahrtzeit zum Arbeitsweg wegfällt (16) und sie dadurch auch mehr Zeit für die Familie und Haushalt haben und besser mit ihrem Beruf vereinbaren konnten (13). Besonders negativ wurden indes arbeitsbezogene Stressoren, wie z. B. Mehrarbeit, Arbeitsintensivierung und erschwerte Konfliktlösung (17), der fehlende soziale Kontakt zu den Kollegen (Stichwort: Smalltalk; 11) sowie Probleme mit technischen Arbeitsmitteln (10) angesehen.

Neben organisatorischen Schwierigkeiten zeigte sich insbesondere bei technologischen Fragen und bei der Gestaltung der Online-Tools Handlungsbedarf. Unterbrochen und gestört fühlten sich die Teilnehmer bei ihren Arbeitsprozessen besonders durch Probleme bei der Stabilität und Geschwindigkeit der Verbindung (Internet, Zugriff auf VPN, bei Telekonferenzen) sowie durch eine vermehrte virtuelle Kommunikation und die damit verbundene Anforderung, permanent erreichbar zu sein.

Als wenig befriedigend empfanden viele der Befragten zudem, dass zahlreiche verschiedene Tools nebeneinander verwendet werden, beispielsweise Konferenztools, Protokolltools, Möglichkeiten zum gemeinsamen kreativen Arbeiten etc, diese aber nicht miteinander kompatibel sind. Dadurch kommt es auch zu dem Problem, dass diese nicht einheitlich erfassen, ob man gerade beschäftigt ist oder nicht. Dann läutet z.B. das Telefon, obwohl man sich gerade in einer Videokonferenz befindet. Gleiches gilt für die unterschiedlichsten Zugangspunkte, Adressbücher, Passwörter, Bedienelemente etc.

„Hört ihr mich?“
Als besonders nervig wurde die ständige Frage „Hört ihr mich?“ bei Telekonferenzen empfunden - die Tools sollten in dieser Hinsicht automatisch Feedback geben. Kritisiert wurde auch, dass Konferenztools keine integrierte „Speech-to-Text“-Funktion haben, die beispielsweise eine automatische Protokollführung ermöglichen würde. Dringend erforderlich wären aus Sicht der Arbeitnehmer auch Möglichkeiten, virtuell Dokumente zu unterschreiben. Angeregt wurde außerdem die Entwicklung von Tools, um störende Bilder und Geräusche aus dem Home-Office auszufiltern - etwa durchs Videobild huschende Kinder.

„Uns fehlen derzeit viele wichtige Tools“, fasst Murtinger zusammen. Dennoch könnten die nun weitverbreiteten Erfahrungen mit Home-Office einen Weg zu neuen Arbeitsformen ebnen, meint Tscheligi: zu einer „Mixed Work Reality“ - einer Interaktion zwischen realer und virtueller Welt. Dabei gibt es allerdings noch viele ungeklärte Punkte, beginnend bei der simpel klingenden Frage, was unter „Büro“ zu verstehen ist. „Die Metapher des Büros als Ort, wo man zusammenarbeitet, muss auf die Online-Welt übertragen werden“, erläutert Murtinger. Dafür sind spezifische Werkzeuge nötig - die man derzeit nicht hat. Dabei geht es beispielsweise um Ängste hinsichtlich Privacy und Datenschutz, aber auch um die Sorge von Dienstgebern, dass die Mitarbeitenden im Home-Office nicht so viel arbeiten wie im Büro.

„Im physischen Büro sieht ein Vorgesetzter / eine Vorgesetze, dass Mitarbeitende anwesend sind“, so Tscheligi. Entsprechende Online-Tools, welche die Visualisierung der realen Welt in die virtuelle Welt transformieren und ähnlich vertrauensbildend wirken, aber nicht gleich Privacy-Vorschriften verletzen, sind derzeit Mangelware.

Relevanz auch für das Bildungswesen
Solche Überlegungen sind nicht nur für die Arbeitswelt, sondern auch für das Bildungswesen höchst relevant: „Das kann auch für die Schule ein Zukunftsmodell sein“, meint Tscheligi. Nachdem das Bildungsministerium nun - in Reaktion auf die während der Zeit des Home-Schoolings zutage getretenen Probleme - ein großes Maßnahmenpaket für die Digitalisierung von Schulen, Schülern und Lehrern angekündigt habe, stelle sich auch dort die Frage nach dem richtigen Mix von Technologien, der Gestaltung der Schnittstellen und der Balance zwischen realem und virtuellem Unterricht. 

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