Miniatur-Kamera

„GoPro“ für Käfer ermöglicht neue Perspektiven

Elektronik
20.07.2020 10:34

Wissenschaftler der Universität von Washington haben eine „GoPro für Käfer“ entwickelt. Die kabellose Kamera wiegt lediglich rund 250 Milligramm - etwa ein Zehntel des Gewichts einer Spielkarte - und ist damit leicht genug, um von größeren Insekten geschultert zu werden und ganz neue Perspektiven zu ermöglichen.

Die Kamera, die Videos mit bis zu fünf Bildern pro Sekunde via Bluetooth aus bis zu 120 Metern Entfernung drahtlos auf ein Smartphone überträgt, sitzt auf einem mechanischen Arm, der sich um 60 Grad drehen lässt. Auf diese Weise könnten hochauflösende Panoramaaufnahme aufgenommen oder ein sich bewegendes Objekt verfolgt werden, ohne dass das System dafür viel Energie verbrauche, erläuterte die Universität in einer Mitteilung.

„Sicht ist für die Kommunikation und die Navigation so wichtig, aber es ist äußerst schwierig, sie in so kleinem Maßstab durchzuführen. Daher war vor unserer Arbeit für kleine Roboter oder Insekten kein drahtloses Sehen möglich“, wird Forschungsleiter Shyam Gollakota zitiert. Typische kleine Kameras, wie sie in Smartphones verwendet würden, verbrauchten viel Energie, um hochauflösende Weitwinkelfotos aufzunehmen. Während die Kameras selbst leicht seien, machten die Batterien, die sie zur Unterstützung benötigten, das Gesamtsystem zu groß und schwer, als dass Insekten - oder Roboter in Insektengröße - sie herumschleppen könnten, so Gollakota weiter.

Von Natur inspiriert
Das Forschungsteam ließ sich daher von der Natur inspirieren: „Ähnlich wie bei Kameras erfordert das Sehen bei Tieren viel Kraft“, erläutert Co-Autor Sawyer Fuller. „Bei größeren Kreaturen wie Menschen ist das weniger wichtig, aber Fliegen verbrauchen 10 bis 20 Prozent ihrer Ruheenergie, um ihr Gehirn anzutreiben, von dem der größte Teil der visuellen Verarbeitung gewidmet ist. Um die Energiekosten zu senken, haben einige Fliegen einen kleinen, hochauflösenden Bereich ihrer Facettenaugen. Sie drehen den Kopf, um mit besonderer Klarheit dorthin zu steuern, wo sie sehen möchten, zum Beispiel um Beute oder einen Gefährten zu jagen. Dies spart Energie bei hoher Auflösung über das gesamte Gesichtsfeld.“

Um die Sicht eines Tieres nachzuahmen, verwendeten die Forscher eine winzige Schwarzweißkamera mit extrem geringem Stromverbrauch, die mit Hilfe eines mechanischen Arms über ein Sichtfeld streichen kann. Der Arm bewegt sich, wenn das Team eine Spannung anlegt, wodurch sich das Material verbiegt und die Kamera in die gewünschte Position bewegt. Ohne diese Spannung verbleibt der Arm noch etwa eine Minute in diesem Winkel, bevor er sich wieder in seine ursprüngliche Position zurückbewegt. Dies ähnele der Art und Weise, wie Menschen ihren Kopf nur für kurze Zeit in eine Richtung drehen könnten, bevor sie in eine neutralere Position zurückkehren.

„Ein Vorteil der Bewegung der Kamera besteht darin, dass wir eine Weitwinkelansicht des Geschehens erhalten, ohne viel Strom zu verbrauchen“, wird Co-Hauptautor Vikram Iyer zitiert. „Wir können ein sich bewegendes Objekt verfolgen, ohne die Energie aufwenden zu müssen, um einen ganzen Roboter zu bewegen. Diese Bilder haben auch eine höhere Auflösung als bei Verwendung eines Weitwinkelobjektivs, das ein Bild mit der gleichen Anzahl von Pixeln erzeugt, die über einen viel größeren Bereich verteilt sind.“

Aufnahme nur bei Bewegung
Die Forscher befestigten ihr abnehmbares System am Rücken von zwei verschiedenen Käferarten und sorgten dafür, dass diese sich noch richtig bewegen konnten. „Sie konnten frei über Kies, einen Hang hinauf und sogar auf Bäume klettern“, hieß es. Letztlich wurde dem System ein Beschleunigungsmesser hinzugefügt, um erkennen zu können, wann sich der Käfer bewegt. „Wenn die Kamera ohne diesen Beschleunigungsmesser nur kontinuierlich läuft, können wir ein bis zwei Stunden bis zur Entladung der Batterie aufnehmen. Mit dem Beschleunigungsmesser konnten wir je nach Aktivitätsniveau des Käfers sechs Stunden oder länger aufzeichnen“, so Iyer.

Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten
Die Anwendungen könnten von der Biologie bis zur Erforschung neuartiger Umgebungen reichen, sind die Forscher überzeugt. Das Team hofft, dass zukünftige Versionen der Kamera noch weniger Strom benötigen und batterielos und möglicherweise solarbetrieben sein werden. „Dies ist das erste Mal, dass wir einen Blick vom Rücken eines Käfers aus der ersten Person haben, während er herumläuft. Es gibt so viele Fragen, die man untersuchen könnte, z. B. wie der Käfer auf verschiedene Reize reagiert, die er in der Umwelt sieht“, so Iyer.

Die Insekten könnten aber auch felsige Umgebungen durchqueren, was für Roboter in dieser Größenordnung eine große Herausforderung darstelle. „Dieses System kann uns also auch helfen, indem es uns ermöglicht, Proben in schwer zu erreichbaren Orten zu sichten oder zu sammeln.“

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