Die krone.tv-Reportage

Flutwelle in Keller: „Fast wäre es das gewesen“

Österreich
31.07.2021 06:00

Der Schock sitzt noch immer tief. Nach heftigen Überflutungen und Hagel in vielen Teilen Österreichs stehen viele Betroffene vor den Trümmern ihrer Existenz. krone.tv war in Salzburg und Niederösterreich und traf Menschen, die noch einmal von vorne anfangen.

Aufräumarbeiten bestimmen den Alltag im sonst so idyllischen Hallein. Omnipräsent: das laute Geräusch des Wassers, das aus Hochdruckreinigern auf die letzten Habseligkeiten prallt, die das Unwetter verschont hat. Nur so ist es möglich, den getrockneten, festen Gatsch zu entfernen. Vieles wird aussortiert, nur Keramik und Werkzeug werden gerettet. Überall wird versucht, die Innenstadt vom hartnäckigen Schlamm zu befreien.

„Alle nehmen die Schaufel in die Hand und packen mit an“
Bürgermeister Alexander Stangassinger ist ergriffen von der Solidarität: „Alle nehmen die Schaufel in die Hand und packen mit an.“ Lokale bieten Helfern Gratis-Pizza und selbst gebackene Cupcakes an. Alles ist in Bewegung, die Helfer wandern auf und ab, ihre Kleidung ist vom braunen Schlamm befleckt. Sandsäcke liegen schützend vor Haustoren, Pfützen überall, Erde mit dabei.

Tanner: „Ich bin einfach betroffen“
Halleins Bürgermeister erwartet an diesem Tag hohen Besuch. Verteidigungsministerein Klaudia Tanner (ÖVP) wird die Einsatzkräfte des Bundesheeres vor Ort besuchen. Nach einer kurzen Führung in einem knietief überschwemmten Keller steht sie Medienvertretern Rede und Antwort: „Ich bin einfach betroffen.“

67 Soldaten sind im Einsatz - „ein ganz großes Dankeschön an sie alle“, so Tanner. „Es ist furchtbar. Man muss sich nur den Keller hinter mir anschauen - es geht ganz tief hinunter. Da hilft eine Wasserpumpe nix. Sie sehen ja selbst, wie beschwerlich diese Arbeit ist.“

„Haushaltsgeräte müssen wir wegschmeißen“
In einer Seitengasse stapelt sich, was von Abdurahman Yüksels Garderobe noch zu retten ist. Vor dem Hauseingang der Familie trocknen mehrere Jeans und Jacken - Abdurahman hat sie auf der Motorhaube seines VW in die Sonne gelegt. „Ich würde es nicht als Neubeginn bezeichnen“, gibt sich der gebürtige Halleiner optimistisch, „wir konnten viele Sachen retten. Einige Dinge wie Haushaltsgeräte sind halt kaputt, die müssen wir wegschmeißen.“

Am Anfang sei man ziemlich verzweifelt gewesen, „aber dadurch, dass auch die Feuerwehr Hallein und die freiwilligen Helfer geholfen haben, hat man die Hoffnung bekommen, das alles zu meistern“.

Nebenan wäscht ein Mann das Werkzeug eines Bekannten, er ist aus einem Nachbardorf angereist, um mit anzupacken und seinem Freund zu helfen. „An so was denkt man nicht“, schüttelt er den Kopf. Er scheint zu beschäftigt, um ein Gespräch zu führen - es gibt noch einiges zum Abwaschen.

„Wir lassen uns nicht unterkriegen“
Auch für Ilaria Grava. Sie besitzt einen Eissalon in der Innenstadt und schwemmt gerade ihre Mistkübel aus. „Unser Keller ist sehr matschig. Uns bleibt nichts anderes, als alles aufzuräumen und zu waschen - wir haben einen großen Schaden.“ Auch ihre Geräte sind nun unbrauchbar. „Es ist eine schwierige Zeit, aber wir lassen uns nicht unterkriegen und hoffen, dass wir bald wieder aufsperren können.“

Volksschule durch Wassermengen komplett eingestürzt
Auch in Niederösterreich hat die Flut ein Bild der Verwüstung hinterlassen. Aggsbach-Dorf im Bezirk Melk ist von den Überflutungen am stärksten betroffen. Meterlange Hügel aus getrockneter Erde, abgebrochenen Ästen, gelöstem Gestein, aufgesplitterten Materialien sind penibel gestapelt. Hier ist die Feuerwehr an diesem Tag noch immer im Einsatz.

Die Einsatzzentrale befindet sich im Berzirksamt. Auch hier sind enorme Wassermengen eingedrungen - ein Zeichen dafür sind die insgesamt vier ausgehobenen Türen vor dem Eingang. Hier führt die Straße dem Aggsbach entlang.

Die Bachmauer ist mit Schlammspritzern bedeckt. Viele Bewohner sind vor ihren Häusern und räumen auf. Ein Klassenzimmer der Volksschule ist durch die Wassermengen komplett eingestürzt. Bis in den Turnsaal - jetzt Lager - strömte das Wasser, der Parkettboden ist verschlammt. Einige Sanduhren, Sessel, Händedesinfektionsmittelfläschchen und Lehrunterlagen müssen noch gereinigt werden.

„Erinnerungen an meinen Großvater und Vater, alles verschwunden“
„Bei mir gibt es so ein Gittertor. Ich habe es offen gelassen, weil ich eh schon was erwartet habe. Aber nicht in dieser Größenordnung. Wenn das zu gewesen wäre, wäre ich an der Gittertür gestorben und ersoffen. Bis zur Kellerdecke war alles total voll“, schildert Karl Miedler die Wucht der Wassermassen. „Eine richtige Wand kommt da auf dich zu - mit allen möglichen Materialien.“

Er führt uns in seinen Keller, der nun leer ist. „Erinnerungen an meinen Großvater und Vater, alles verschwunden. Da ist nix mehr, alles schriftlich Aufgezeichnete ist weg. Das kann dir keiner ersetzen.“

Dank gilt vor allem der Feuerwehr
Auch bei ihm ist der Schaden enorm. „Die ganzen Fenster sind schlagartig rausgeflogen.“ Sein Dank in diesen schwierigen Zeiten gilt vor allem der Feuerwehr: „Wie das funktioniert, ist fantastisch. Und die machen das alles freiwillig. Man darf nicht vergessen, die Offiziere und Unteroffiziere des Bundesheers kassieren volle Länge mit Zuschlägen. Aber hier haben sich Menschen Urlaub genommen. Das sind hauptsächlich Söhne von Bauern oder Bauern selbst.“

Miedler hat mehrere Hasen. Während der Flut konnte er beobachten, wie die Hasenmutter ins Wasser sprang, um ihren Nachwuchs zu retten. „Das glaubt man nicht“, sagt er sichtlich gerührt.

Niederösterreichische Feuerwehr auch in Belgien im Einsatz
In Tulln treffen wir Franz Resperger vom Feuerwehrkommando Niederösterreich. Er beschreibt den Dauereinsatz, der weit über die Landesgrenzen hinaus ging. „Wir hatten nicht nur die Katastrophen in Niederösterreich zu bekämpfen, wir wurden auch über den EU-Mechanismus nach Belgien gebeten, wo verheerende Unwetter wüteten. In der Nähe von Lüttich waren wir mit mehr als 120 Einsatzkräften vertreten. 26 Rettungsboote hatten wir dabei. Viele mussten sich Urlaub nehmen.“

Obwohl es in der Zwischenzeit schon wieder neue Unwetter gab, sei der gröbste Einsatz fürs Erste beendet.

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