Brüllender Leopard

Apple schickt den “Rattenfänger” Leopard

Digital
08.11.2007 23:20
"Mit dem iPod haben wir so etwas wie einen Trojaner bei den Windows-Usern. Vielleicht gefällt ihnen das, was sie bei iTunes sehen, und sie sind auch mal an unseren Computern interessiert", sagte Apple-Sprecher Georg Albrecht gegenüber krone.at bei der Wien-Präsentation von "OS X Leopard", dem neuen Betriebssystem für die Macintosh-Plattform. Neben dem "Trojaner" hat Apple jetzt auch einen "Rattenfänger" auf die Windows-Benützer losgelassen. Der Leopard buhlt, ja brüllt regelrecht mit seinen überragenden Features um die Microsoft-Knechte. Noch nie war ein Umstieg auf Mac so verlockend. Oder doch nicht?

Zwei Millionen Leopard-Exemplare hat Apple am ersten Verkaufswochenende abgesetzt. Laut Apple ist die neueste Version des Mac-Betriebssystems OS X mit über 300 neuen Funktionen die größte Überarbeitung bisher. Davor hießen die Versionen übrigens Jaguar, Panther und Tiger. Das Interessante am Apple-Raubtier: Noch nie zuvor ist man so offensiv auf Windows-User losgetigert.

Schon bei der Preisankündigung für Leopard (der Preis liegt bei 129,- Euro als Einzellizenz und 199,- Euro als Familienlizenz für fünf Macs) bezeichnete es Apple als „einzige Ultimate Version“ mit einem Seitenhieb auf Windows Vista, das mit seinem Dschungel von sieben verschiedenen Versionen beim Start von Kritikern belächelt wurde. Mit den neuen Features – neben zahlreichen OS-Änderungen auch das Programm „Boot Camp“, welches den nativen Betrieb von Linux-Distributionen, Windows XP und Vista auf Intel-Macs ermöglicht – übertrumpft Leopard das Microsoft-OS noch dazu in vielen Bereichen. Hier die wichtigsten Features in der krone.at-Beurteilung:

Neues im Finder: Quicklook und Cover-Flow
Im Finder (dem Mac-Pendant zum Windows-Explorer) hat sich bei Leopard einiges getan. Ähnlich wie beim iPod touch und dem iPhone kann man jetzt wie in einer Jukebox Dateien, Programme und Ordner an sich vorbeiblättern. Das Ganze nennt sich „Cover-Flow“, sieht beeindruckend aus und schafft vor allem bei umfangreichen Ordnern mit vielen unterschiedlichen Dateitypen Übersicht.

Die Desktopsuche „Spotlight“ ist jetzt in jedem Ordnerfenster verfügbar, die Indizierung neuer Dateien erfolgt im Hintergrund ohne dass der User etwas davon merkt. Durch die seit jeher nahtlose Integration von Programmen in die Findermenüs und ins Betriebssystem überhaupt, ergab sich bei Leopard die mächtige Voransicht-Funktion „Quick-Look“. Das heißt: Wer in der „Cover-Flow“-Ansicht durch die Dateien fliegt – egal ob Dokumente, PDFs, Videos, Tabellen - kann sie mit einem Druck auf die Leertaste vollständig betrachten, ohne die entsprechende Applikation laden zu müssen.

Zum Bearbeiten braucht man natürlich immer noch das entsprechende Programm, aber die Preview-Funktion spart immens viel Zeit. Cover-Flow braucht zwar Rechenleistung, auf einem neuen Intel-Mac spürt man die grafisch sehr aufwendigen Prozesse aber überhaupt nicht. PowerPC-Macs werden sich damit mehr plagen, als es nützt.

Drei Betriebssysteme auf einem Rechner: Boot Camp
Der „Umsteiger-Lockvogel“ in Leopard schlechthin ist die Software „Boot Camp“, die den nativen Betrieb diverser Linux-Distributionen sowie Windows XP und Vista auf Intel-Macs ermöglicht. Boot Camp partitioniert die Festplatte mit Mac OS X ohne Neuformatierung (etwas, das auch nur bei Mac funktioniert) und erstellt beliebig definierbare Partitionen für die alternativen Betriebssysteme. Man installiert darauf dann wie gewohnt sein Windows-OS und bekommt von Apple ein Paket mit Treibern für die Mac-Hardware. Wegen dem anderen Tastaturlayout auf Macs gibt es zwar einige neue Tastenkombinationen (etwa für Strg+Alt+Entf), ansonsten wird Windows aber nativ ohne Verluste umgesetzt. Das Witzige daran: Einige Komponenten (etwa die USB-Schnittstellen) laufen unter Windows schneller als unter OS X.

„Star Wars“-Backup: Time Machine
Mit der Problematik von Backups im Heimanwenderbereich setzte man sie bei „Time Machine“ auseinander. Kaum jemand sichert zuhause seine Dateien im großen Stil, weil es vielen Anwendern einfach zu aufwendig ist. Das gilt auch für Windows, aber bisher vor allem für Mac-Computer, für die es kaum kostengünstige Drittanbieter-Software gibt, die Backups automatisch erledigt. Time Machine löst dieses Problem und geht sogar einen Schritt weiter. Auf einer externen Festplatte mit einem vollständigen Backup des Ist-Systems, das bei der erstmaligen Verwendung von Time Machine angelegt wird, sichert das Programm stündlich alle Änderungen.

Wer eine Datei scheinbar unwiederbringlich gelöscht hat, gibt sie einfach im Suchfeld des Finders ein und klickt dann auf Time Machine. Was folgt, sieht wie der Vorspann zu einer Star-Wars-Episode aus. Der Desktop klappt zu Seite, eine laaaaaange Kette von Ordnern stellt sich bis ins Unendliche auf – und Time Machine beginnt durch den Stapel an alten Systemversionen zu rasen. Irgendwann stoppt das Ding und man findet die frühere Version des Ordners, in dem sich die Datei befand. Das Einzige, was man beachten muss, ist die externe Festplatte möglichst täglich an den Mac anzustöpseln, um eine Verlangsamung des Systems durch große Backups zu vermeiden.

Updates bei iChat und Mail
Auch das integrierte E-Mail-Programm und die Konferenzlösung „iChat“ wurden in Leopard upgedatet. In „Mail“ wurde Quick-Look integriert, was beim Betrachten von Attachements unglaublichen Komfort schafft. Außerdem gibt es einen Texterkenner für E-Mails, der Namen, Adressen und sogar Termine erkennt. Aus einem Mail mit „Abendessen morgen 19.30 Uhr“ kann das Programm nun Datum und Zeit extrahieren und per Klick einen Eintrag in den iCalendar hinzufügen. Aus Adressen lassen sich mit einem Klick Kontakteinträge erstellen bzw. erweitern. Ferner ist im Mail-Menü ein Direktlink zu Google Maps integriert, mit dem man sich sofort die Lage einer erkannten Adresse anzeigen lassen kann.

Die Videokonferenzlösung iChat wurde um zahlreiche File-Sharing-Möglichkeiten und eine Art Remote-Desktop-Lösung erweitert. Auf Knopfdruck lassen sich Dokumente, Fotos und sogar Videos dem Vis-à-Vis ad-hoc zeigen, ohne dass dieser irgendetwas downloaden muss. Absolut beeindruckend sieht die Desktop-Sharing Funktion aus. Per Klick kann einem sein Gegenüber die Zugriffserlaubnis für seinen Desktop aussprechen und binnen Sekunden arbeitet man auf dem Computer des Chat-Partners! Eine Videokonferenz mit mehreren Teilnehmern ist ebenfalls möglich, hier können die Dokumente dann allen Teilnehmern auf einmal gezeigt werden.

Neuer Dock mit „Stacks“ – „Spaces“ für den Desktop
Im jetzt dreidimensionale „Dock“, dem Apple-Pendant zur Windows-Taskleiste, spiegelt sich nicht nur alles, was auf der Desktopoberfläche passiert – es wird in Leopard auch alles in „Stacks“ organisiert. Abgelegte Programme, im Dock angelinkte Ordner und der fix integrierte Download-Ordner, in dem sich alle aus dem Internet geladenen Dateien finden und anzeigen lassen, werden gestapelt und fächern sich auf Knopfdruck wie an einer Schnur auf. Ist der Inhalt für die Schnur zu lang, wird alles in einem Raster angezeigt. „Stacks“ ist eine intelligente, praktische Organisationsfunktion, die dafür sorgt, dass man keine Sekunde den Überblick verliert.

Selbiges gilt auch für „Spaces“. In Tiger – dem Vorläufer Leopards - war es bisher auf Knopfdruck mit der Funktion „Exposé“ möglich, alle aktiven Programm- und Ordner-Fenster auf dem Desktop wie auf einem Leuchttisch aufzulegen und mit einem Klick das in den Vordergrund zu holende auszuwählen. „Spaces“ geht einen Schritt weiter. Hier lassen sich Programmfenster auf virtuelle Desktops aufteilen. Auf Knopfdruck wechselt man von einem Desktop zum anderen. Für den Workflow bringt dies eine klare Trennung von Programmfenstern. Mail und Safari (der Apple-Internet­-Browser) in einen „Space“, Programme, mit denen vielleicht gerade arbeitet in einen andere und wer noch Skype oder iChat geöffnet hat, nimmt einen dritten „Space“.

Auf der Apple-Homepage gibt es eine (Werbe)-Video-Tour, die alle Funktionen von Leopard zeigt und erläutert.

Bleibt noch die Frage: Lohnt sich ein Umstieg?
Die Fülle an Funktionen und ihre praktische Umsetzung in Leopard ist gigantisch. Bemerkenswert auch, dass es bei der Einführung des Betriebssystems nur am ersten Wochenende Meldungen über Installationsfehler und Programminkompatibilität gab. Mit raschen Leopard-Bugfixes und Updates zu sämtlichen Apple-Programmen bekam man die kleinen „Flaws“ nach drei, vier Tagen in den Griff. Im krone.at-Test funktionierte die Installation anstandslos und auch das Migrieren des alten Tiger-Systems war kein Problem. Auch Drittsoftware von Adobe, Microsoft odeues Betriebssystem switcht, stellt sich hauptsächlich für Non-Mac-User die Frage, ob es sich mit Leopard nun lohnt, auf Mac umzusteigen – wobei man durch Bootcamp ja die alten Win-Vorzüge erhält, wie etwa die Nutzung von Games, von denen wenig bis gar keine Titel für die Mac-Plattform erscheinen. Abseits der um Längen besseren Usability von Leopard in Sachen Web, E-Mail und Multimedia, gibt es jedoch einige Punkte, die man beachten sollte, wenn man mit dem Umstieg auf die Apple-Plattform liebäugt.

  • Die Hardware liegt preislich weiterhin über Laptops oder Desktop-PCs mit Windows-Software. Unter eintausend Euro bekommt man einfach kein MacBook, was für viele die Lust am Apfel erheblich schmälern dürfte. Dafür zählt Apple zu den Firmen mit den weltweit wenigsten Reparatur-Rücksendungen.
  • Mac-Besitzer sind die Minderheit unter den Computernutzern, vulgo „Mac ist eine Insel und Windows das Meer“. Und so genannte „Killer-Applikationen“ wie das fabelhafte iChat bleiben ungenützt, wenn unter Freunden und Kollegen die Mac-User ebenso eine Minderheit darstellen. iChat kann nur mit iChat.
  • Die Integration von Smartphones und PDAs in die Mac-Plattform ist so gut wie nicht gegeben. Software der bekannten Handy-Hersteller von Nokia bis Samsung ist meist ausschließlich für die Windows-Plattform erhältlich, was die Nutzbarkeit von Dingen wie iCal oder den zahllosen Planungs-Funktionen in Mail wiederum schmälert, da man sie ja nicht mit dem Handy synchronisieren kann. Selbiges gilt für MP3-Player, die nicht iPod heißen. Hier schaffen aber Freeware und Open-Source-Programme Abhilfe.
  • Es gibt fast keine Games für die Mac-Plattform. Einzig der Publisher EA bringt zurzeit Titel für Apple-Computer heraus.
  • Was wiederum für Mac spricht: Es gibt so gut wie keine Viren für Mac, auch sind die Apple-Computer ob ihrer (im Vergleich zu Windows) geringen Verbreitung selten Ziel von Trojaner-Attacken. Was vorerst auch so bleiben wird.

Fazit: Der „Rattenfänger“ Leopard tut als solcher zweifellos seine Wirkung. Im Vergleich zu Windows Vista schneidet das neue OS X im Praxistest in Sachen Usability und Built-In-Features um Längen besser ab. Dinge, wie das Ordnunghalten auf der Festplatte oder die Übersicht beim Arbeiten auf dem Desktop zu bewahren, die unter Windows relativ kompliziert erscheinen, werden hier durch die geschickte Implementierung der Programme in OS X zum Randproblem.

Die Umstiegs-Frage ist letztlich aber nicht nur Geschmackssache sondern auch eine Frage der Isolierung. Gamer werden mit einem Mac nicht viel anfangen, wer mit Windows Vista bloggen, Videos schneiden und seine Fotos verwalten möchte, wird mit einem Apple-Computer besser betan sein - wenn man das nötige Kleingeld hat. 

Was man sich aber auf jeden Fall vor dem nächsten Computerkauf geben sollte, ist ein Besuch in einem Apple-Shop um sich seine Dosis Leopard-Betörung unbedingt im Selbst-Test abzuholen.

Christoph Andert

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