Nach der Präsidentenwahl in Polen steht der Sieger fest: Der rechtskonservative Karol Nawrocki wird das Land anführen. Der 42-Jährige konnte somit das äußerst knappe Rennen gegen den proeuropäischen Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski (53) für sich entscheiden.
Die Wahl zeigt eine tiefe politische Spaltung in Polen, insbesondere zwischen Stadt und Land. Der Historiker Nawrocki gilt als politisch unerfahren: Der Sieg des 42-Jährigen könnte Polens Kurs in der EU und gegenüber der NATO beeinflussen.
Für Aufsehen – und Sympathien bei manchen Wählern – sorgte immer wieder seine Vergangenheit als Amateurboxer in jungen Jahren und als Türsteher während des Studiums in einem Luxushotel mit möglichen Kontakten ins Rotlichtmilieu. Schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatten Nawrocki und noch weiter rechts stehende Kandidaten zusammen eine deutliche Mehrheit erhalten.
Kandidat der rechtskonservativen PiS
Nawrocki ist offiziell parteilos, trat aber als Kandidat der rechtskonservativen PiS an, Polens größter Oppositionspartei. Die PiS regierte das Land von 2015 bis 2023. Sie legte die Justiz an die Kandare der Politik und lag wegen dieses Eingriffs in die Gewaltenteilung im Dauerclinch mit Brüssel.
Zwar kam 2023 wieder ein Mitte-links-Bündnis an die Regierung: Der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk kehrte als Ministerpräsident zurück. Doch es blieb bei einem Dauerstreit mit Präsident Andrzej Duda, der ebenfalls aus der PiS stammt und nach zehn Jahren im Amt kein weiteres Mal antreten durfte. Duda bremste Tusks Reformpläne mit seinem starken Vetorecht. Der Ministerpräsident hoffte, mit dem liberal eingestellten Trzaskowski an der Staatsspitze diese Blockade aufzulösen.
Warschau gilt als wichtiger Unterstützer der Ukraine
Polen ist ein wichtiger Unterstützer der von Russland angegriffenen Ukraine. Das Land mit knapp 38 Millionen Einwohnern sieht sich auch selbst von Moskau bedroht und rüstet massiv auf. Anders als in der Slowakei, Ungarn oder Rumänien gibt es in Polen keinen ernstzunehmenden Politiker, der prorussische Positionen vertritt. In der wichtigsten außenpolitischen Frage, der Unterstützung für die Ukraine, zogen Duda und Tusk stets an einem Strang. Dies könnte sich mit Nawrocki ändern, der zum Beispiel gegen einen möglichen NATO-Beitritt der Ukraine ist.
Während sich mit Tusk als Regierungschef das Verhältnis zwischen Warschau und Berlin entspannte, vertritt Nawrocki eher die Deutschland-feindliche Linie der PiS und suchte im Wahlkampf die Nähe zu US-Präsident Donald Trump. Er erneuerte die Forderung nach Reparationen für die Schäden, die Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Polen angerichtet hat. Von der EU will sich Nawrocki, das hat er betont, für Polen nichts vorschreiben lassen.
Wahl offenbart tiefe Spaltung Polens
Am Wahlabend sah eine erste Prognose zunächst Trzaskowski vorn, und der 53-jährige Sozialwissenschaftler gab sich auch schon als Wahlsieger. Er gilt allerdings selbst in seinem politischen Lager als sehr weit links und war für viele Wähler in katholisch geprägten ländlichen Regionen des Landes ein rotes Tuch.
Die über Nacht eingehenden Einzelergebnisse belegten die tiefe politische Spaltung Polens, das in den vergangenen Jahren große wirtschaftliche Erfolge erzielt hat. Trzaskowski siegte demnach in den großen Städten wie Warschau, Krakau und Lodz, die vom Aufschwung besonders profitiert haben. In kleineren Städten und den ländlichen Regionen Polens lag Nawrocki vorn.
Ein Grund für die Niederlage Trzaskowskis könnte sein, dass das liberale und linke Lager sein Wählerpotenzial nicht ausgeschöpft hat. Die Wahlbeteiligung lag mit 71,7 Prozent zwar gut drei Prozentpunkte höher als bei der vorherigen Präsidentenwahl vor fünf Jahren. Doch beim Sieg über die PiS bei der Parlamentswahl 2023 hatte eine Rekordzahl von 74,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme abgegeben.
Präsident mit reichlichen Befugnissen
„Wir werden siegen und Polen retten. Wir werden nicht zulassen, dass Donald Tusks Macht sich festigt“, sagte Nawrocki nach Bekanntgabe erster Prognosen. Er war bisher Direktor des Instituts für Nationales Gedenken (IPN), eine Art polnisches Pendant zur mittlerweile aufgelösten Stasi-Unterlagen-Behörde in Deutschland.
In Polen amtiert der Präsident fünf Jahre. Das Staatsoberhaupt hat mehr Befugnisse als der Bundespräsident in Deutschland und repräsentiert das Land nicht nur nach außen. Der Präsident hat auch Einfluss auf die Außenpolitik, er ernennt den Regierungschef sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte. Vor allem aber kann er der Regierung mit seinem Vetorecht das Leben schwer machen.
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