"Gräuel" vs. "Ego"

Heftiger Schlagabtausch zwischen SPÖ und ÖVP

Politik
25.09.2008 08:25
Einen teils heftigen Schlagabtausch mit gegenseitigen Vorwürfen haben sich am Dienstagabend SPÖ-Chef Werner Faymann und ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer im sogenannten Kanzler-Duell geliefert - die gegenseitigen Vorwürfe reichten von Egoismus über ein Regierungstrauma bis hin zu "Gräuelpropaganda". Beim zehnten und letzten TV-Duell der Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl am 28. September verteidigte Faymann sein Fünf-Punkte-Programm gegen die Teuerung, das er am Mittwoch im Parlament durchbringen will, während Molterer vor neuen Schulden warnte. Übereinstimmung gab es von beiden lediglich darin, dass es zwar eine Steuerentlastung, aber keine neuen Steuern geben solle.

Schwerpunkt der Auseinandersetzung waren die teils umstrittenen Maßnahmen gegen die hohen Preise, vor allem die Mehrwertsteuer-Senkung auf Lebensmittel. Molterer warf Faymann vor, vor den Wahlen politische Grundsätze zu opfern. "Nach dem Kreisky-Rucksack" mit der Anhäufung von Schulden "legen Sie mit dem Faymann-Packerl noch eines drauf".

Er appellierte an den SPÖ-Chef, bei der Nationalratssitzung und der Beschlussfassung über die anstehenden Punkte "an die nächsten fünf Jahre zu denken. Es geht nicht um die fünf Punkte. Man soll nicht alles verspielen. Bleiben Sie auf der Basis dessen, was machbar und wirtschaftlich verantwortbar ist. Machen Sie nicht den Fehler das zweite Mal. Es ist aus meiner Sicht unverantwortlich, was hier geschieht. Sie verschießen morgen alles Pulver, das wir für die Entlastung des Mittelstandes brauchen. Das ist eine Zukunftsfrage, nicht ihr persönliches Ego."

Faymann: "Wir können nicht nur reden"
Faymann hielt dem entgegen, dass heute viele Menschen unter der Teuerung leiden würden und man daher rasch handeln müsse. "Manche sagen, die Politik sollte schon längst begonnen haben gegenzusteuern gegen die schwächere Konjunktur. Wir können nicht nur reden und alles in die Zukunft zu verschieben, sondern wir müssen in der Gegenwart handeln." Die Parole der ÖVP, dass die SPÖ die Schuldenmacherpartei sei, bezeichnete Fayman als alte Rhetorik. Man solle auch nicht über die dunklen Wolken am Konjunkturhimmel und die Arbeitslosigkeit reden, sondern "verhindern wir, dass es menschliches Leid gibt".

Während Molterer das Volumen für eine Steuerreform mit drei Milliarden angab, will Faymann vier Milliarden haben. Der SPÖ-Chef merkte an, dass es auch Mehreinnahmen gebe, die man zurückgeben könne.

Molterer reagiert auf SPÖ-Flirt verhalten
Weitere Themen der Diskussion waren die Pensionen, die Frauenpolitik, Umwelt und Verkehr. Was die Koalitionsfrage betrifft, bekräftigte SPÖ-Chef Werner Faymann seine Präferenz für eine Regierung mit einer erneuerten ÖVP. Es könne aber nicht sein, dass mit Schüssel und Molterer nach einigen Monaten beim nächsten Mal wieder Neuwahlen vom Zaun gebrochen würden. Es dürfe auch keine Verhöhnung und Herabwürdigung des politischen Partners geben, "das ist nicht mein Stil". ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer meinte, sein Ziel sei es, Verantwortung zu übernehmen. "Ich möchte nicht, dass es einen Bundeskanzler gibt, der auf Zuruf reagiert."

"Sie haben wirklich ein Trauma" - "Sie sagen das immer"
Auch in der Europafage dürfe man nicht wie die SPÖ die Fahne einfach in den Wind hängen. Ein vernünftiges Budget müsse es ohne neue Schulden geben, und "wer in dem Sinn für Österreich arbeiten will, kann bei uns im Sinn einer starken Partnerschaft eine wichtige Verantwortung übernehmen", so Molterer. Faymann meinte, die ÖVP habe in den letzten 18 Monaten den Streit in den Vordergrund gestellt und die SPÖ versucht auszubremsen. Wolfgang Schüssel habe nicht verkraftet, die letzte Wahl verloren zu haben, worauf Molterer meinte: "Sie haben offensichtlich wirklich ein Trauma." Faymann: "Sie sagen das immer mit dem Trauma." Molterer: "Sie leben es richtig, Sie hängen es heraus."

Harte Worte: Faymann kritisiert "Gräuelpropaganda"
Die beiden Kontrahenten unterbrachen sich auch oft gegenseitig. Faymann meinte, er sei gegen die "Greuelpropaganda" der ÖVP. Er wolle nicht darüber reden, was in drei oder vier Jahren richtig sei. "Wenn Handlungsbedarf ist, wird der einen Vorsprung haben, der auch bereit ist zu handeln, und nicht nur auf die Bremse zu steigen." Es wäre jedenfalls gut gewesen, die Steuerreform auf 2009 vorzuziehen, aber die ÖVP habe sich dagegen gewehrt.

Molterer: "Es fehlt an allen Ecken und Enden"
Bei den Pensionen versuchte Faymann den ÖVP-Chef von einer Erhöhung um 3,4 Prozent zu überzeugen. Molterer merkte an, dass man die 3,2 Prozent selbstverständlich vertrete, wie hoch die Einmalzahlung für die Senioren sein werde, könne man heute aber nicht sagen. "Wenn sie die Mehrwertsteuer-Senkung beschließen, fehlt das Geld." Faymann dazu: "Nehmen Sie das dann den Pensionisten weg?" - Molterer: "Nein, dann wird der Spielraum insgesamt geringer für eine Steuersenkung. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Überlegen Sie es sich."

Frauen, Kinderbetreuung & Verkehr als weitere Themen
Beim Frauenthema will Molterer den Frauenanteil in Leitungsfunktionen erhöhen. Faymann trat für eine gesetzliche Regelung ein. Bei den Kinderbetreuungsplätzen will der SPÖ-Chef einen flächendeckenden Ausbau. Molterer geht es darum, den Frauen die Wahlmöglichkeit zu geben. Beim öffentlichen Verkehr gab es von beiden Seiten Einigkeit betreffend eines notwendigen Ausbaus. Allerdings ist dem SPÖ-Chef das von Molterer präferierte Österreich-Ticket um 120 Euro monatlich zu teuer, weil sich das viele Menschen nicht leisten könnten und auch in Gegenden leben, wo es überhaupt keine öffentlichen Verkehrsmittel gebe.

Die Sager aus dem TV-Duell:
Faymann: "Sie kennen das Papier vom 25. März 2008, keinen Neuwahlantrag 2008, keine Zustimmung zu Neuwahlanträgen. Da ist Ihre Unterschrift. Sehen Sie, wie lange das gilt. Wir sitzen eine Woche vor der Wahl da. Sie haben das im März mit Gusenbauer unterschrieben." ... "Unterbrechen Sie mich nicht dauernd."

Molterer: "Wenn Faymann von Wortbruch redet, weiß er, wovon er spricht. Sie haben mir gesagt, am 14. Juli, dass sie im Parlament uns nicht überstimmen werden. Bei Ihnen dauert ein gehaltenes Wort genau 14 Tage. Worauf kann man sich bei Ihnen verlassen?"

Faymann: "Wenn man so tief wird im Wahlkampf wie mit manchen Inseraten, wundert es mich nicht." ... "Lassen wir die vorbereiteten Taferln beiseite."

Molterer: "Ich habe gelesen, dass Sie bei Samy Molcho (Pantomime und Körpersprachen-Trainer; Anm.) trainiert haben. Man merkt es."

Molterer: "Ich bin Besitzer einer Jahreskarte für Öffis. Ich brauche keine Bodyguards."

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