Pommers Feierabend

Wahlkampf auf dem Höhepunkt: Grillen, Bier, Joints

Pommer am Abend
28.09.2022 15:30

Einen schönen Mittwochabend.

Es ist bemerkenswert österreichisch, dass es in diesem Land weniger problematisch ist, eine Bierpartei zu gründen, die schon durch ihren Namen ein Getränk glorifiziert, das in Übermaß konsumiert tot, dick und/oder hässlich macht, als ein- oder zweimal im Leben einen Joint geraucht zu haben. Mein Umgang mit Gras lässt sich auf Probezüge, ausgelöst durch jugendliche Neugierde, zurückführen. Ich bin immer schon Nichtraucher gewesen, bei Kontakt mit Zigaretten schrumpfen meine Lungen auf Ingwerknollengröße, zumindest fühlt es sich so an, und werden vom Körper hustend abgestoßen. Dazu kommt: Als Jugendlicher bin ich bis zur Grenze von 192 Zentimetern ungleichmäßig gewachsen. Ich sah phasenweise aus, als hätte ein Betrunkener Pinocchio nachgeschnitzt. Ungleich lange Arme, im Vergleich zum Oberkörper zu kurze Beine, die ebenfalls nicht im parallelen Längenmaß - ein Wunder, dass ich nicht nach dem Prinzip eines Zirkels mit abgeknicktem Schenkel unentwegt im Kreis gelaufen bin. Eine Zigarette im Mund hätte diese Skurrilität auch nicht cooler gemacht.

So weit, so uninteressant. Das nur als Basis, denn seit gestern wissen wir, dass Bundespräsidentschaftskandidat Dominik Wlazny von der Bierpartei ein oder zweimal im Leben einen Joint geraucht hat, dessen Wirkung offenbar bis heute anhält, und „ZIB 2“-Moderator Armin Wolf noch nie, wie er auf Twitter verraten hat. Für dieses Wissen, und das ist frei von Häme, zahle ich gerne GIS - nach zwei Folgen „Die Nanny“, zwei Folgen „Scrubs“, zwei Folgen „Malcom mittendrin“, vier Folgen „Gilmore Girls“, zwei Folgen „Simpsons“, zwei Folgen „Young Sheldon“ und vier Folgen „The Big Bang Theory“ dürstet es mich nach Informationen dieser Preisklasse. ORF 1 ist tagsüber der ideale Sender, wenn man durch eine Verkühlung sediert auf seinem Sofa liegt. Bedauerlicherweise hat man halt nicht das ganze Jahr über Fieber. Jedenfalls saß Wlazny, der früher einmal Marco Pogo hieß, in der wichtigsten Nachrichtensendung des Landes und wurde nach seiner Kiff-Frequenz gefragt. Mundtrockenheit ist übrigens eine der häufigsten Nebenwirkungen von Cannabis, keine Ahnung, wieso mir das jetzt einfällt.

Um bei dem Positiven zu bleiben: Wlazny ist authentisch, keiner dieser kaputt gecoachten Phrasenroboter, die ohne Simultanübersetzung ihrer Pressesprecher nicht einmal über das Wetter plaudern können. Ich habe gestern mehr von den Ideen des Interviewten erfahren, als es mir bei Bildungsminister Martin Polaschek, Österreichs ranghöchster Aufziehpuppe, je gelungen ist. Aber Wlazny in der Hofburg kann ich mir genauso wenig vorstellen wie den Papst im Wiener Bermudadreieck. So wünschenswert fähige Ministerinnen und Minister auch wären, dass sie vorher ein Gütesiegel vom Wlazny-Ausschuss brauchen, ist demokratiepolitischer Unsinn. Er mag für viele der vernünftigste aller Spaßkandidaten sein, am Ende bleibt er trotzdem einer. Jedenfalls für dieses Amt.

Und an den ORF: Alle Kandidaten wurden gegrillt, von Grosz über Staudinger bis Wlazny. Nur Alexander Van der Bellen nicht. Wischiwaschi-Fragen und Streicheleinheiten, wo andere ihre Watschen kassiert haben. Lediglich die Videoschalte nach New York hat wohl verhindert, dass ihm von Marie-Claire Zimmermann zu Beginn des Interviews ein Erfrischungstuch und ein ergonomisches Sitzkissen angeboten wurden. Auch bei diesem Gespräch hätte ich mir die Frage „Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal etwas geraucht?“ erwartet. Und zwar von Van der Bellen an die teilnahmslose Moderatorin.

Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.

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