Im „akuten Wahn“ schnitt eine 29-Jährige im November in Wien-Favoriten ihrem vierjährigen Sohn die Kehle durch. Am Montag konnte sie nach einer turbulenten Verhandlung dennoch die Justizanstalt Josefstadt, in der sie vorläufig untergebracht war und erfolgreich behandelt wurde, verlassen.
Der Prozess wühlt auf. „Ich bin sehr traurig. Es ist unglaublich. Ich habe mein eigenes Kind umgebracht“, antwortet die junge Frau im Wiener Landl auf eine Frage von Richter Stefan Apostol. Sie sitzt als „Betroffene“ und nicht als „Angeklagte“ vor ihm und den Geschworenen. In der Nacht auf den 17. November 2024 hat sie in ihrer Wohnung in Wien-Favoriten im Wahn mit einem Küchenmesser ihren vierjährigen Sohn getötet. Bei der Tat war sie zurechnungsunfähig.
Ich habe halluziniert. Ich habe Angst um mein Kind gehabt. Ich wollte ihn schützen.
Die Mutter über ihre Wahnvostellungen.
Abrupter Ausbruch einer akuten Psychose
Schon einige Tage zuvor hatte sich die frühere Kindergartenhelferin auffällig verhalten – sie war aggressiv und suchte Streit. Die Kindergarten-Leiterin riet daher dem Ehemann, psychiatrische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im Erstaufnahmezentrum eines Wiener Spitals wurde die akute Psychose nicht erkannt: „Es wurde von der Ärztin eine Depression und Überforderung angenommen.“ Das Paar wurde nach Hause geschickt.
Der Zustand verschlimmerte sich in den kommenden Tagen. Die Frau dachte, dass die Welt abbrennen werde und Gas in ihre Wohnung ströme. Auch fürchtete sie, dass Männer den Buben vergewaltigen wollten. „Ich habe halluziniert. Ich habe Angst um mein Kind gehabt. Ich wollte ihn schützen“, sagt die weinende 29-Jährige im Saal 401 mehrmals. Der Vater, der in jener Nacht durch Gurgelgeräusche des Buben aufwachte und die Tat mit ansehen musste, steht nach wie vor zu seiner Frau. „Sie hat unseren Sohn doch geliebt. Sie war krank.“
Die Krankheit ist mit der Medikation beherrscht.
Gerichtspsychiaterin Sigrun Roßmanith.
Bild: Imre Antal
„Therapiebereit und krankheitseinsichtig“
Weil die Frau inzwischen therapiebereit und krankheitseinsichtig sei, spricht sich der Verteidiger für eine bedingte Unterbringung aus. Eine solche unterstützt auch Gerichtspsychiaterin Sigrun Roßmanith. „Die Krankheit ist mit der Medikation beherrscht“, ist die Gutachterin sicher. Die akute polymorph psychotische Störung sei „abrupt“ aufgetreten und habe sich rasch entwickelt. Seit ihrer Anhaltung werde die 21-Jährige medikamentös und psychotherapeutisch behandelt. Auf die Neuroleptika spricht sie sehr gut an. „Je akuter eine Erkrankung ist, desto besser ist sie behandelbar“, stellte Rossmanith fest. Sie sagt sogar, dass von der Mutter in Zukunft bei entsprechender Behandlung keine hohe Gefahr für weitere schwere Straftaten ausgehen würde.
Zweiter Gutachter soll Klarheit bringen
Hätte das Gericht dem sofort zugestimmt, wäre die Frau am Montag ganz freigekommen. Zumal die rechtlichen Voraussetzungen für eine Einweisung dann nicht mehr gegeben wären. Der Richtersenat beschließt aber, ein zweites psychiatrisches Gutachten, voraussichtlich von Gerichtspsychiater Peter Hofmann, einzuholen.
Vor der Vertagung auf 3. September überrascht Apostol: Die 29-Jährige, die seit der Bluttat in der Justizanstalt vorläufig untergebracht war, wird aufgrund „gelinderer Mittel“ enthaftet und unter Auflagen in einer Wohngemeinschaft untergebracht.
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