Regierung will klagen

Gewessler: „Wünsche der Atomlobby erfüllt“

Politik
02.02.2022 14:41

Erwartungsgemäß kritisch hat Österreich auf das von der EU-Kommission vorgeschlagene „grüne Label“ für die Atomkraft reagiert. „Atomkraft ist weder ,grün‘ noch nachhaltig. Ich kann die Entscheidung der EU nicht nachvollziehen“, teilte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch auf Twitter mit. Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) kündigte eine Klage gegen die EU-Kommission an. Sobald der Rechtsakt Gültigkeit habe, werde eine Nichtigkeitsklage beim EuGH eingelegt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen kritisierte ebenfalls das „falsche Signal“ der EU. „Atomkraft ist weder nachhaltig noch sicher“, so das rot-weiß-rote Staatsoberhaupt, das damit erstmals öffentlich Kritik an einer Entscheidung der EU-Kommission übte.

Die EU-Kommission habe in einem „intransparenten Schnellverfahren“ vor allem die „Wünsche der Atomlobby erfüllt“. Dabei seien nicht nur die Stellungnahmen vieler kritischer Mitgliedsstaaten, sondern auch eigene Verfahrensregeln und Experten ignoriert worden. Gewessler nannte drei Grüne, warum Österreich das grüne Label ablehnt. Atomkraft sei im Gegensatz zu Erneuerbaren veraltet und zu teuer, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Man müsse „jetzt handeln“ und den CO2-Ausstoß reduzieren. Zweitens liege die Entscheidung nicht gänzlich im Kompetenzbereich der EU-Kommission. Zu guter Letzt erfülle die Kernkraft nicht die Vorgabe, dass grüne Technologien „keine signifikanten Umweltschäden anrichten“. An dieser Stelle wurde die Atomkatastrophe in Fukushima erwähnt.

Es handelt sich laut der Grünen-Ministerin um „Greenwashing-Programm der Atomkraft und von fossilem Erdgas“. „Ich denke, das weiß sie auch“, übte Gewessler scharfe Kritik an der Brüsseler Behörde und versicherte, Österreich werde sich „nicht aus der Verantwortung stehlen“. Luxemburg werde sich ebenfalls diesen rechtlichen Schritten anschließen, so die Ministerin. Neben Österreich und Luxemburg lehnen auch Spanien, Dänemark, die Niederlande und Schweden eine nachhaltige Einstufung von Gas ab. Ob sie sich der Klage anschließen, ist noch unklar. EU-Abgeordnete, Umweltschützer und Wissenschafter haben ebenfalls immer wieder auf die klimaschädlichen CO₂-Emissionen von Gas und die ungelöste Frage des radioaktiven Abfalls bei der Kernkraft hingewiesen. Auch große Anleger wie die Europäische Investmentbank und die Investorengruppe IIGCC äußerten sich kritisch.

Der delegierte Rechtsakt wird nun dem Rat und dem EU-Parlament zur Begutachtung übermittelt. Dort könnte die Taxonomie noch verhindert werden, wenn 20 der 27 EU-Staaten mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung oder eine absolute Mehrheit im Parlament dagegen stimmen. Diese Szenarien gelten aber als nahezu ausgeschlossen. Die deutsche Bundesregierung hat sich zurückhaltend geäußert. Man habe nun „vier Monate Zeit, das zu prüfen, was die Kommission jetzt tatsächlich vorlegt“. Das Nachbarland befindet sich in keiner einfachen Situation: Einerseits wird Atomkraft als „grüne“ Energie klar abgelehnt, eine Unterstützung für Gaskraftwerke als Übergangstechnologie auf dem Weg zur CO2-Neutralität hält man aber in Berlin für vertretbar.

Was die Taxonomie bedeutet
Mit der Taxonomie will die Kommission festlegen, welche Finanzinvestitionen künftig als klimafreundlich gelten sollen, um mehr Geld in nachhaltige Technologien und Unternehmen lenken und so wesentlich zur Klimaneutralität Europas bis 2050 beitragen. EU-Berechnungen zufolge braucht es dazu pro Jahr 350 Milliarden Euro aus privaten Investitionen. Der nun angenommene Rechtsakt sieht vor, dass neue Atomkraftwerke bis 2045 als nachhaltig klassifiziert werden, wenn ein konkreter Plan für die Endlagerung radioaktiver Abfälle ab spätestens 2050 vorliegt. Außerdem müssen die Anlagen neuesten technischen Standards entsprechen. Investitionen in neue Gaskraftwerke sollen bis 2030 als nachhaltig gelten, wenn sie unter anderem schmutzigere Kraftwerke ersetzen und bis 2035 komplett mit klimafreundlicheren Gasen wie Wasserstoff betrieben werden. Im ursprünglichen Entwurf war die Beimischung von klimafreundlichen Gasen schon ab 2026 vorgeschrieben.

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